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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.410/2004 /bie 
 
Urteil vom 23. Dezember 2004 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber Schett. 
 
Parteien 
X._______ Versicherungsgesellschaft, Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Max Tobler, 
 
gegen 
 
M.Y.________, Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Ruedi Garbauer, 
Obergericht des Kantons Thurgau, Promenadenstrasse 12, 8500 Frauenfeld. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV (Versicherungsvertrag), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil 
des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 
9. September 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
C.Y.________ betreibt Motocross-Sport und trainiert dazu im Winter während ein bis drei Monaten in Spanien. Mit Vertrag vom 4. Februar/ 5. März 2002 schloss sein Vater, M.Y.________, als Versicherungsnehmer mit der X._______ Versicherungsgesellschaft eine Versicherung für den Transport von Motocross-Maschinen inklusive Zubehör und Werkzeug, Cross-Bekleidung, Protektoren und einer Digitalkamera im Zusammenhang mit dem Fahrzeug mit dem Kontrollschild TG 00000 ab. Versichert sind der Verlust und die Beschädigung der Gegenstände. Gemäss Ziff. 3 Abs. 2 des Vertrages gelten "Diebstahl und Abhandenkommen nur infolge Aufbrechens des abgeschlossenen Transportmittels oder infolge Diebstahls des ganzen Transportmittels" als versichert. 
B. 
Am 27. Januar 2003 wurde der X._______ Versicherungsgesellschaft gemeldet, in Madrid sei der Lieferwagen aufgebrochen und der gesamte Inhalt gestohlen worden. Mit Schreiben vom 22. Juli 2003 teilte die X._______ Versicherungsgesellschaft M.Y.________ mit, ihre Abklärungen - insbesondere die Untersuchung der Schliessanlage des Lieferwagens durch einen Gutachter - hätten ergeben, dass das Fahrzeug nicht gewaltsam geöffnet worden sei. Überdies bestünden sowohl bezüglich Tathergang als auch bezüglich Tatbeteiligung erhebliche Unklarheiten. Fraglich sei auch, ob der Lieferwagen tatsächlich - wie behauptet - abgeschlossen gewesen sei. Beim gemeldeten Diebstahl handle es sich daher um ein nicht versichertes Ereignis. Mit Weisung des Friedensrichteramts Z.________ vom 22. Dezember 2003 klagten M.Y.________ und C.Y.________ gegen die X._______ Versicherungsgesellschaft auf Zahlung von Fr. 7'500.-- zuzüglich Zinses. Mit Urteil vom 2. März/8. April 2004 wies der Einzelrichter des Bezirksgerichts Z.________ die Klage von C.Y.________ mangels Aktivlegitimation ab und schützte gleichzeitig diejenige von M.Y.________. Er verpflichtete die X._______ Versicherungsgesellschaft, M.Y.________ Fr. 7'500.-- zuzüglich 5 % Zins seit dem 25. Februar 2003 zu bezahlen; ausserdem wurde vom geltend gemachten Nachklagerecht Vormerk genommen. 
C. 
Gegen diesen Entscheid erhob die X._______ Versicherungsgesellschaft kantonale Berufung und beantragte die Klageabweisung. Mit Urteil vom 9. September 2004 fand das Obergericht des Kantons Thurgau die Berufung unbegründet, es schützte die Klage und bestätigte den erstinstanzlichen Entscheid. 
D. 
Gegen diesen Entscheid hat die X._______ Versicherungsgesellschaft staatsrechtliche Beschwerde erhoben im Wesentlichen mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und inwieweit es auf die staatsrechtliche Beschwerde eintreten kann (BGE 128 I 46 E. 1a S. 48). Die staatsrechtliche Beschwerde ist subsidiär. Dies bedeutet, dass sie nur zulässig ist, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonst wie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG). Beim vorliegenden Prozess handelt es sich um eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit, die ab einem Streitwert von Fr. 8'000.-- der Berufung zugänglich ist (Art. 46 OG). Allerdings hat der Beschwerdegegner von seinem Schaden, der angeblich weit höher ist, lediglich Fr. 7'500.-- eingeklagt und sich ein Nachklagerecht vorbehalten. Das hat zur Folge, dass der Streit nicht berufungsfähig ist. Da auch die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68 ff. OG ausser Betracht fällt, steht nur mehr die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte offen (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). 
2. 
2.1 Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass der Diebstahl aus dem abgeschlossenen Fahrzeug stattgefunden habe. Es brauche darüber kein Beweis abgenommen zu werden, weil die Behauptung, es sei ohne weiteres möglich, dass das Fahrzeug nicht oder nicht vollständig abgeschlossen gewesen sei, erstmals an der Berufungsverhandlung vorgetragen worden sei und damit ein unzulässiges Novum darstelle. Daran vermöge nichts zu ändern, dass die Beschwerdeführerin im vorprozessualen Schriftverkehr mit Schreiben vom 22. Juli 2003 habe durchblicken lassen, dass das Fahrzeug nicht abgeschlossen gewesen sein könnte. Diese Behauptung sei nie in einer dem Prozessrecht entsprechenden Form in das Verfahren eingebracht worden. Im Gegenteil habe sie die ausdrückliche Behauptung des Beschwerdegegners anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung, der Wagen sei "zu 100 % abgeschlossen" gewesen, weder allgemein noch mit einer abweichenden Sachverhaltsdarstellung bestritten. Das Obergericht weist zudem auf S. 11 des erstinstanzlichen Entscheids hin, wo festgehalten wird, dass von der Beklagten nie bestritten worden sei, dass C.Y.________ und sein Cousin R.________ den Wagen abgeschlossen haben. 
2.2 Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 9 BV, weil das Obergericht ihre Behauptung, der Lieferwagen sei möglicherweise nicht oder nicht vollständig abgeschlossen gewesen, als unzulässiges Novum erachtet habe, welches erst vor der kantonalen Berufungsinstanz erstmals gültig eingebracht worden sei. Das Obergericht handle in diesem Zusammenhang willkürlich, wenn es das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 22. Juli 2003 an den Kläger als nicht zu den Prozessakten im Sinne von § 146 Abs. 1 Ziff. 2 der ZPO des Kantons Thurgau zugehörig bezeichne, denn schliesslich befinde sich dieses Schreiben als Aktennummern 43 und 44 in den Prozessakten. Das Obergericht habe dieses Schreiben auf S. 5 seines Entscheids selber erwähnt. Die Beschwerdeführerin weist in ihrer Beschwerdeschrift zudem auf S. 7 ihrer Klageantwort vor erster Instanz hin, wo sie festgehalten habe, dass es nicht sicher sei, ob der Wagen abgeschlossen gewesen sei oder nicht. Die Behauptung des möglicherweise offenen Fahrzeugs sei also nicht ein Novum vor dem Obergericht und die gegenteilige Auffassung sei willkürlich. 
2.3 Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür bei der Rechtsanwendung oder Beweiswürdigung setzt sodann voraus, dass nicht bloss die Begründung des angefochtenen Entscheids, sondern auch sein Ergebnis schlechterdings unhaltbar ist (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9, 49 E. 4 S. 58; 127 I 54 E. 2b S. 56, je mit Hinweisen). 
2.4 Was zunächst das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 22. Juli 2003 anbelangt, handelt es sich um einen vorprozessualen Brief an M.Y.________, in dem die Beschwerdeführerin unter anderem ausführt, es sei fraglich, ob der Lieferwagen wirklich - wie behauptet - abgeschlossen worden sei. Das Obergericht hat ausgeführt, mit diesem Schreiben allein sei die Behauptung nicht in einer dem Prozessrecht entsprechenden Form in das Verfahren eingebracht worden. 
Die Beschwerdeführerin verweist auf § 146 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO, wonach Behauptungen, Bestreitungen und Einreden zulässig sind, deren Richtigkeit sich aus den Prozessakten ergibt oder die durch neu eingereichte Urkunden sofort bewiesen werden können. Sie legt aber nicht in einer Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise dar, dass es nach dieser Bestimmung genügt, wenn sich die streitige Behauptung in einem bei den Prozessakten befindlichen vorprozessualen Schreiben befindet. Vielmehr kann ohne Willkür verlangt werden, dass die Behauptung in den Prozessschriften (insbesondere Klage und Klageantwort; vgl. § 141 ZPO) oder allenfalls noch anlässlich der Hauptverhandlung vorgebracht werden muss, um als in den Formen des Prozessrechts eingebracht zu gelten. Lediglich die Richtigkeit der Behauptung kann sich aus den gesamten Prozessakten ergeben. 
2.5 Was den Hinweis auf S. 7 ihrer Klageantwort vor erster Instanz anbelangt, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die bei den Akten liegende Klageantwort vom 2. Februar 2004 lediglich vier Seiten aufweist, so dass mit einem Zitat auf S. 7 keine Willkür begründet werden kann. Es trifft allerdings zu, dass die Beschwerdeführerin auf S. 3 unten ausgeführt hat, es sei nicht sicher, ob der Wagen abgeschlossen gewesen sei oder nicht. Der erstinstanzliche Richter hat diesen Satz nicht als Behauptung verstanden, der Wagen sei nicht abgeschlossen gewesen und ebenso wenig als genügende Bestreitung der vom Beschwerdegegner vehement vertretenen Auffassung, der Wagen sei abgeschlossen gewesen. Der erstinstanzliche Richter hat deshalb in seinem Entscheid auf S. 11 festgehalten, die Beschwerdeführerin habe nicht rechtsgültig bestritten, dass der Wagen abgeschlossen gewesen sei. Auch wenn diese Schlussfolgerung des erstinstanzlichen Richters aufgrund des Satzes auf S. 3 der Klageantwort nicht zwingend ist, kann die gegenteilige Annahme des Obergerichts nicht als willkürlich bezeichnet werden. Der Willkürvorwurf vor Bundesgericht ist umso weniger gerechtfertigt, als es die Beschwerdeführerin vor Obergericht unterlassen hat, die genannte Feststellung des erstinstanzlichen Richters ausdrücklich anzugreifen. Vielmehr liess sie die erstinstanzliche Feststellung, die Beklagte habe nie bestritten, dass C.Y.________ und sein Cousin R.________ den Wagen abgeschlossen haben, im Raume stehen und legte anlässlich der Berufungsverhandlung vom 9. September 2004 (auf S. 3 und 5) lediglich ihre Sicht der Dinge dar. Die Schlussfolgerung des Obergerichts, die Beschwerdeführerin habe mit dieser Darstellung ein Novum vorgebracht, kann daher nicht als willkürlich bezeichnet werden. 
3. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Obergericht nehme willkürlich an, dass unter dem Begriff des Aufbrechens, wie er in Ziff. 3 Abs. 2 der Vereinbarung der Parteien festgelegt worden sei, sowohl das gewaltsame Aufbrechen des Lieferwagens als auch das Aufbrechen ohne Gewaltanwendung gemeint sei. Sie vertritt die Auffassung, es müsse der Beweis eines gewaltsamen Vorgehens beim Öffnen des Fahrzeugs vorliegen, damit der Versicherungsfall eintrete. Der Sinn von Art. 3 Abs. 2 der Vereinbarung liege darin, den einfachen Diebstahl aus dem nicht abgeschlossenen Fahrzeug auszuschliessen. Der Nachweis des Aufbruchs eines Fahrzeugs könne nur erbracht werden, wenn die Gewaltanwendung durch den Versicherungsnehmer bewiesen werden könne. Das Obergericht nehme nun aber an, dass es für das Vorliegen eines Versicherungsfalls genüge, wenn der Versicherungsnehmer lediglich behaupte, dass sein Fahrzeug abgeschlossen gewesen sei. Das alleinige Abschliessen genüge aber gerade nicht. Vielmehr komme als zweites Erfordernis das nachweisbare Aufbrechen des Fahrzeugs hinzu. Jeder Laie wisse, dass "einbrechen" oder "aufbrechen" immer mit Gewaltanwendung verbunden sei, das heisst nicht gewaltlos begangen werden könne. 
Wie ausgeführt, ist der angefochtene Entscheid nicht bereits dann willkürlich, wenn auch eine andere Auslegung des Begriffs des "Aufbrechens" des abgeschlossenen Fahrzeugs möglich oder sogar vorzuziehen wäre. Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn der angefochtene Entscheid mit keinen sachlichen Gründen vertretbar ist. Die Auslegung des Begriffs "Aufbrechen" durch das Obergericht lässt sich aber durchaus mit sachlichen Gründen vertreten. Das Obergericht führte - zum Teil unter Hinweis auf das erstinstanzliche Urteil - aus, dass es beim "Aufbrechen" nicht darauf ankomme, ob die Diebe brachiale Gewalt anwenden, indem sie die Türen mit einem Brecheisen aufstemmen, eine Scheibe einschlagen oder gewaltsam den Schliesszylinder überdrehen, oder ob der Schliessmechanismus durch subtilere Methoden, wie beispielsweise durch einen Draht, durch Erzeugung von Druck oder durch elektronische Hilfsmittel wie etwa durch Erzeugen der gleichen Frequenz wie jene des Autoschlüssels, überwunden werde. In allen diesen Fällen sei davon auszugehen, dass das Fahrzeug aufgebrochen werde, weil der Schliessmechanismus überwunden werde. Wolle die Beschwerdeführerin demgegenüber nur ein gewaltsames Aufbrechen von Fahrzeugen versichern, müsste sie dies in ihren Offerten ausdrücklich erklären. Dem Argument der Beschwerdeführerin, der Laie verstehe unter "Auf-" bzw. "Einbrechen" nur das Eindringen unter Gewaltanwendung könne nicht gefolgt werden. Der Laie verstehe darunter in erster Linie das Überwinden des Schliessmechanismus und das Eindringen in den abgeschlossenen Raum. Der Laie, der seine Güter gegen ein solches Eindringen zu schützen versuche und zu diesem Zweck eine Versicherung abschliesse, komme nicht auf den Gedanken, dass der Wert seiner Güter von der Versicherung nur deshalb nicht ersetzt werden könnte, weil der Eindringling anstelle von brachialer Gewalt subtilere Mittel für das Überwinden des Schliessmechanismus anwende. Für den Laien mache es keinen Unterschied, wie raffiniert sich der Eindringling zu den Wertsachen Zugang verschaffe. Diese Auslegung des Begriffs "Aufbrechen" ist nicht willkürlich. 
4. 
Durfte das Obergericht einerseits ohne Willkür annehmen, das Fahrzeug sei abgeschlossen gewesen und durfte es andererseits ohne Willkür annehmen, nicht nur die gewaltsame, sondern jede Form des Überwindens des Schliessmechanismus falle unter den Begriff des "Aufbrechens", verfiel das Obergericht nicht in Willkür, wenn es die Versicherungsdeckung für den unbestrittenen Diebstahl der sich im Fahrzeug befindlichen Gegenstände bejahte. 
5. 
Bei diesem Ergebnis durfte das Obergericht mit haltbaren Gründen davon ausgehen, es sei unerheblich, dass das Türschloss gemäss dem Gutachten der TÜV Verkehr und Fahrzeug GmbH in München vom 5. Juni 2003 nicht gewaltsam aufgebrochen worden ist. 
6. 
Die staatsrechtliche Beschwerde muss aus diesen Gründen abgewiesen werden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten. Parteikosten sind keine zu sprechen, weil keine Vernehmlassungen eingeholt worden sind. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 23. Dezember 2004 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: