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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.35/2005 /ggs 
 
Urteil vom 3. Februar 2005 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Nay, Aeschlimann, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch 
Advokat Dr. Nicolas Roulet, 
 
gegen 
 
Strafgerichtspräsident Basel-Stadt, Schützenmattstrasse 20, 4003 Basel, 
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, Bäumleingasse 1, 4051 Basel. 
 
Gegenstand 
Haftentlassung; unengeltliche Rechtspflege, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 19. November 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Das Strafgericht Basel-Stadt verurteilte X.________ am 28. Juni 2004 wegen Mordes, mehrfachen versuchten Mordes, Pornografie und Fahrens in angetrunkenem Zustand zu 16 Jahren Gefängnis. Es hielt u.a. für erwiesen, dass dieser am 27. August 2002 in stark angetrunkenem Zustand seiner Freundin bzw. Ex-Freundin abpasste und sie, nachdem sie ein Taxi bestiegen hatte, mit mehreren Schüssen aus seiner Polizei-Dienstwaffe tötete. Zwischendurch habe er auf die Mutter seiner Freundin, die auf einem nahen Balkon geschrien habe, zwei gezielte Schüsse abgegeben, die ihr Ziel nur knapp verfehlt hätten. Zudem habe er den Taxifahrer mit einem Schuss verletzt. 
 
Am 30. September 2004 stellte X.________ ein Haftentlassungsgesuch, welches der Strafgerichtspräsident am 12. Oktober 2004 ablehnte, da nach wie vor Kollusions-, Flucht- und Fortsetzungsgefahr bestehe. 
 
Der Ausschuss des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt wies die Beschwerde von X.________ gegen diese Verfügung am 19. November 2004 ab. 
 
Am 23. November 2004 wies der Appellationsgerichtspräsident das Gesuch von X.________ um unentgeltliche Verteidigung für das Beschwerdeverfahren ab. 
B. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 19. Januar 2005 wegen Verletzung von Art. 10 und Art. 31 BV sowie von Art. 5 Ziff. 3 EMRK beantragt X.________, den Entscheid des Appellationsgerichts aufzuheben und ihn aus der Sicherheitshaft zu entlassen. Eventuell sei die Verfügung des Appellationsgerichtspräsidenten aufzuheben und dieser anzuweisen, ihm für das Beschwerdeverfahren unentgeltliche Verbeiständung zu gewähren. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
Das Appellationsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Beim angefochtenen Haftentscheid handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde zulässig ist (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten, wozu er befugt ist (Art. 88 OG). Da diese und die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde unter dem Vorbehalt gehörig begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c) einzutreten. 
1.1 Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich kassatorischer Natur. Richtet sie sich gegen die Aufrechterhaltung von Untersuchungs- oder Sicherheitshaft kann zwar ausnahmsweise, ausser der Aufhebung des angefochtenen Entscheids, auch die sofortige Entlassung aus der Haft verlangt werden (BGE 115 Ia 293 E. 1a). Der entsprechende Antrag ist zulässig. Unzulässig ist dagegen der Antrag, dem Appellationsgerichtspräsidenten weitere Anweisungen zu erteilen. 
1.2 Bei staatsrechtlichen Beschwerden, die gestützt auf das verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit gegen die Aufrechterhaltung von Haft erhoben werden, prüft das Bundesgericht die Auslegung und die Anwendung des kantonalen Rechts grundsätzlich frei (BGE 117 Ia 72 E. 1; 114 Ia 281 E. 3). 
2. 
Nach § 69 der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt vom 8. Januar 1997 (StPO) kann Untersuchungshaft u.a. verhängt werden, wenn neben dem allgemeinen Haftgrund des dringenden Tatverdachts Fortsetzungsgefahr besteht. 
2.1 Das Appellationsgericht hat die Sicherheitshaft gegen den Beschwerdeführer bestätigt, weil es zur Überzeugung gelangte, es bestehe neben dringendem Tatverdacht Fortsetzungsgefahr. Unbestritten und durch die erstinstanzliche Verurteilung auch ohne weiteres erstellt ist, dass der Beschwerdeführer der ihm vorgeworfenen Taten dringend verdächtig ist. Hingegen bestreitet er das Vorliegen von Fortsetzungsgefahr. 
2.2 Die Anordnung von Untersuchungshaft wegen Fortsetzungsgefahr soll den Angeschuldigten daran hindern, weitere Straftaten zu begehen, dient somit in erster Linie der Spezialprävention. Sie stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Freiheit dar, weshalb bei der Annahme, der Angeschuldigte könnte weitere Straftaten begehen, Zurückhaltung geboten ist. Eine solche Anordnung ist verhältnismässig, wenn einerseits die Rückfallprognose sehr ungünstig und anderseits die zu befürchtenden Delikte schwerer Natur sind. Die rein hypothetische Möglichkeit der Verübung weiterer Delikte sowie die Wahrscheinlichkeit, dass nur geringfügige Straftaten verübt werden, reichen dagegen nicht aus, um eine Präventivhaft zu begründen (BGE 125 I 60 E. 3a). Schliesslich gilt auch bei der Präventivhaft - wie bei den übrigen Haftarten - dass sie nur als ultima ratio angeordnet oder aufrechterhalten werden darf. Wo sie durch mildere Massnahmen (wie z.B. ärztliche Betreuung, regelmässige Meldung bei einer Amtsstelle, Anordnung von anderen evtl. stationären Betreuungsmassnahmen etc.) ersetzt werden kann, muss von der Anordnung oder Fortdauer der Haft abgesehen und an ihrer Stelle eine dieser Ersatzmassnahmen angeordnet werden (BGE 123 I 268 E. 2c mit Hinweisen). Sind diese Voraussetzungen gegeben, stehen auch die persönliche Freiheit nach Art. 10 Abs. 2 BV und Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK einer Inhaftierung des Angeschuldigten bzw. erstinstanzlich Verurteilten aus spezialpräventiven Gründen nicht entgegen (BGE 125 I 361 E. 4). 
2.3 Nach dem Gutachten der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel vom 6. Oktober 2003, auf das sich das Appellationsgericht im Wesentlichen stützt, besteht beim Beschwerdeführer Rückfallgefahr, sofern er im bisher üblichen Rahmen weiter Alkohol trinkt, problematische Beziehungen eingeht und über eine Schusswaffe verfügt. Bis zum Erreichen ausreichender therapeutischer Fortschritte seien über einen längeren Zeitraum hinweg sichernde Massnahmen angezeigt, um die Legalprognose zu verbessern. 
 
Der Beschwerdeführer bringt vor, Fortsetzungsgefahr dürfe nur angenommen werden, wenn er bereits zahlreiche Verbrechen oder schwere Vergehen begangen hätte, was nicht der Fall sei. In Beziehungsdelikten wie dem vorliegenden liege die Rückfallquote ohnehin höchstens bei 5 %. Auch nach der Einschätzung des Gutachters müssten in seinem Fall drei Bedingungen erfüllt sein, damit Fortsetzungsgefahr bestünde: er müsste wieder Alkohol konsumieren, eine problemgeladene Beziehung eingehen und über eine Schusswaffe verfügen. Es entspreche nicht seiner derzeitigen Einstellung, weiter Alkohol zu konsumieren, er werde nicht von heute auf morgen eine problemgeladene Beziehung eingehen und es sei für ihn nicht möglich, legal eine Schusswaffe zu erwerben. Es sei somit höchst unwahrscheinlich, dass alle diese Bedingungen, die für die Annahme von Fortsetzungsgefahr (kumulativ) erfüllt sein müssten, eintreten würden. 
2.4 Der Beschwerdeführer geht zu Unrecht davon aus, dass Fortsetzungsgefahr nur angenommen werden könnte, wenn er zuvor "zahlreiche Verbrechen oder schwere Vergehen" begangen hätte. Die Basler Strafprozessordnung kennt eine solche Voraussetzung nicht, und auch die oben in E. 2.2 dargelegte Bundesgerichtspraxis zur persönlichen Freiheit macht die Annahme von Fortsetzungsgefahr nicht von einer solchen Bedingung abhängig. Es besteht keinerlei Gewähr, dass der Beschwerdeführer in Freiheit abstinent leben würde. Nach der Einschätzung des Gutachters besteht zudem die Gefahr, dass er innert kurzer Zeit erneut problematische Beziehungen eingehen würde (Gutachten S. 103). Da es ihm als ehemaligem Polizisten zudem nicht allzu schwer fallen dürfte, an eine Schuss- oder jedenfalls eine andere Waffe heranzukommen, ist die Einschätzung des Appellationsgerichts, es bestehe Fortsetzungsgefahr, offensichtlich nicht zu beanstanden. Die Rüge ist unbegründet. 
3. 
Der Beschwerdeführer rügt, die Abweisung seines Gesuchs um unentgeltliche Verbeiständung für das Haftbeschwerdeverfahren verstosse gegen Art. 29 Abs. 3 BV, da seine Beschwerde entgegen der Auffassung des Appellationsgerichtes keineswegs aussichtslos gewesen sei. 
Der Beschwerdeführer behauptet nicht, die StPO räume ihm einen über Art. 29 Abs. 3 BV hinausgehenden Anspruch auf einen unentgeltlichen Verteidiger ein. Er bringt auch zu Recht nicht vor, er habe im Haftbeschwerdeverfahren bei ausgewiesener Prozessarmut unabhängig von den Prozessaussichten Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsvertreter. Er macht nur geltend, seine Haftbeschwerde sei nicht aussichtslos gewesen, weshalb ihm das Appellationsgericht im angefochtenen Entscheid die unentgeltliche Verbeiständung hätte bewilligen müssen. Er behauptet indessen nicht einmal substanziiert, geschweige denn, dass er dies belegen würde, dass er nicht über die notwendigen Mittel verfügt, um für das Haftbeschwerdeverfahren einen Verteidiger zu finanzieren. Es ist nicht Sache des Bundesgerichts, dies von Amtes wegen abzuklären und in den Akten nach Ausweisen über seine finanzielle Situation zu suchen. Auf die Rüge ist nicht einzutreten (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Abgesehen davon wäre sie auch unbegründet. Angesichts der Schwere der Tatvorwürfe und der klaren Bejahung der Rückfallgefahr durch den Gutachter war die Haftbeschwerde aussichtslos. 
4. 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 156 OG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches jedoch abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 152 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
2.2 Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strafgerichtspräsidenten Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 3. Februar 2005 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: