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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_300/2018  
 
 
Urteil vom 6. Februar 2019  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Gerichtsschreiber Kocher. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Steueramt des Kantons Solothurn, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. A.C.________, 
2. B.C.________, 
Beschwerdegegner, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt A.C.________, 
und dieser substituiert durch Rechtsanwalt Peter Rechsteiner. 
 
Gegenstand 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Solothurn und direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2014, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 19. Februar 2018 (SGSTA.2016.52; BST.2016.49). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Eheleute A.C.________ und B.C.________ geb. D.________ (nachfolgend: die Steuerpflichtigen) haben steuerrechtlichen Wohnsitz in U.________/SO, wo sie Eigentümer eines freistehenden, vor mehr als 20 Jahren erstellten Einfamilienhauses sind, das teils geschäftlich, teils privat genutzt wird. Mit Veranlagungsverfügung vom 1. Februar 2016 legte das Steueramt des Kantons Solothurn (KStA/SO) den Eigenmietwert des privat genutzten Teils des Grundstücks für die hier interessierende Steuerperiode 2014 - übereinstimmend für die Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Solothurn und die direkte Bundessteuer - auf Fr. 27'584.-- fest. Das KStA/SO hatte hierzu eine Einzelbewertung vorgenommen, welcher folgende Faktoren zugrundelagen: 
 
Gesamtumfang: 16,0 Raumeinheiten  
 
 
Gewerblich genutzt: 4,5 Raumeinheiten  
 
Fr. 0.--  
11,5 Raumeinheiten zu Fr. 140.-- pro Monat  
 
Fr. 19'320.--  
Zuschlag für ein Einfamilienhaus freistehend (20 %)  
 
Fr. 3'864.--  
Vier Garagenplätze zu Fr. 800.-- im Jahr  
 
Fr. 3'200.--  
Gartenumschwung  
 
Fr. 400.--  
Schwimmbecken  
 
Fr. 800.--  
Total Einzelbewertung  
 
Fr. 27'584.--  
 
 
Auf Einsprache der Steuerpflichtigen hin bestätigte das KStA/SO den Eigenmietwert von Fr. 27'584.-- mit Einspracheentscheid vom 23. Mai 2016. 
 
B.  
Dagegen gelangten die Steuerpflichtigen an das Steuergericht des Kantons Solothurn, das die Beschwerde insofern teilweise guthiess, als es den Zuschlag von 20 Prozent für freistehende Einfamilienhäuser für rechtswidrig erklärte (Entscheid SGSTA.2016.52 / BST.2016.49 vom 19. Februar 2018). Infolgedessen ergab sich ein Eigenmietwert von Fr. 23'720.--, mithin Fr. 3'864.-- weniger als gemäss Einspracheentscheid. Das Steuergericht erwog im Wesentlichen, § 9 Abs. 2 der Steuerverordnung Nr. 15: Bemessung des Mietwertes der eigenen Wohnung vom 28. Januar 1986 (StVO/SO Nr. 15; BGS 614.159.15), die in der Steuerperiode 2014 noch anwendbar war, halte fest, dass die von der ESTV erlassenen Richtlinien für die Ermittlung des Mietwertes selbstgenutzter Wohnliegenschaften ergänzend anwendbar seien. Das seinerzeitige Kreisschreiben der ESTV vom 25. März 1969 sei aber nicht mehr in Kraft. Der Verordnungsgeber habe in der StVO/SO Nr. 15 davon abgesehen, einen Zuschlag für Gebäude überdurchschnittlicher Bauart vorzusehen. Entsprechend finde der 20-prozentige Zuschlag in der Steuerperiode 2014 keine Rechtsgrundlage. Eine hinreichende gesetzliche Grundlage könnte erst wieder § 5 Abs. 3 StVO/SO Nr. 15 in der Fassung vom 27. September 2016 bilden, der aber erst am 1. Januar 2017 in Kraft getreten sei. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 11. April 2018 erhebt das KStA/SO beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Es beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der Eigenmietwert sei entsprechend dem Einspracheentscheid vom 23. Mai 2016 auf Fr. 27'584.-- festzulegen, dies übereinstimmend für beide Steuerhoheiten. Eventuell sei das Verfahren bis zum Entscheid in der Sache 2C_843/2016 / 2C_844/2016 zu sistieren. Subeventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Begründung geht im Wesentlichen dahin, der Verordnungsgeber habe in § 9 Abs. 2 StVO/SO Nr. 15 in der am 1. Januar 2014 geltenden Fassung eine statische Verweisung getroffen, weshalb das Kreisschreiben der ESTV auf diese Weise immer noch in Kraft sei bzw. zu subsidiärem kantonalem Steuerrecht geworden sei. 
Die Steuerpflichtigen beantragen, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen, subeventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) stellt den Antrag, die Beschwerde sei gutzuheissen. Die Vorinstanz schliesst auf Abweisung, soweit auf die Eingabe einzutreten sei. 
 
 
Erwägungen:  
 
I. Prozessuales  
 
1.  
 
1.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten liegen unter Vorbehalt des Nachfolgenden vor (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 146 DBG [SR 642.11] und Art. 73 StHG [SR 642.14]).  
 
1.2. Das beschwerdeführende KStA/SO ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG; Urteil 2C_843/2016 / 2C_844/2016 vom 31. Januar 2019 E. 1.2.2).  
 
1.3. Das KStA/SO trägt im bundesgerichtlichen Verfahren zwar vor, es sei von der Vorinstanz zu der - aus seiner Optik -  reformatio in melius nicht angehört worden. Die Steuerpflichtigen halten dem entgegen, im Geltungsbereich des Rügeprinzips (hinten E. 1.5) seien neue rechtliche Rügen grundsätzlich nicht mehr zulässig, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten sei. Dies überzeugt nicht: Wenn eine Vorinstanz des Bundesgerichts durch ihre Verfahrensleitung gegen Verfassungsrecht verstossen haben soll, muss es der betreffenden Person möglich sein, dies vor Bundesgericht zu rügen. Dies hat mit einer unzulässigen neuen rechtlichen Rüge nichts zu tun. Zudem kann das Steueramt ohnehin die materielle Begründetheit des vorinstanzlichen Entscheids in Frage stellen. Auf die Beschwerde ist einzutreten.  
 
1.4. Das Bundesgericht prüft das Bundesrecht, wozu auch das harmonisierte Steuerrecht von Kantonen und Gemeinden zählt (Art. 129 BV), von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 143 V 19 E. 2.3 S. 23 f.) und mit uneingeschränkter (voller) Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 144 II 313 E. 5.1 S. 319). Soweit das Harmonisierungsrecht den Kantonen und Gemeinden allerdings einen gewissen Gestaltungsspielraum ("une certaine marge de manoeuvre") belässt oder gar keine Anwendung findet, stellt die betreffende Norm des kantonalen Steuerrechts sich als (rein) kantonales Recht dar (Art. 1 Abs. 3 Satz 1 StHG; BGE 144 II 313 E. 5.3 S. 319). Insoweit ist die Kognition auf die Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte - namentlich des Willkürverbots (Art. 9 BV) - beschränkt (dazu hinten E. 1.5). Wiederum mit freier Kognition ist die kantonalrechtliche Lösung, die einen solchen Freiraum betrifft, daraufhin zu prüfen, ob die Anwendung des harmonisierten Steuerrechts weder in der horizontalen noch vertikalen Harmonisierungsfunktion beeinträchtigt wird (Urteil 2C_76/2015 / 2C_77/2015 vom 24. Mai 2016 E. 1.4.2, nicht publ. in: BGE 142 II 182).  
 
1.5. Im Unterschied zum Bundesgesetzesrecht geht das Bundesgericht der angeblichen Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte (unter Einschluss der Grundrechte) und des rein kantonalen Rechts nur nach, falls und soweit eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit; BGE 144 II 313 E. 5.1 S. 319; 143 II 283 E. 1.2.2 S. 286).  
 
1.6. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 143 IV 500 E. 1.1 S. 503).  
 
II. Direkte Bundessteuer  
 
2.   
 
2.1. Der vorliegende Fall entspricht hinsichtlich Streitgegenstand und Rügen, abgesehen von nicht entscheidenden sachverhaltlichen Differenzen, in allen Teilen der Konstellation, die das Bundesgericht im ebenfalls den Kanton Solothurn betreffenden Urteil 2C_843/2016 / 2C_844/2016 vom 31. Januar 2019 zu beurteilen hatte. Das Bundesgericht hat sich darin ausführlich mit § 9 Abs. 2 StVO/SO in der für die Steuerperiode 2013 geltenden Fassung auseinandergesetzt. Es erkannte, § 9 Abs. 2 StV/SO Nr. 15, wonach die von der ESTV herausgegebenen Richtlinien für die Ermittlung des Mietwertes selbstgenutzter Wohnliegenschaften ergänzend anwendbar sind, sei am 1. Januar 1993 in Kraft getreten.  
Das streitbetroffene Kreisschreiben der ESTV vom 25. März 1969 betreffend die Ermittlung des steuerbaren Mietertrags von Wohnliegenschaften (nachfolgend: Kreisschreiben 1969) habe vermutungsweise bis Ende 2009 auf der Website der ESTV eingesehen werden können. Weshalb das Kreisschreiben 1969 ersatzlos aufgehoben und warum es durch kein neues Kreisschreiben ersetzt wurde, sei unklar. Tatsache sei demgegenüber, dass die ESTV am 21. Februar 2008 das Rundschreiben "Liste der Kantone mit unterschiedlichen Eigenmietwerten für die kantonalen Steuern und die direkte Bundessteuer ab Steuerperiode 2007" erlassen habe, das bis heute auf der Website der ESTV aufgeschaltet sei. Das Rundschreiben verdeutliche, dass die vom KStA/SO für die Staats- und Gemeindesteuern ermittelten Eigenmietwerte auch für die direkte Bundessteuer massgebend seien. Die ESTV scheine mithin davon auszugehen, dass der Kanton Solothurn weiterhin im Geiste des Kreisschreibens 1969 veranlage, ansonsten die Interventionslimite wohl verfehlt und die ESTV praxisgemäss eingreifen würde. 
Das Kreisschreiben 1969 sei auch in den Steuerperioden 2010 bis und mit 2016 heranzuziehen, da mit seinem Rückzug keine Praxisänderung verbunden gewesen sei. Zusammenfassend zeige sich bei der auf Prüfung von Willkür beschränkten Kognition, dass die Verweisung in § 9 Abs. 2 StV/SO Nr. 15 statisch ausgestaltet sei. Entsprechend verletzte der angefochtene Entscheid das massgebende Verordnungsrecht in stossender Weise und führt er zu einem nicht haltbaren Ergebnis. Es sei von Willkür in der Rechtsanwendung auszugehen (E. 3.4). 
 
2.2. Im vorliegenden Fall ist einzig der 20-prozentige Zuschlag für ein freistehendes Einfamilienhaus, hier Fr. 3'864.--, streitig und zu prüfen. Im zitierten Urteil 2C_843/2016 / 2C_844/2016 vom 31. Januar 2019 E. 3.4 hat das Bundesgericht die aufgeworfene Rechtsfrage ausführlich geprüft und beantwortet. So wie damals ergibt sich auch im vorliegenden Fall bei der auf Prüfung von Willkür beschränkten Kognition, dass der angefochtene Entscheid das massgebende Verordnungsrecht (§ 9 Abs. 2 StV/SO Nr. 15) in stossender Weise verletzt und zu einem verfassungsrechtlich nicht haltbaren Ergebnis führt.  
 
2.3. Die Beschwerde erweist sich damit, soweit die direkte Bundessteuer betreffend, als begründet. Sie ist gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und der Einspracheentscheid des Kantonalen Steueramtes Solothurn vom 23. Mai 2016 zu bestätigen.  
 
IV. Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Solothurn  
 
3.  
Die Auffassung, § 9 Abs. 2 StV/SO Nr. 15 sei eine dynamische Verweisung zu entnehmen, verstösst auch im Bereich des kantonalen und kommunalen Steuerrechts gegen das Willkürverbot. Die Beschwerde ist daher, auch was die Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Solothurn betrifft, begründet. Sie ist gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und der Einspracheentscheid des Kantonalen Steueramtes Solothurn vom 23. Mai 2016 zu bestätigen. 
 
V. Kosten und Entschädigung  
 
4.  
 
4.1. Nach dem Unterliegerprinzip (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG) sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens den Steuerpflichtigen aufzuerlegen, wofür diese zu gleichen Teilen und solidarisch haften (Art. 66 Abs. 5 BGG).  
 
4.2. Dem Kanton Solothurn, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
4.3. Die Festsetzung der Kosten und Entschädigung für das vorinstanzliche Verfahren wird der Vorinstanz übertragen (Art. 67 in Verbindung mit Art. 68 Abs. 5 BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde betreffend die direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2014, wird gutgeheissen. Das Urteil des Steuergerichts des Kantons Solothurn vom 19. Februar 2018 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid des Steueramtes des Kantons Solothurn vom 23. Mai 2016 bestätigt. 
 
2.   
Die Beschwerde betreffend die Staats- und Gemeindesteuer des Kantons Solothurn, Steuerperiode 2014, wird gutgeheissen. Das Urteil des Steuergerichts des Kantons Solothurn vom 19. Februar 2018 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid des Steueramtes des Kantons Solothurn vom 23. Mai 2016 bestätigt. 
 
3.   
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 1'200.-- werden den Steuerpflichtigen auferlegt. Diese tragen ihren Anteil zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung. 
 
4.   
Zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung für das vorinstanzliche Verfahren wird die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonalen Steuergericht Solothurn und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. Februar 2019 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher