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[AZA 7] 
I 167/01 Gi 
 
III. Kammer 
 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; 
Gerichtsschreiber Flückiger 
 
Urteil vom 9. April 2002 
 
in Sachen 
F.________, 1961, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Ruth Kaufmann, Ober-Emmenweid 46, 6021 Emmenbrücke 1, 
 
gegen 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern 
 
A.- Die 1961 geborene F.________ war vom 1. Januar 1994 bis 31. Januar 2000 im Stundenlohn als Raumpflegerin bei der Schule angestellt. Sie meldete sich am 29. Januar 1999 unter Hinweis auf seit einem Verkehrsunfall vom 23. November 1986 bestehende Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Berufsberatung, Arbeitsvermittlung) an. Die IV-Stelle Luzern zog einen den Unfall betreffenden Bericht der Chirurgischen Klinik des Spitals an das Amtsstatthalteramt Luzern-Stadt vom 18. Dezember 1986 bei. Zudem holte sie einen Arbeitgeberbericht des Amtes des Kantons Luzern vom 1. März 1999, eine Stellungnahme des Hausarztes Dr. med. M.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 24. April 1999 sowie einen "Abklärungsbericht Haushalt" des IV-internen Abklärungsdienstes vom 4. August 1999 ein. Anschliessend lehnte sie mit Verfügung vom 4. Februar 2000 einen Anspruch auf berufliche Massnahmen ab. 
 
 
 
B.- Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern ab, soweit es darauf eintrat (Entscheid vom 29. Januar 2001). Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hatte die Versicherte Lohnabrechnungen des Kantons sowie der S.________ AG, ein ärztliches Zeugnis des Dr. med. M.________ vom 29. Februar 2000, einen Unfallschein mit Eintragungen dieses Arztes vom 26. Juni 1999 bis 
24. Februar 2000, einen der Elvia Versicherungsgesellschaft als obligatorischem Unfallversicherer erstatteten Bericht des Dr. med. G.________, Chirurgie FMH, vom 1. Februar 2000 und eine Stellungnahme der Klinik für Orthopädie des Spitals vom 4. September 2000 (Dr. med. D.________, Oberarzt) eingereicht. Das Verwaltungsgericht hatte seinerseits einen Bericht des Dr. med. J.________, Physikalische Medizin und Rehabilitation, speziell Rheumaerkrankungen FMH, vom 31. Mai 1999 beigezogen. 
 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt F.________, es seien der kantonale Entscheid und die Verwaltungsverfügung aufzuheben und die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie über den Anspruch auf berufliche Massnahmen neu befinde; eventuell sei "der Anspruch der Beschwerdeführerin auf berufliche Massnahmen gutzuheissen". 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Streitig und zu prüfen ist einzig der Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen. Umstritten ist das Vorliegen der dafür vorausgesetzten Invalidität. 
 
a) Nach Art. 4 Abs. 1 IVG gilt als Invalidität die durch einen körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden als Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall verursachte, voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit. Die Invalidität gilt als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat (Art. 4 Abs. 2 IVG). 
 
b) aa) Laut Art. 17 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit, wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder wesentlich verbessert werden kann. Invalid im Sinne von Art. 17 Abs. 1 IVG ist die versicherte Person, wenn sie wegen der Art und Schwere des Gesundheitsschadens im bisher ausgeübten Beruf und in den ihr ohne zusätzliche berufliche Ausbildung offen stehenden zumutbaren Erwerbstätigkeiten eine bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbseinbusse von mindestens etwa 20 % erleidet (BGE 124 V 110 f. Erw. 2b mit Hinweisen; AHI 2000 S. 62 Erw. 1). 
 
bb) Gemäss Art. 15 IVG haben Versicherte, die infolge Invalidität in der Berufswahl oder in der Ausübung ihrer bisherigen Tätigkeit behindert sind, Anspruch auf Berufsberatung. 
Die spezifische Invalidität im Sinne von Art. 15 IVG liegt in der gesundheitlich bedingten Behinderung in der Berufswahl oder in der Ausübung der bisherigen Tätigkeit der an sich zur Berufswahl fähigen versicherten Person (BGE 114 V 29 Erw. 1a mit Hinweisen). 
 
cc) Eingliederungsfähigen invaliden Versicherten wird nach Möglichkeit geeignete Arbeit vermittelt (Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG), wobei die im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Arbeitsvermittlung relevante Invalidität darin besteht, dass die versicherte Person bei der Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle aus gesundheitlichen Gründen Schwierigkeiten hat (AHI 2000 S. 70 Erw. 1a mit Hinweis). 
 
 
2.- a) Zu Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit liegen die folgenden ärztlichen Beurteilungen und Stellungnahmen (vgl. BGE 105 V 158 Erw. 1 in fine) vor: 
 
aa) Gemäss der im Bericht des Dr. med. G.________ vom 1. Februar 2000 enthaltenen Anamnese zog sich die Beschwerdeführerin anlässlich des Unfalls vom 23. November 1986 ein Schädel-Hirntrauma mit Contusio cerebri, eine rotationsinstabile LWK 2-Fraktur, eine Fraktur des Prozessus transversus LWK 3 rechts sowie eine Schulterkontusion und Schürfungen rechts zu. Die Behandlung im Spital sei gemäss Zeugnis vom 10. August 1987 abgeschlossen worden. Darin würden als bleibende Nachteile ein posttraumatischer Zustand bei LWK-Fraktur mit Gefahr der Überlastung der anliegend noch frei beweglichen Segmente sowie posttraumatische degenerative Veränderungen mit entsprechenden Symptomen genannt. 
 
 
bb) Dr. med. M.________ nennt in seinem Bericht vom 24. April 1999 als Diagnosen eine Wirbelsäulenfehlhaltung, einen Status nach Fraktur LWK 2 (1986), eine chronische Bronchitis, hypotone Blutdruck-Werte und eine orthostatische Dysregulation. Die Beschwerdeführerin sei seit 1. Dezember 1998 als Raumpflegerin zu 75 % und als Hausfrau zu 25 % dauernd arbeitsunfähig. Laut dem ärztlichen Zeugnis desselben Arztes vom 29. Februar 2000 ist sie wegen Unfallfolgen an der Wirbelsäule in jeglicher Tätigkeit erheblich eingeschränkt, sowohl für ausserhäusliche Berufe wie für Haushaltsarbeit. Im Unfallschein UVG bescheinigt Dr. med. 
M.________ der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 5. Februar 1999 bis 24. Februar 2000 (letzte Eintragung) eine Arbeitsunfähigkeit von 100 %. Das mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereichte ärztliche Zeugnis vom 24. November 1998 attestiert ihr zudem eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % für die Zeit vom 2. bis 30. November 1998. 
 
 
cc) Dr. med. J.________ stellt in seinem Bericht vom 31. Mai 1999 die Diagnose eines lumbospondylogenen Syndroms rechts bei Fehlstatik der Wirbelsäule und Zustand nach traumatischer Fraktur von LWK 2 1986 mit reaktiver Osteochondrose L1/2. Der vorhandene Rücken-Beinschmerz entspreche wahrscheinlich dieser Diagnose. Der Arzt führt weiter aus, nach seiner Meinung sollte die Patientin wieder schrittweise in den Arbeitsprozess eingegliedert werden; er betrachtet dies als zumutbar. 
 
 
dd) Dr. med. G.________ diagnostiziert in seiner Stellungnahme vom 1. Februar 2000 einen Status nach traumatischer LKW 2-Fraktur am 23. November 1986, ein lumbo-spondylogenes Syndrom rechts, eine keilförmig und leicht asymmetrisch abgeflachte Konfigurierung des LWK 2 sowie einen Status nach Verhebetrauma im Oktober 1998. Hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit führt er aus, eine 30 %ige Arbeitsfähigkeit (stundenweise Reinigungsarbeiten zu 30 %) erscheine ihm als möglich und zumutbar. Diese Aussage erfolgte auf die Frage nach Grad und Dauer der durch den Unfall verursachten Arbeitsunfähigkeit im versicherten Beruf. 
 
ee) Im Bericht der Klinik für Orthopädie des Spitals vom 4. September 2000 wird eine Segmentkyphose thoracolumbal von 14° bei Status nach konservativ behandelter LKW 2-Fraktur und Prozessus transversus LWK 3-Fraktur rechts diagnostiziert. In Bezug auf die Arbeitsfähigkeit wird ausgeführt, es bestehe eine verminderte Belastbarkeit der Wirbelsäule, sodass "Schwerarbeiten" in gebeugter Stellung nicht ganztags zumutbar seien. 
 
b) aa) Gemäss dem Arbeitgeberbericht vom 1. März 1999 war die Beschwerdeführerin beim Kanton im Rahmen eines Pensums von neun bis zehn Stunden pro Woche im Stundenlohn angestellt. 
Die der Vorinstanz eingereichten Besoldungsabrechnungen aus dem Jahr 1996 weisen zwar darauf hin, dass die durchschnittliche Arbeitszeit damals höher war; 1998 arbeitete die Beschwerdeführerin jedoch rund 463 Stunden, was dem angegebenen Durchschnitt entspricht. Es bestehen keine Hinweise darauf, dass die Pensenreduktion gesundheitlich bedingt gewesen wäre. Selbst bei Berücksichtigung der Tätigkeit als Ferienaushilfe in der S.________ AG im Jahr 1998 (insgesamt 165 Stunden) resultiert ein Total von 628 Stunden, was bezogen auf 48 Arbeitswochen eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von rund 13 Stunden ergibt. Dies entspricht bei einer normalen Arbeitszeit im Betrieb von 42 Stunden (gemäss Arbeitgeberbericht vom 1. März 1999) einem Pensum von etwas mehr als 30 %. Entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist eine hypothetische ausserhäusliche Erwerbstätigkeit höheren Umfanges nicht erstellt. 
 
 
bb) Die Vorinstanz hat in Würdigung der ärztlichen Stellungnahmen zu Recht festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Wiederaufnahme ihrer angestammten Tätigkeit als Reinigungsangestellte im Rahmen des bisherigen Pensum zugemutet werden kann. Dieses Ergebnis stützt sich auf die Berichte des Dr. med. J.________ vom 31. Mai 1999 und der Klinik für Orthopädie des Spitals vom 4. September 2000. 
Beide Stellungnahmen, welche auf Kenntnissen der Vorakten und eigenen Untersuchungen beruhen sowie schlüssig und nachvollziehbar begründet sind, genügen den von der Rechtsprechung (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis) formulierten Anforderungen an beweiskräftige ärztliche Gutachten. Demgegenüber kann auf die Aussagen des Hausarztes Dr. med. 
M.________ nicht abgestellt werden, da sie nicht detailliert begründet werden und einander auch teilweise widersprechen. 
Die Stellungnahme des Dr. med. G.________ vom 1. Februar 2000 vermag die Beweiskraft der Berichte des Dr. 
med. J.________ und der Klinik für Orthopädie des Spitals ebenfalls nicht in Frage zu stellen, da die vom ihm attestierte 
 
Arbeitsfähigkeit von bloss 30 % in Anbetracht der medizinischen Befunde nicht überzeugt. In Bezug auf die Tätigkeit im Haushalt hat die Vorinstanz gestützt auf den entsprechenden, von der Beschwerdeführerin am 24. August 1999 unterzeichneten Abklärungsbericht ebenfalls mit Recht festgestellt, dass keine erheblichen Einschränkungen vorliegen, da die Versicherte die entsprechenden Arbeiten, wenn auch etwas verlangsamt, weiterhin ausführen kann. 
 
cc) Da die Beschwerdeführerin in der Lage wäre, ihre angestammte Tätigkeit weiterhin im bisherigen Umfang auszuüben, oder - in Beachtung der ihr obliegenden möglichen und zumutbaren Schadenminderung (d.h. hier der iv-rechtlichen Selbsteingliederung, vgl. BGE 113 V 28 Erw. 4a mit Hinweisen) - in entsprechendem (zeitlichen) Umfang auf die angelernte früher ausgeübte Tätigkeit als Näherin oder in die Lingerie auszuweichen, ist die für die Ansprüche auf berufliche Eingliederungsmassnahmen vorausgesetzte Invalidität nicht gegeben, zumal keine Hinweise darauf bestehen, dass die Versicherte wegen ihrer gesundheitlichen Probleme Schwierigkeiten hätte, eine geeignete Anstellung zu finden, wie es der Anspruch auf Arbeitsvermittlung gemäss Art. 18 Abs. 1 IVG voraussetzt (BGE 116 V 81 Erw. 6a mit Hinweisen). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, der Ausgleichskasse des Kantons Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
 
 
zugestellt. 
Luzern, 9. April 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: