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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_774/2017  
 
 
Urteil vom 5. Juli 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Fleischanderl. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Pensionskasse des Bundes PUBLICA, Eigerstrasse 57, 3007 Bern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Kaufmann, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge (Rückerstattung; vorinstanzliches Verfahren), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Freiburg vom 3. Oktober 2017 (608 2015 244). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1968 geborene A.________, zuletzt als stellvertretender Hausmeister und Handwerkmeister beim Bund tätig gewesen und dadurch bei der Pensionskasse des Bundes PUBLICA (nachfolgend: PUBLICA) berufsvorsorgeversichert, war seit Mai 2002 vollständig arbeitsunfähig. Seit 1. Mai 2003 bezog er eine ganze Rente der Invalidenversicherung (IV) und seit 1. Juli 2004 eine Invalidenrente der beruflichen Vorsorge. Ausserdem sprach ihm die IV berufliche Massnahmen zu (Umschulung zum hauptamtlichen Erwachsenenbildner; Coaching), in welchem Rahmen A.________ von Mai 2010 bis Dezember 2012 tage- resp. stundenweise als Fachkursleiter amtete. Daneben besuchte er diverse Zertifikatslehrgänge für nebenberufliche Berufsbildner und Berufsbildnerinnen. Ab Januar 2014 arbeitete A.________ in einem 100 %-Pensum als Projektmanager bei der Firma B.________ GmbH, die im Herbst 2014 von der C.________ AG übernommen wurde. 
In der Folge stellte die PUBLICA ihre Rentenleistungen auf Ende Mai 2014 (Schreiben vom 26. Mai 2014) und die IV die ihrigen auf Ende November 2014 ein (Verfügung vom 30. September 2014). Anschliessend forderte die PUBLICA am 3. Juli 2015 wegen - in der Zeit vom 1. Juni 2010 bis 31. Mai 2014 - bestandener Überentschädigung zu viel bezahlte Rentenleistungen von insgesamt Fr. 86'723.80 zurück. Da A.________ dieser Aufforderung nicht nachkam, leitete die PUBLICA am 2. Oktober 2015 die Betreibung ein. A.________ erhob dagegen am 8. Oktober 2015 Rechtsvorschlag. 
 
B.   
Mit Entscheid vom 3. Oktober 2017 wies das Kantonsgericht Freiburg die von der PUBLICA eingereichte Rückerstattungsklage in der Höhe von Fr. 86'723.80 ab. 
 
C.   
Dagegen erhebt die PUBLICA in Erneuerung ihres Klagebegehrens Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. 
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Gemäss Art. 77 Abs. 1 des Vorsorgereglements für die Angestellten und die Rentenbeziehenden des Vorsorgewerks Bund vom 15. Juni 2007 (VRAB [Stand am 1. Januar 2015]; SR 172.220.141.1) werden die Hinterlassenen- und Invalidenleistungen von PUBLICA gekürzt, soweit sie zusammen mit anderen anrechenbaren Einkünften gleicher Art und Zweckbestimmung 100 Prozent des mutmasslich entgangenen Verdienstes übersteigen. Als anrechenbare Einkünfte gelten: a. Leistungen der AHV und IV; b. Leistungen der MV; c. Leistungen der UV; d. Leistungen von in- und ausländischen Sozialversicherungen; e. Leistungen aus beruflicher Vorsorge; f. Leistungen von privaten Versicherungen, an deren Kosten der Arbeitgeber mindestens zur Hälfte beigetragen hat; g. weiterhin erzielte oder zumutbarerweise noch erzielbare Erwerbs- oder Ersatzeinkommen von Bezügerinnen und Bezügern von Invalidenleistungen, mit Ausnahme des Zusatzeinkommens, das während der Teilnahme an Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG erzielt wird (Abs. 3). Der infolge Überentschädigung nicht ausbezahlte Teil der versicherten Leistungen verfällt dem Vorsorgewerk Bund (Abs. 7).  
 
1.2. Wer eine Leistung von PUBLICA entgegennimmt, auf die er oder sie keinen Anspruch hat, muss sie samt Zinsen (Anhang 1 Ziff. 4) zurückerstatten (Art. 72 Abs. 1 VRAB). Die Verjährung von Rückforderungsansprüchen richtet sich nach Art. 35a BVG (Art. 73 Abs. 2 VRAB).  
 
2.   
 
2.1. Die Vorinstanz verweist in ihrer Begründung auf die Verfügung der IV vom 22. Juli 2016 sowie auf den diesbezüglich ergangenen - in Rechtskraft erwachsenen - kantonalen Gerichtsentscheid vom 29. Mai 2017 (608 2016 189), welche beide der Pensionskasse rechtsgültig eröffnet worden seien. Die in diesem invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren geprüften und beurteilten sachbezüglichen Voraussetzungen des Rentenanspruchs und der Rentenhöhe - insbesondere die Festsetzung des Valideneinkommens auf Fr. 120'120.- - seien deshalb für das Klageverfahren verbindlich, zumal Valideneinkommen und mutmasslich entgangener Verdienst grundsätzlich kongruent seien, was von der PUBLICA in der Klage explizit anerkannt werde.  
 
2.2. Nach den Ausführungen im Sachverhalt des vorliegend angefochtenen Entscheids hat die IV-Verfügung vom 22. Juli 2016 die Rückerstattung der für das Jahr 2012 ausgerichteten Rentenzahlungen zum Thema, welche das Kantonsgericht dahingehend abänderte, als dass der Versicherte nur die halbe Invalidenrente des Jahres 2012 zurückzuerstatten habe. In den Akten des Kantonsgerichts effektiv enthalten ist jedoch einzig die Rückerstattungsverfügung der IV vom 16. August 2017 über Fr. 25'056.- für das Jahr 2012. Es fällt denn auch auf, dass das kantonale Gericht in E. 4.2 seines Entscheids vom 3. Oktober 2017 die entsprechenden Fundstellen der herbeigezogenen Aktenstücke nicht angibt und sich auch kein Inhaltsverzeichnis zu den - vorinstanzlich eingereichten - umfangreichen Akten der PUBLICA findet, das zuverlässige Rückschlüsse auf die vorhandenen Unterlagen erlauben würde. Von einer geordneten und übersichtlichen Aktenführung, die für alle Verfahrensarten gilt (BGE 130 II 473 E. 4.1 S. 477), kann nicht gesprochen werden. Es ist Aufgabe des kantonalen Gerichts, eine solche sicherzustellen, einerseits zwecks Gewährleistung einer ordnungsgemässen Akteneinsicht, anderseits als Grundlage einer sachgemässen Entscheidfindung, sowohl in erster Instanz als auch im Falle eines Weiterzugs. Das Gebot einer geordneten und übersichtlichen Aktenführung verpflichtet die Gerichte insbesondere zu deren Vollständigkeit. Sie haben alles in den Akten festzuhalten, was zur Sache gehört und entscheidwesentlich sein kann (vgl. statt vieler Urteil 8C_616/2013 vom 28. Januar 2014 E. 2.1; GEROLD STEINMANN, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, N. 55 zu Art. 29 BV). Dem wurde hier augenscheinlich nicht nachgelebt.  
 
2.3. Wohl lässt sich der Entscheid des Kantonsgerichts vom 29. Mai 2017 (608 2016 189) unter dem Titel der Notorietät aus dem Internet herunterladen. Dabei handelt es sich aber um eine anonymisierte Fassung, sodass nicht ersichtlich ist, wem der Entscheid letztlich zugestellt worden ist. Vor allem sticht ins Auge, dass weder im Rubrum noch im Sachverhalt eine Beiladung vermerkt ist, woraus sich eine Ausdehnung der Rechtskraft auf die PUBLICA ableiten liesse (vgl. dazu BGE 130 V 501). Ebenso wenig hilft eine Edition des zitierten Entscheids von Amtes wegen weiter, zumal das Bundesgericht auch betreffend den behaupteten Miteinbezug der PUBLICA in das verwaltungsrechtliche IV-Verfahren im Dunkeln tappt. Abgesehen davon lässt sich auch der genaue Streitgegenstand resp. das genaue Dispositiv der IV-Verfügung vom 22. Juli 2016 nicht ausmachen, das von der Vorinstanz nicht integral aufgehoben, sondern "nur" abgeändert wurde. Mit anderen Worten ist der hier angefochtene Entscheid vom 3. Oktober 2017 mangels vollständiger Aktenführung keiner korrekten Überprüfung zugänglich. Er verletzt offensichtlich Bundesrecht und ist aufzuheben. Die Sache geht an die Vorinstanz zurück, damit sie in Nachachtung des Dargelegten über die Klage erneut befinde.  
Bei dieser Ausgangslage erübrigen sich materielle Ausführungen. Indes sei an dieser Stelle angefügt, dass die Anerkennung eines Grundsatzes (vgl. E. 2.1 in fine hiervor) nicht automatisch den Weg für eine Würdigung der spezifischen Gegebenheiten und tatsächlichen Verhältnisse des konkreten Falles verschliesst (vgl. zur Massgeblichkeit des IV-Invalideneinkommens BGE 137 V 20 E. 2.2 S. 23 bzw. zu derjenigen des IV-Valideneinkommens BGE 137 V 20 E. 5.2.3.1 S. 27 f. sowie vorinstanzliche Klage S. 11 unten f.). 
 
3.   
Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird umständehalber verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des Kantonsgerichts Freiburg vom 3. Oktober 2017 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Freiburg und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 5. Juli 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Fleischanderl