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[AZA 7] 
U 52/01 Ge 
 
II. Kammer 
 
Präsident Schön, Bundesrichter Ferrari und Ursprung; Gerichtsschreiber Hochuli 
 
Urteil vom 28. März 2002 
 
in Sachen 
 
W._______, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Eric Schuler, Frankenstrasse 3, 6003 Luzern, 
 
gegen 
 
Basler Versicherungs-Gesellschaft, Aeschengraben 21, 4051 Basel, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Hans-Beat Ulmi, Weggisgasse 29, 6004 Luzern, 
 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern 
 
A.- Die 1966 geborene W.________ war seit 1. September 1992 als Wirtschaftsinformatikerin bei der Firma A.________ im Bereich Marketing und Services in X.________ tätig und in dieser Eigenschaft bei der Basler Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Basler oder Beschwerdegegnerin) obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 21. August 1995 stürzte sie sitzend seitlich rückwärts von einem Gymnastik-Sitzball zu Boden. Anlässlich der Erstbehandlung vom 8. September 1995 beklagte sie sich gemäss Arztzeugnis UVG vom 15. April 1997 gegenüber ihrem Hausarzt Dr. med. E.________ über Schmerzen im Bereiche der Brustwirbelsäule (BWS) und unteren Halswirbelsäule (HWS). Mehr als 19 Monate später, am 17. April 1997, liess sie durch ihre Arbeitgeberin eine entsprechende Unfallmeldung bei der Basler einreichen. Nachdem die Basler anfänglich Leistungen ausgerichtet und die medizinischen Berichte eingeholt hatte, leitete sie Mitte Dezember 1997 zur weiteren medizinischen Abklärung eine spezialärztliche Begutachtung ein. Gestützt auf die Ergebnisse des fachärztlichen unfallchirurgischen Gutachtensberichts des Dr. med. W.________ (Institut für Medizinische Begutachtung [IMB]) vom 2. September 1998 (nachfolgend: Gutachten) verfügte die Basler, dass die vorhandenen Beschwerden nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Ereignis vom 21. August 1995 stünden, weshalb diesbezüglich keine Ansprüche mehr gegenüber der Unfallversicherung gegeben seien (Verfügung vom 21. Oktober 1998). Auf Einsprache hin hielt die Basler an der Verfügung fest (Einspracheentscheid vom 1. März 1999). 
 
B.- Beschwerdeweise liess die Versicherte beantragen, unter Aufhebung von Einspracheentscheid und Verfügung sei die Basler zu verpflichten, die gesundheitlichen Beschwerden als Unfallfolgen zu anerkennen und dafür die gesetzlichen Leistungen zu erbringen; eventuell sei vor dem Entscheid über die Leistungspflicht ein medizinisches Gutachten zu veranlassen. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, wies die Beschwerde am 22. Dezember 2000 ab. 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert die Versicherte ihre vorinstanzlichen Anträge. 
Während die Basler auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichten die Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung Concordia und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über die Gewährung von Versicherungsleistungen bei Unfällen (Art. 6 Abs. 1 UVG) und die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, 117 V 376 Erw. 3a mit Hinweisen) und adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 123 III 112 Erw. 3a, 123 V 103 Erw. 3d, 139 Erw. 3c, 122 V 416 Erw. 2a, je mit Hinweisen) zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) sowie zur Leistungspflicht des Unfallversicherers bei einem krankhaften Vorzustand (RKUV 1994 Nr. U 206 S. 328 Erw. 3b mit Hinweisen) und zu dem im Sozialversicherungsrecht grundsätzlich massgeblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b, 125 V 195 Erw. 2, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
2.- Streitig ist, ob die Basler mit Verfügung vom 21. Oktober 1998 zu Recht weitere Ansprüche auf Versicherungsleistungen aus dem Ereignis vom 21. August 1995 abgelehnt hat. 
a) Gemäss undatierter Unfallmeldung UVG, die nach Angaben der Basler am 17. April 1997 bei ihr eintraf, wurde das Ereignis vom 21. August 1995 von der Versicherten wie folgt beschrieben: Nach dem Aufpumpen des Gymnastikballes habe sie beim Überprüfen der Härte durch Sitzkontrolle das Gleichgewicht verloren und sei dabei mit einer leichten Rechtsdrehung rückwärts nach hinten gefallen, wobei sie mit Kopf und Schulter auf den Boden geprallt sei. Ohne dass es zu Arbeitsunfähigkeit kam, suchte die Versicherte erst 18 Tage später (am 8. September 1995) wegen Schmerzen in der unteren HWS und BWS ihren Hausarzt Dr. med. E.________ auf. Dieser wies in seinem Bericht zuhanden der Basler vom 15. April 1997 darauf hin, dass die Beschwerdeführerin schon vor dem Ereignis vom 21. August 1995 wegen Rückenschmerzen in physiotherapeutischer Behandlung gewesen sei und deswegen einen Sitzball erhalten habe. Nachdem die Versicherte erst mehr als zwei Wochen später zu ihm gekommen sei, habe er "primär wenig Zusammenhang mit dem Unfallereignis" gesehen. Nach der Erstbehandlung vom 8. September 1995 unternahm sie sodann während einem vierwöchigen Ferienaufenthalt in Afrika ab 14. September 1995 ausgedehnte Reisen als Passagierin auf Lastwagenbrücken (Gutachten S. 8). Weiter führt Dr. E.________ im genannten Bericht zuhanden der Basler aus, nach der Rückkehr von der Afrikareise habe sie sich über Fieber, eine wechselnde Schmerzsymptomatik und Atemprobleme beklagt, wofür als unfallfremde Ursache eine Infektion mit Legionellen gefunden worden sei. Er habe am 15. November 1995 eine MRT-Untersuchung der HWS veranlasst, nachdem die HWS-Schmerzen nicht abgeheilt seien. Die Untersuchung habe "zwei kleine Discushernien C5/6 und C6/7" gezeigt bei intaktem hinteren und vorderen Längsband, weshalb er gestützt auf diese Befunde wiederum davon ausgegangen sei, es handle sich nicht um eine traumatisch bedingte Problematik. Zur Frage nach "unfallfremden Krankheiten" hielt Dr. E.________ fest, vorbestehend sei eine Rückenpathologie mit nur "wenigen bis keinen Beschwerden im Nacken und oberen BWS-Bereich". Erst der auf HWS-Schleudertrauma-Fälle spezialisierte Dr. med. H.________ habe schliesslich "das Ganze eindeutig auf eine HWS-Distorsion" zurückgeführt und die Beschwerden als unfallbedingt beurteilt. Zu ergänzen ist, dass auch dem Bericht des Dr. med. M.________ vom 19. August 1996 Hinweise auf vorbestehende Befunde an der BWS zu entnehmen sind. Dieser stellte fest, entsprechend den beiliegenden Röntgenaufnahmen des Thorax beziehungsweise der BWS seitlich vom 12. August 1990 liege ein Status nach thoracalem Morbus Scheuermann leichten bis mittelschweren Grades mit leichter medio-thoracaler Hyperkyphose und leichten bis mittelschweren, vorwiegend medio-thoracalen Osteochondrosen vor. 
 
b) Im Januar 1997 liess sich die Versicherte durch ihren Hausarzt zu einer konsiliarischen Untersuchung an Dr. med. H.________ überweisen. Er gelangte rund 18 Monate nach dem Unfall auf Grund einer Untersuchung vom 26. Februar 1997 zum Schluss, die Beschwerdeführerin habe am 21. August 1995 "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine HWS-Distorsion" erlitten. Er fand Zeichen einer muskulären Dysbalance im Bereich der unteren HWS sowie bei C2 und C3. Die Beschwerden seien mehrheitlich tendomyotisch-bedingt. In Bezug auf die Ursachen solcher Beschwerden relativierte er jedoch seine eigene Aussage bezüglich des "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" bejahten natürlichen Kausalzusammenhangs zum Ereignis vom 21. August 1995 dahingehend, dass ähnliche Beschwerden aus seiner praktischen Erfahrung zum Beispiel auch "beim Stolpern über ein Kabel" oder beim Verlieren des Gleichgewichts entstehen könnten. "Anhand der klinischen Entwicklung und des Verlaufs" könne "man die natürliche Kausalität als gegeben betrachten, auch wenn die Adäquanz etwas Mühe bereiten dürfte". Weiter erhob Dr. med. H.________ anlässlich der Untersuchung vom 26. Februar 1997 unter anderem eine frei bewegliche HWS, keine neurologischen Ausfälle, eine intakte Sensomotorik und unauffällige Hirnnerven. Er beurteilte das "laute Knarrengeräusch" im Bereich der Clavicula als "wahrscheinlich harmlos". 
c) Bereits mit Schreiben vom 2. September 1996 hatte der Hausarzt die Versicherte an den Rheumatologen, Dr. med. J.________ überwiesen, nachdem sich die Beschwerden von der ursprünglich direkt unfallbetroffenen rechten in die linke Schulter verlagert hatten und ein "eindrückliches eigenartiges Knarren retroclaviculär" aufgetreten war. Dr. med. J.________ erhob anlässlich einer Schultersonographie Ende 1996 den Verdacht auf eine partielle Läsion der Rotatorenmanschette, hielt diesen Befund allerdings für nicht signifikant. Am 22. April 1997 meldete sie der Hausarzt zur weiteren Abklärung der Knarrphänomene im Bereich des Schultergürtels zu einer konsiliarischen Untersuchung beim Orthopäden Dr. med. L.________ an. Im Bericht vom 16. Juli 1997 äusserte sich Dr. med. L.________ mit keinem Wort zum Kausalzusammenhang der Knarrphänomene mit dem Unfallereignis. Vielmehr vertrat er die Auffassung, dass dieses die Versicherte sehr störende Knarren im Bereich des linken Schultergürtels von der HWS-Pathologie zu trennen sei. Dr. med. L.________ überwies die Beschwerdeführerin sodann weiter zur Untersuchung und gegebenenfalls Weiterbehandlung an Prof. Dr. med. G.________, Chefarzt Orthopädie an der Klinik Y.________. Gestützt auf die Anamnese, dass die Versicherte bis August 1995 in ihrer linken adominanten Schulter beschwerdefrei gewesen und sodann anlässlich des Unfalles vom 21. August 1995 "direkt rückwärts auf ihren oberen Thoraxbereich und die linke Schulter" gestürzt sei, diagnostizierte Dr. med. G.________ am 17. November 1997 eine "Snapping Scapula links posttraumatisch". 
d) Daraufhin leitete die Basler mit Schreiben 18. Dezember 1997 die weitere Abklärung durch eine Begutachtung ein und schlug dazu die MEDAS in Basel vor. Mit dem ausdrücklichen Einverständnis der Versicherten erteilte die Beschwerdegegnerin den Auftrag zur Begutachtung am 14. Mai 1998 an das Institut für Medizinische Begutachtung (IMB) in Zürich. Zwischenzeitlich hatte sich die Beschwerdeführerin am 14. April 1998 an der Klinik Y.________ einer endoskopischen Bursektomie zur operativen Sanierung des schmerzhaften Knackens im Bereich der linken Schulter unterzogen. 
Dr. med. W.________, IMB, hat die Beschwerdeführerin am 21. August 1998 eingehend untersucht. Unter Berücksichtigung sämtlicher bildgebenden Untersuchungsergebnisse und spezialärztlichen Berichte gelangte er in seinem Gutachten zur Überzeugung, ausgehend vom äusseren Geschehensablauf (ungewollte Rückwärtsrolle von einem ca. 50 Zentimeter hohen Gymnastik-Sitzball) könne höchstens von einer Weichteilprellung des Schultergürtels und einer Prellung des Hinterkopfes gesprochen werden, die nach einer international gebräuchlichen Skala der Verletzungsschwere als "leichte Verletzungen" qualifiziert werden müssten. Solche Verletzungen 
- initial ohne Arbeitsunfähigkeit und mit einem ersten Arztbesuch erst 18 Tage später - vermöchten nicht über einen längeren Zeitraum als zwei bis drei Wochen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu führen. Die therapieresistenten geklagten Restbeschwerden seien nicht mit einer "klar pathologisch-anatomisch definierten Diagnose im Sinn der ICD-10" vereinbar. Auch die im April 1998 operativ behandelte "Snapping Scapula links" stehe definitiv nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in einem natürlichen Kausalzusammenhang mit dem Ereignis vom 21. August 1995. 
 
e) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass einzig Dr. med. H.________ (Erw. 2b hievor) gestützt auf eigene Untersuchungsergebnisse zur Beurteilung gelangte, die Versicherte habe am 21. August 1995 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine HWS-Distorsion erlitten. Abgesehen von verschiedenen Anzeichen einer muskulären Dysbalance, die als solche keine direkte Unfallfolge darstellt, fand auch Dr. med. H.________ kaum objektivierbares Substrat für die geklagten Beschwerden. Der erstbehandelnde Arzt Dr. med. E.________ selber stellte (anfänglich) sämtliche Beschwerden nicht in einen Zusammenhang mit einem Unfallereignis (Erw. 2a hievor). Vielmehr wies er darauf hin, dass die Beschwerdeführerin schon vor dem 21. August 1995 über - wenn auch geringfügige - Beschwerden im Nacken- und BWS-Bereich geklagt habe. Erstmals im Überweisungsschreiben an Dr. med. H.________ vom 13. Januar 1997 erwähnte er ein "im September 95" stattgefundenes Ereignis. Die Diagnose "HWS-Distorsionstrauma" übernahm Dr. med. E.________ somit offensichtlich von Dr. med. H.________. 
f) Auf Grund dieser Aktenlage ist nicht zu beanstanden, dass Vorinstanz und Beschwerdegegnerin gestützt auf das Gutachten des Dr. med. W.________ nach umfassender Würdigung der medizinischen Unterlagen mit zutreffender Begründung zur Auffassung gelangten, die im Zeitpunkt der Einstellung der Versicherungsleistungen (mit Verwaltungsverfügung vom 21. Oktober 1998) aktuellen Beschwerden seien weder teilweise noch ausschliesslich auf das Unfallereignis vom 21. August 1995 zurückzuführen. 
Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, wieso anlässlich der Begutachtung durch Dr. med. W.________ ein Neurologe hätte beigezogen werden müssen, nachdem der Neurologe Dr. med. H.________ anlässlich seiner Untersuchung vom 26. Februar 1997 keinerlei Ausfälle hatte feststellen können (Bericht vom 19. März 1997). Die Knarrphänomene in der linken Schulter sind nicht nur deshalb als unfallfremde Befunde zu qualifizieren, weil Prof. Dr. med. G.________ (Diagnose: "Snapping Scapula links posttraumatisch" gemäss Bericht vom 17. November 1997) bei seiner Beurteilung mit anschliessender operativen Behandlung von einer offensichtlich falschen Anamnese ausging (Sturz direkt auf die linke [statt tatsächlich rechte] Schulter), sondern auch deshalb, weil demgegenüber einerseits Dr. med. L.________ (Erw. 2c hievor) die Knarrgeräusche im Bereich des linken Schultergürtels weder in einen direkten Zusammenhang mit dem Unfallereignis noch in einen Zusammenhang mit der angeblichen HWS-Pathologie stellte und anderseits auch Dr. med. H.________ diese Knarrphänomene für harmlos hielt. Sind demnach keine Gründe ersichtlich, weshalb nicht auf das schlüssige und in sich widerspruchsfreie Gutachten abgestellt werden könnte, und ist somit davon ausgehen, dass ein HWS-Distorsionstrauma am 21. August 1995 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht stattgefunden hat, erübrigt sich die Einholung eines Gerichtsgutachtens. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der 
Erwägungen abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht 
des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche 
Abteilung, dem Bundesamt für Sozialversicherung 
und der Schweizerischen Kranken- und Unfallversicherung 
Concordia zugestellt. 
 
Luzern, 28. März 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: