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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_320/2018  
 
 
Urteil vom 8. November 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Claude Wyssmann, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Solothurn, 
Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn 
vom 7. März 2018 (VSBES.2016.80). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________, geboren 1963, Mutter von zwei 1989 und 1996 geborenen Kindern, arbeitete zuletzt seit 1990 bei der B.________ AG als Montagemitarbeiterin. Am 19. Mai 1998 meldete sie sich unter Hinweis auf ein depressives Leiden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gemäss Bericht des Dr. med. C.________, der sie damals in der psychiatrischen Klinik D.________ betreute, war sie deswegen zu 100 % arbeitsunfähig. Gestützt auf das Gutachten der psychiatrischen Dienste des Kantons Solothurn vom 8. August 2000 sprach die IV-Stelle des Kantons Solothurn A.________ mit den Verfügungen vom 16. Februar 2001 ab dem 1. April 1998 eine ganze Rente zu. Der Rentenanspruch wurde mehrfach gestützt auf die Berichte des Dr. med. C.________ bestätigt.  
 
A.b. Im Zuge einer weiteren von Amtes wegen eingeleiteten Rentenrevision holte die IV-Stelle das Gutachten des Dr. med. E.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 9. Juni 2015 ein. Mit Verfügung vom 5. Februar 2016 hob sie den Rentenanspruch auf.  
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung mit Entscheid vom 7. März 2018 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides seien ihr die bisherigen Rentenleistungen zuzusprechen. Hilfsweise wird um Einholung eines medizinischen Gutachtens durch die Vorinstanz beziehungsweise um berufliche Massnahmen ersucht. Des Weiteren wird die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege beantragt. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin hat dazu mit einer weiteren Eingabe Stellung genommen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann das Bundesgericht nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die von der Vorinstanz geschützte revisionsweise Einstellung der Invalidenrente durch die IV-Stelle vor Bundesrecht standhält. 
 
3.   
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), die Invalidität (Art. 8 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG) und den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 2 IVG), zur Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG), zur Rentenrevision (Art. 17 Abs. 1 ATSG) und insbesondere zu den für die vergleichende revisionsweise Überprüfung relevanten Zeitpunkten (BGE 134 V 131 E. 3 S. 132 f.; 133 V 108 E. 5.4 S. 114; SVR 2012 IV Nr. 18 S. 81, 9C_418/2010 E. 4.1 und 4.2; Urteil 8C_553/2017 vom 26. März 2018 E. 2.2.3) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die bei der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) und der Beurteilung des Beweiswerts eines ärztlichen Berichts oder Gutachtens zu beachtenden Regeln (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352). Es wird darauf verwiesen. 
Hervorzuheben ist, dass nach der Rechtsprechung bei psychischen Leiden unabhängig von der diagnostischen Einordnung auf objektivierter Beurteilungsgrundlage zu prüfen ist, ob eine rechtlich relevante Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit nachzuweisen sei (BGE 143 V 409 E. 4.5.2 S. 416). Bei der Frage der funktionellen Auswirkungen einer Störung haben sich sowohl die medizinischen Sachverständigen als auch die Organe der Rechtsanwendung bei ihrer Einschätzung des Leistungsvermögens an den normativen Vorgaben zu orientieren (BGE 144 V 50 E. 4.3 S. 53 f.; 143 V 418 E. 6 S. 427). 
 
 
4.   
Die Vorinstanz stellte fest, dass bei der ursprünglichen Rentenzusprechung gemäss Gutachten der psychiatrischen Dienste des Kantons Solothurn vom 8. August 2000 wegen der depressiven Erkrankung (mittelgradige bis schwere depressive Episode mit psychotischen und somatischen Symptomen, ICD-10 F32.11/31) bei schizoider Persönlichkeit eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit in jeglicher Erwerbstätigkeit bestanden habe. Gemäss dem im Revisionsverfahren eingeholten voll beweiskräftigen psychiatrisch-psychotherapeutischen Gutachten des Dr. med. E.________ sei die depressive Episode remittiert. Das kantonale Gericht schloss sich ihm auch insoweit an, als er eine Minderung der Arbeitsfähigkeit mit der nunmehr diagnostizierten Dysthymie (ICD-10 F34.1) bei akzentuierten (schizoiden) Persönlichkeitszügen (ICD-10 Z73.1) nicht mehr zu begründen vermochte. 
 
5.  
 
5.1. Die Kritik der Beschwerdeführerin am Gutachten des Dr. med. E.________ bezüglich dessen revisionsrechtlicher Beweiseignung verfängt nicht. Die Vorinstanz stellte gestützt auf die Ausführungen des Experten fest, dass sich aktuell gegenüber den zur Zeit der ursprünglichen Rentenzusprechung erhobenen Befunden ein wesentlich besserer Psychostatus gezeigt habe. Während bei der damals älter wirkenden Beschwerdeführerin eine gebeugte Haltung, wenig Blickkontakt, eine leise Stimme, die zeitlich unscharfe Orientierung, Konzentrationsstörungen, ein umständliches und eingeengtes Denken, ein eingeschränkter affektiver Rapport, eine verminderte affektive Schwingungsfähigkeit und die reduzierte Psychomotorik aufgefallen seien, sei die Psychomotorik nun lebendig und flexibel gewesen. Sie habe den Blickkontakt gehalten, der Antrieb sowie die Merkfähigkeit und Konzentration seien unauffällig, Mimik und Gestik angemessen gewesen und schliesslich hätten keine Hinweise bestanden auf Suizidalität, emotionale Stumpfheit, Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen oder Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber. Dies wird beschwerdeweise im Einzelnen nicht bestritten, und Hinweise auf eine diesbezügliche offensichtliche Unrichtigkeit sind nicht erkennbar. Dass das kantonale Gericht der gutachtlichen Annahme der Remission des depressiven Syndroms unter diesen Umständen gefolgt und damit von einer effektiven rentenerheblichen Veränderung ausgegangen ist, ist nicht bundesrechtswidrig.  
 
5.2. Zu überprüfen bleibt, ob die vorinstanzliche Annahme einer aktuell vollen Arbeitsfähigkeit gestützt auf das Gutachten vor Bundesrecht standhält. Nach eingehender Befassung, unter anderem anhand der Montgomery and Asberg Depression Rating Scale (MADRS) zur psychometrischen Beurteilung depressiver Symptome, vermochte         Dr. med. E.________ keine beziehungsweise nur sehr gering ausgeprägte objektivierbare psychopathologische Befunde auszumachen. Ein klinisch relevantes depressives Syndrom sei (insbesondere bei Fehlen der Eingangskriterien der dauerhaften Hemmung der Psychomotorik, der wesentlichen Verminderung der affektiven Schwingungsfähigkeit und einer ausgeprägten sozialen Inaktivität) nicht erkennbar gewesen, ebenso wenig wie ein somatisches Syndrom, das im Kontext mit einer depressiven Symptomatik bestehen könne. Die schizoiden Persönlichkeitszüge hätten keinen Krankheitswert und minderten die Ressourcen nicht. Es bestünden - krankheitsfremd - vielfältige psychosoziale Faktoren, die die ausgeprägte Diskrepanz zwischen objektiver Befundlage und subjektiver Einschätzung erklärten. Auch mit den von seiner Auffassung abweichenden Stellungnahmen des behandelnden Psychiaters sowie des Hausarztes setzte sich Dr. med. E.________ eingehend auseinander. Gemäss Gutachten bestand keine Arbeitsunfähigkeit, was nicht einfach aus der Diagnose gefolgert oder unter Hinweis auf eine zu vermutende Überwindbarkeit begründet wurde. Der Gutachter nahm auf die vormals einschlägigen Foerster-Kriterien (BGE 130 V 352 E. 2.2.3 S. 354 f.) Bezug im Sinne einer Bestätigung des Ergebnisses und nicht zwecks dessen Herleitung. Damit enthält das Gutachten die für die Beurteilung erforderlichen Angaben, auch wenn es nicht in allen Teilen den mit BGE 141 V 281 definierten Vorgaben an ein strukturiertes Beweisverfahren folgte (vgl. BGE 143 V 409 E. 5.2 S. 418). Die gestützt darauf ergangene vorinstanzliche Feststellung einer vollen Arbeitsfähigkeit nach Remission der depressiven Episode und Ausschluss einer eigentlichen Persönlichkeitsstörung ist nicht offensichtlich unrichtig. Daran ändert nichts, dass auch das kantonale Gericht keine eingehende Prüfung der einzelnen Indikatoren vorgenommen hat (vgl. BGE 143 V 409 E. 5.2 i.f. S. 418).  
 
6.   
Das kantonale Gericht schützte die Verfügung der IV-Stelle auch insoweit, als diese einen Anspruch der Versicherten auf Wiedereingliederungsmassnahmen verneinte, weil sie darauf verzichtet habe. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen führte die IV-Stelle ein Mahn- und Bedenkzeitverfahren durch (vgl. Art. 21 Abs. 4 ATSG). In Kenntnis der Sachlage sei die Beschwerdeführerin passiv geblieben und habe es unterlassen, innert Frist zu antworten und ihren Wunsch nach beruflichen Massnahmen anzumelden. Des Weiteren habe sie im Gespräch angegeben, sie fühle sich nicht in der Lage zu arbeiten. Mit Blick darauf und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände durfte die Vorinstanz ohne Bundesrechtsverletzung auf den fehlenden Eingliederungswillen der Beschwerdeführerin schliessen (vgl. Urteile 8C_145/2018 vom 8. August 2018 E. 7; 8C_579/2015 vom 14. April 2016 E. 3.2.2.3 i.f.). Dass sie im Rahmen der vorinstanzlichen Beschwerde wiederum anderes angab, ändert daran nichts. 
 
7.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der unentgeltlichen Verbeiständung, Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 BGG) kann gewährt werden. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Claude Wyssmann wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 8. November 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo