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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_305/2009 
 
Urteil vom 16. September 2009 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys, 
Gerichtsschreiberin Binz. 
 
Parteien 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, 8090 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Ulrich Grauer, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Versuchte sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 17. Februar 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Anklageschrift vom 12. Februar 2008 warf die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland X.________ vor, A.________ am 21. April 2007 an ihrem Wohnort besucht und dort mit ihr gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr vollzogen zu haben. 
 
B. 
Das Bezirksgericht Dielsdorf sprach X.________ mit Urteil vom 29. Mai 2008 der Tätlichkeit schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 1'000.--. Vom Vorwurf der versuchten sexuellen Nötigung sowie der Vergewaltigung sprach es ihn in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" frei. Dagegen erklärte die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland Berufung. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte mit Urteil vom 17. Februar 2009 den Freispruch. 
 
C. 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, das Erkenntnis des Obergerichts sei in Bezug auf den in Dispositivziffer 1 enthaltenen Freispruch von den Vorwürfen der versuchten sexuellen Nötigung sowie der Vergewaltigung aufzuheben und die Sache sei zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerdeführerin rügt eine willkürliche Beweiswürdigung sowie die Verletzung von Art. 12 Abs. 2 StGB
 
1.1 Die Geschädigte A.________ erstattete am 21. April 2007 Anzeige bei der Polizei. Anlässlich der Einvernahme führte sie aus, den Beschwerdegegner zu sich eingeladen zu haben. Sie habe mit ihm reden wollen, da sie im Streit auseinandergegangen seien. Er sei ca. um 11.00 Uhr bei ihr erschienen. Sie sei mit einem T-Shirt und einem Slip bekleidet gewesen. Daraufhin sei sie ins Schlafzimmer gegangen, um sich eine Hose anzuziehen. Der Beschwerdegegner sei ihr gefolgt und habe sich bis auf die Unterhosen ausgezogen. Er habe sich hingelegt, worauf sie sich auch ins Bett gelegen habe, aber mit Distanz. Sie hätten normal miteinander gesprochen, bis der Beschwerdegegner sie plötzlich zu sich hinübergerissen habe. Sie sei wieder auf ihre Bettseite gerückt und habe ihm gesagt, es dürfe nichts passieren, sie seien Kollegen. Danach habe er zuerst seine und anschliessend ihre Unterhosen ausgezogen und gefragt, ob sie ihn oral befriedigen würde, was sie verneint habe. Daraufhin habe er ihren Kopf an seinen Penis gedrückt. Sie habe ihren Kopf hochgenommen und er habe ihn wieder hinuntergedrückt. Zweimal habe sie seinen Penis in den Mund nehmen müssen. Plötzlich sei der Beschwerdegegner auf ihr gelegen und habe sie an den Brüsten, zwischen den Beinen und am Mund geleckt. Zudem sei er mit mehreren Fingern in ihre Vagina eingedrungen. Danach habe er sich auf sie gelegt, habe sie an den Schultern festgehalten und sei mit seinem Penis mehrmals gegen ihren Willen in ihre Vagina eingedrungen. Sie habe sich nicht wehren können und habe geweint. Er habe sie umgedreht und sie habe ins Kissen geweint, was er nicht bemerkt habe. Der Beschwerdegegner sei mehrmals von hinten in sie eingedrungen, bis er zum Höhepunkt gekommen sei und über ihren Rücken ejakuliert habe. Anschliessend habe er ihr merkwürdige Fragen gestellt. Als sie bejaht habe, sich in einen anderen Mann verliebt zu haben, habe er ihr eine Ohrfeige gegeben und sie auf den Rücken geschlagen. Sie sei ins Badezimmer gegangen und habe K.________ eine Kurznachricht mit folgendem Inhalt gesendet: "X.________ hat mich geschlagen. Ich wollte nur reden". Anlässlich der Einvernahme als Zeugin vom 18. September 2007 bestätigte die Geschädigte, bei der Polizei die Wahrheit gesagt zu haben (angefochtenes Urteil E. 4.3 S. 11 f.). 
 
1.2 Die Vorinstanz führt aus, die widersprechenden Aussagen der direkt Beteiligten seien die einzigen Beweismittel. Die Aussagen des Beschwerdegegners seien im Wesentlichen widerspruchsfrei und konstant. Er habe zugegeben, mit der Geschädigten Intimitäten ausgetauscht und ihr nach dem Streit ins Gesicht und auf den Rücken geschlagen zu haben. Die Geschädigte habe anlässlich der polizeilichen Einvernahme eine detailreiche und nachvollziehbare Schilderung der Ereignisse wiedergegeben. Ihre Darstellung sei frei von offensichtlichen Übertreibungen, und sie habe auch für sie nachteilige Umstände erwähnt. Andererseits falle auf, dass ihre Zeugenaussagen zum Übergriff selber eher karg seien. Ausgerechnet die Fragen des genauen Ablaufs der von ihre vorgebrachten Vorwürfe beantworte sie nicht wirklich detailliert und stimmig. Bezüglich der Schilderung des Oralverkehrs habe sie nicht mehr gewusst, ob sie den Penis im Mund gehabt habe oder nicht. Ihre Darstellung sei daher insgesamt nicht frei von Widersprüchen. Auch ihr Nachtatverhalten sei geeignet, Zweifel an der Darstellung aufkommen zu lassen. Nach dem Vorfall habe sie ihrer Kollegin K.________ per SMS-Nachricht sowie telefonisch lediglich mitgeteilt, der Beschwerdegegner habe sie geschlagen. Erst beim anschliessenden Treffen habe sie ihrer Kollegin erzählt, der Beschwerdegegner habe sie zudem noch vergewaltigt. Aufhorchen lasse zudem die Aussage von K.________, sie wisse nicht, ob die Geschädigte ihr alles "ehrlich" erzählt habe. Weiter erstaune, dass die Geschädigte gemäss ihrer Aussage während des Vorfalls weder geschrien noch sich vehement gewehrt habe, obschon sie der Beschwerdegegner während des Vorfalls nicht bedroht habe. Hinzu komme, dass der Beschwerdegegner nicht gemerkt habe, dass sie ins Kissen geweint habe. Die Geschädigte wisse selber nicht, ob er gemerkt habe, dass sie sich gewehrt habe. Selbst wenn die Geschädigte den Geschlechtsverkehr nicht gewollt habe, könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdegegner eine allfällige Ablehnung ohne weiteres hätte erkennen können. Die beiden hätten eine längere sexuelle Beziehung gepflegt, weshalb ein allfälliges "Nein" in der konkreten Situation nicht ohne weiteres als endgültiger Entscheid habe aufgefasst werden müssen. Zusammenfassend würden in Würdigung der gesamten Umstände mehr als bloss theoretische Zweifel bestehen, dass sich der Vorfall wie von der Geschädigten geschildert zugetragen habe. Es bleibe kein Raum für die Annahme eines vorsätzlichen Verhaltens des Beschwerdegegners. Dieser sei in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" vom Vorwurf der versuchten sexuellen Nötigung sowie der Vergewaltigung freizusprechen (angefochtenes Urteil E. III S. 10 ff.). 
 
1.3 Die Beschwerdeführerin bringt vor, die vorinstanzliche Schlussfolgerung, die Schilderung der Geschädigten genüge den für einen Schuldspruch verlangten Anforderungen nicht, sei willkürlich. Bei der Aussage der Geschädigten, sie wisse nicht mehr, ob sie den Penis in den Mund genommen habe, handle es sich nicht um einen Widerspruch, sondern um eine ehrliche Aussage einer Zeugin, sich an einen bestimmten Umstand nicht mehr erinnern zu vermögen. Die Vorinstanz habe aus einer einzigen "unsicheren" ehrlichen Antwort auf ein widersprüchliches Aussageverhalten geschlossen. Bei der Würdigung des Nachtatverhaltens habe die Vorinstanz die Aussage von K.________, sie sei nicht sicher, ob die Geschädigte ihr alles "ehrlich" erzählt habe, aus dem Zusammenhang gerissen. Diese Aussage habe sich nicht auf die Schilderung betreffend den sexuellen Übergriff, sondern auf die Frage, ob die Geschädigte den Beschwerdegegner geschlagen habe, bezogen. K.________ habe zudem als Zeugin angegeben, keine Zweifel gehabt zu haben, dass die Geschädigte die Wahrheit gesagt habe. Weiter sei nicht ansatzweise nachvollziehbar, dass die Schilderung der Geschädigten nicht glaubhaft sein soll, weil sie nicht geschrien und sich nicht gewehrt habe. Die Geschädigte habe aufgrund ihres verbalen und körperlichen Widerstandes sowie der physischen Überlegenheit des Beschwerdegegners erwarten können, den Geschlechtsverkehr weder durch weitergehende körperliche Gegenwehr noch durch Schreie verhindern zu können. Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, die Vorinstanz habe in einseitiger Würdigung der Aussagen der Geschädigten auf die fehlende Erkennbarkeit des Nichteinverständnisses geschlossen. Die Geschädigte habe zum Ausdruck bringen wollen, dass der Beschwerdegegner weder auf ihre Abwehr reagiert noch von ihr abgelassen habe. Angesichts all dieser Fehler seien sowohl die Beweiswürdigung als solche als auch der Beweisschluss willkürlich. Indem die Vorinstanz davon ausgehe, dass ein vorsätzliches Verhalten des Beschwerdegegners selbst bei Abstellen auf die Darstellung der Geschädigten verneint werden müsste, verletze sie mit ihrer falschen rechtlichen Würdigung Art. 12 Abs. 2 StGB sowie Art. 189 Abs. 1 und Art. 190 Abs. 1 StGB. Aufgrund der Schilderungen der verbalen und körperlichen Abwehr sei der Eventualvorsatz des Beschwerdegegners zweifellos gegeben. 
 
1.4 Aus der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung wird die Rechtsregel "in dubio pro reo" abgeleitet. Als Beweiswürdigungsregel besagt sie, dass sich der Strafrichter nicht von einem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Bei der Frage, ob angesichts des willkürfreien Beweisergebnisses erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel hätten bejaht werden müssen und sich der Sachrichter von dem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt nicht hätte überzeugt erklären dürfen, steht der Vorinstanz ein weiter Ermessensspielraum zu. Willkür liegt einzig vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dabei genügt es nicht, wenn sich der angefochtene Entscheid lediglich in der Begründung als unhaltbar erweist; eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 129 I 173 E. 3.1 S. 178 mit Hinweisen). 
Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde zu begründen. Die Begründung hat in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG, BGE 133 Il 249 E. 1.4.2 S. 254). Auf die Ausführungen der Beschwerde, welche diesen Anforderungen nicht genügen, ist von vornherein nicht einzutreten. 
 
1.5 Was die Beschwerdeführerin gegen die Beweiswürdigung vorbringt, ist nicht geeignet, Willkür darzulegen. Die Vorinstanz hat die Beweise nicht in einseitiger Weise gewürdigt. So hat sie zunächst die Glaubwürdigkeit beider Beteiligten beurteilt. Beim Beschwerdegegner hat sie berücksichtigt, dass er als direkt Betroffener ein Interesse daran habe, die Geschehnisse in einem für ihn günstigen Licht darzustellen, und seine Aussagen deshalb besonders vorsichtig gewürdigt (s. angefochtenes Urteil E. III 4.2 S. 10). Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Geschädigten beachtet die Vorinstanz, dass die Geschädigte unter der strengen Strafandrohung von Art. 307 StGB befragt worden sei, andererseits ein finanzielles Interesse am Ausgang des Prozesses habe. Weil die Geschädigte zudem mit dem Beschwerdegegner eine schwierige Liebesbeziehung gehabt habe, welche aufgrund verschiedener Streitereien mehrmals beendet worden sei, hat sie auch die Aussagen der Geschädigten mit der erforderlichen Zurückhaltung gewürdigt (s. angefochtenes Urteil E. III 4.3 S. 12). Weiter hat die Vorinstanz eine umfassende Aussageanalyse vorgenommen. Zwar ist der Beschwerdeführerin beizustimmen, dass es sich bei der fehlenden Erinnerung der Geschädigten, ob sie den Penis des Beschwerdegegners in den Mund genommen hatte oder nicht, um eine ehrliche Zeugenaussage handelt. Die Vorinstanz hat jedoch festgehalten, dass die Geschädigte insgesamt den Ablauf des Übergriffs nicht wirklich detailliert und stimmig wiedergegeben habe. Es liegt in ihrem Ermessen, an der Glaubhaftigkeit der Aussagen zu zweifeln. Schliesslich legt die Beschwerdeführerin der vorinstanzlichen Würdigung des Nachtatverhaltens der Geschädigten ihre eigene Sicht der Dinge gegenüber. Auf diese appellatorische Kritik ist nicht einzutreten (s. E. 1.4. hiervor). 
Die Vorinstanz durfte festhalten, dass die Ablehnung durch die Geschädigte für den Beschwerdegegner nicht erkennbar war. Die Geschädigte hat sich zwar anfänglich verbal und körperlich gegen die Übergriffe des Beschwerdegegners gewehrt. Auf entsprechende Frage der Staatsanwältin hat sie jedoch angegeben, nicht zu wissen, ob der Beschwerdegegner ihre Abwehr bemerkt hatte (vgl. kantonale Akten Urk. 4/3 S. 14). Zudem hat die Geschädigte den Beschwerdegegner leicht bekleidet empfangen und sich zu ihm ins Bett gelegt. Angesichts dieser Umstände erscheint nicht unhaltbar, dass die Vorinstanz die Erkennbarkeit des fehlenden Einverständnisses in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" verneint. Der Entscheid ist im Ergebnis nicht willkürlich und somit nicht aufzuheben (vgl. E. 1.4 hiervor). 
Gestützt auf diesen Sachverhalt hat die Vorinstanz zu Recht den Vorsatz des Beschwerdegegners verneint. Der Freispruch von den Vorwürfen der versuchten sexuellen Nötigung sowie der Vergewaltigung verletzt kein Bundesrecht. 
 
2. 
Somit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführerin sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 3 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 16. September 2009 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Schneider Binz