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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_47/2020  
 
 
Urteil vom 19. Mai 2020  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Kneubühler, Müller, 
Gerichtsschreiber Uebersax. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Kostenvorschuss, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Appellationsgerichts Basel-Stadt, Präsidentin, 
vom 15. Januar 2020 (BES.2019.111). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit superprovisorischer Massnahme des Einzelrichters in Familiensachen des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 28. März 2018 wurde B.A.________ unter Androhung einer Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB vorsorglich angewiesen, bestimmte Handlungen zum Nachteil von A.A.________, ihrem damaligen Ehemann, zu unterlassen. Mit dem rechtskräftigen Entscheid vom 17. April 2018 bestätigte das Zivilgericht Basel-Stadt die Massnahmen indessen nicht und sah folgerichtig auch keine Strafandrohung mehr vor. Am 30. April 2018 erstattete A.A.________ Strafanzeige gegen B.A.________ wegen diverser Handlungen, die unter Strafandrohung stünden. In der Folge wurde der Strafanzeige die Verfahrensnummer VT.2018.14678 zugewiesen. Daneben gibt es noch verschiedene ähnlich gelagerte Verfahren im Zusammenhang mit Strafanzeigen zwischen B.A.________ und A.A.________. Am 15. Mai 2019 verfügte die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid BES.2019.111 die Nichtanhandnahme der Strafanzeige im Verfahren VT.2018.14678, im Wesentlichen weil im fraglichen Tatzeitpunkt keine Strafandrohung wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen mehr bestanden habe und Art. 292 StGB damit nicht erfüllt sein könne. 
 
B.  
Dagegen erhob A.A.________ am 20. Mai 2019 Beschwerde beim Appellationsgericht Basel-Stadt. Mit Verfügung vom 15. Januar 2020 wies die Präsidentin des Appellationsgerichts ein Gesuch von A.A.________ um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit seiner Begehren ab und forderte ihn auf, innert bestimmter Frist einen Kostenvorschuss von Fr. 800.-- zu leisten. 
 
C.  
Gegen diese Verfügung der Appellationsgerichtspräsidentin führt A.A.________ beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen mit dem Hauptantrag, die Verfügung des Appellationsgerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, das Verfahren fortzusetzen; überdies sei festzustellen, dass das Appellationsgericht A.A.________ das Recht auf ein faires Verfahren verweigert und das Recht auf Akteneinsicht verletzt habe; schliesslich sei A.A.________ die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen und die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens seien der Appellationsgerichtspräsidentin persönlich aufzuerlegen. 
Die Staatsanwaltschaft und das Appellationsgericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde. A.A.________ äusserte sich am 19. März 2020 nochmals zur Sache. 
 
D.  
Im separaten Verfahren 1B_31/2020 ist eine weitere Beschwerde von A.A.________ in einem Parallelfall am Bundesgericht hängig, über die gleichzeitig entschieden wird. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit dem angefochtenen Entscheid hat die Vorinstanz das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege in einem strafrechtlichen Verfahren abgewiesen und ihn zur Leistung eines Kostenvorschusses aufgefordert. Dies stellt einen Zwischenentscheid in Strafsachen (Art. 78 Abs. 1 BGG) dar, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken kann (vgl. BGE 140 IV 202 E. 2 S. 203 ff.; 133 IV 335 E. 4 S. 338, mit Hinweisen). Das Appellationsgericht Basel-Stadt hat als letzte kantonale Instanz (vgl. Art. 80 Abs. 1 BGG) entschieden. Damit steht die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht grundsätzlich offen. Ein unentgeltlicher Rechtsbeistand wurde vom Beschwerdeführer nicht verlangt, weshalb die Zuweisung eines solchen nicht Streitgegenstand bildet.  
 
1.2. Unabhängig von der Legitimation in der Sache selbst kann eine Verfahrenspartei jedenfalls die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Das erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen (BGE 138 IV 78 E. 1.3 S. 80; 137 II 305 E. 2 S. 308; 133 I 185 E. 6.2 S. 198 f.; je mit Hinweisen). Dazu zählt auch der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist vom angefochtenen Entscheid besonders betroffen und daher grundsätzlich zur Beschwerde berechtigt (vgl. Art. 81 Abs. 1 BGG). Unzulässig sind aber seine Feststellungsanträge, könnte dem Anliegen des Beschwerdeführers doch bereits mit einem Gestaltungsentscheid im Sinne seines Hauptbegehrens Folge geleistet werden, womit er kein massgebliches Feststellungsinteresse hat.  
 
 
1.3. Das Bundesgericht beurteilt auf Beschwerde hin, von hier nicht interessierenden weiteren Möglichkeiten abgesehen, namentlich die Verletzung von Bundesrecht unter Einschluss des Bundesverfassungsrecht sowie von Völkerrecht (Art. 95 lit. a und b BGG). Es behandelt nur die vom Beschwerdeführer ausreichend erhobenen Rügen (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtlos erscheint. Diese Bestimmung konkretisiert Art. 136 StPO. Nach dessen Absatz 1 gewährt die Verfahrensleitung der Privatklägerschaft für die Durchsetzung ihrer Zivilansprüche ganz oder teilweise die unentgeltliche Rechtspflege, wenn die Privatklägerschaft nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (lit. a) und die Zivilklage nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Gemäss Art. 136 Abs. 2 StPO umfasst die unentgeltliche Rechtspflege namentlich die Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen (lit. a) sowie von den Verfahrenskosten (lit. b). Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege bezweckt, jedem Betroffenen ohne Rücksicht auf seine finanzielle Situation tatsächlich Zugang zum Gerichtsverfahren zu vermitteln und die effektive Wahrung seiner Rechte zu ermöglichen. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind als aussichtslos Begehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde. Eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie - zumindest vorläufig - nichts kostet. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich aufgrund einer vorläufigen und summarischen Prüfung der Prozessaussichten, wobei die Verhältnisse im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs massgebend sind (vgl. BGE 142 III 138 E. 5.1 S. 139 f.; 139 III 475 E. 2.2 S. 476 f.; 138 III 27 E. 2.2.4 S. 218; 131 I 150 E. 3.1 S. 355).  
 
2.2. Der Beschwerdeführer rügt, das Appellationsgericht habe mit seinem bloss summarischen Entscheid seine Kognition unrechtmässig beschränkt und ihm das Replikrecht sowie seinen Anspruch auf Akteneinsicht verweigert. Wie sich den Akten entnehmen lässt, war die Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft im vorinstanzlichen Verfahren dem Beschwerdeführer am 12. Juli 2019 zur Stellungnahme zugestellt worden und er hat sich dazu nach einer ihm auf Antrag hin bewilligten Fristverlängerung am 15. August 2019 geäussert. Der vorliegende Fall unterscheidet sich insofern vom mit Entscheid des Bundesgerichts 1B_277/2019 vom 17. September 2019 beurteilten Parallelfall, den der Beschwerdeführer anruft. Damals hatte er keine Gelegenheit zur Replik erhalten, weshalb das Bundesgericht seine Beschwerde guthiess, was ihm hier aber nicht weiterhilft. Was die Akteneinsicht betrifft, ergibt sich ebenfalls aus den vorliegenden Akten, dass der Beschwerdeführer von der Kanzlei des Appellationsgerichts darauf hingewiesen worden war, ein schriftliches Gesuch stellen zu müssen und erst nach dessen Bewilligung einen Termin für die Akteneinsicht erhalten zu können. Dazu ist es in der Folge jedoch nicht gekommen, weil der Beschwerdeführer kein entsprechendes schriftliches Gesuch einreichte, und nicht, weil ihm die Akteneinsicht grundsätzlich verweigert worden wäre. Schliesslich verletzt es Art. 6 EMRK und Art. 29 Abs. 3 BV nicht, über die Aussichtslosigkeit einer Beschwerde im Rahmen des Entscheids über die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege nur durch summarische Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu entscheiden. Vielmehr entspricht das der Rechtsprechung und ist gebräuchlich sowie Folge der prospektiven Beurteilung der Chancen einer Beschwerde, ohne einen definitiven Entscheid in der Sache zu fällen.  
 
2.3. Unbehelflich sind sodann die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Eingabe seiner damaligen Ehefrau vom 9. April 2018 an das Zivilgericht. Erstens bildet dieses Schreiben nicht Gegenstand der die Grundlage des vorliegenden Verfahrens darstellenden Nichtanhandnahmeverfügung vom 15. Mai 2019. Zweitens ist auch nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer nicht dargelegt, inwiefern dadurch gegen die vorsorglich angeordneten Massnahmen verstossen worden sein sollte. Die übrigen vom Beschwerdeführer angerufenen Handlungen stammen aus der Zeit nach dem 17. April 2018, als die Strafandrohung wegen Ungehorsams gegen behördliche Verfügungen nach Art. 292 StGB nicht mehr in Kraft war. Für die Durchführung eines entsprechenden Strafverfahrens bestand damit kein Anlass.  
 
2.4. Insgesamt waren die Gewinnaussichten im vorinstanzlichen Verfahren beträchtlich geringer als die Verlustgefahren. Das Appellationsgericht durfte daher von der Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren des Beschwerdeführers ausgehen. Die angefochtene Verfügung hält vor Bundesrecht stand.  
 
3.  
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG). Da seine Rechtsbegehren auch vor Bundesgericht als von vornherein aussichtslos erscheinen, ist sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren aus dem gleichen Grunde abzuweisen (vgl. Art. 64 BGG), weshalb ihm die entsprechenden Kosten aufzuerlegen sind. 
 
 
  
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt und dem Appellationsgericht Basel-Stadt, Präsidentin, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. Mai 2020 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Uebersax