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«AZA 7» 
U 353/00 Vr 
 
III. Kammer 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; Gerichtsschreiber Fessler 
 
 
Urteil vom 29. November 2000 
 
in Sachen 
A.________, 1937, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Heidi Koch-Amberg, Stauffacherstrasse 1, Emmenbrücke, 
gegen 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Luzern, Beschwerdegegnerin, 
und 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern 
 
 
A.- Der 1937 geborene A.________ erlitt am 2. August 1970 einen Berufsunfall (Anschlagen des linken Beines an einem Kran), für dessen Folgen ihm die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) u.a. mit Verfügung vom 5. August 1982 rückwirkend ab 1. Mai 1982 eine unbefristete Invalidenrente auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 25 % zusprach. Zuvor hatte die Anstalt mit Verfügung 7. Juli 1982 die Unfallkausalität der geklagten Rückenbeschwerden verneint. Beide Verwaltungsakte erwuchsen in Rechtskraft. 
 
Am 19. April 1992 ersuchte Rechtsanwältin K.________ namens und auftrags von A.________ die SUVA, «die Rentenverfügung vom 5.8.1982 zu ersetzen und meinem Klienten eine 100 %ige Rente zuzusprechen». Nach kreisärztlicher Untersuchung vom 19. Mai 1992 teilte die Anstalt mit Schreiben vom 4. Juni 1992 der Rechtsvertreterin des Versicherten mit, es bestehe kein Anspruch auf weitere zusätzliche Leistungen, da sich die Unfallfolgen nicht verschlimmert hätten und deren Behandlung nicht mehr notwendig sei. Abgesehen davon sei es ihr von Gesetzes wegen ohnehin verwehrt, die Rente in der «revisionslosen Zeit» (nach Ablauf des neunten Jahres nach ihrer Festsetzung) zu ändern. Dem Begehren könne daher nicht entsprochen werden. Diese Mitteilung blieb unerwidert. 
Am 25. Oktober 1994 ersuchte A.________ um Übernahme der Kosten der Behandlung der Rückenbeschwerden, was die SUVA ablehnte. Mit Schreiben vom 6. Juni 1996 meldete Dr. med. G.________, Innere Medizin FMH, den Versicherten wegen der Kniebeschwerden «bei St nach Unfall 1970» und der aufgrund der (Differential-)Neuraltherapie darauf zurück zu führenden lumbalen Rückenschmerzen an. In der Folge wurde A.________ auf Ersuchen seiner Rechtsvertreterin am 14. Februar 1997 kreisärztlich untersucht. Nach Einholung eines Berichts bei Dr. med. B.________, Spezialarzt für Orthopädische Chirurgie FMH, welcher den Versicherten am 17. Februar 1997 zusätzlich abgeklärt hatte, erliess die SUVA am 14. November 1997 eine Verfügung, in welcher sie u.a. feststellte, dass «der Unfallfolgen wegen eine weitergehende Abklärung nicht mehr notwendig» sei und «sich in Anbetracht der wenig veränderten Gesamtsituation keine interventionellen Massnahmen aufdrängen». Die hiegegen erhobene Einsprache wies die Anstalt mit Entscheid vom 19. Juni 1998 ab, soweit sie darauf eintrat, in Bezug auf die (fehlende) Unfallkausalität der Rückenbeschwerden unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Revision der Verfügung vom 7. Juli 1982, hinsichtlich der «Unfallfolgen (linkes Knie)» mangels einer Verschlimmerung. 
 
B.- A.________ liess beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern Beschwerde einreichen und in der Hauptsache die Rückweisung der Sache an die SUVA zur «Neubeurteilung des Invaliditätsgrades» beantragen. 
Die SUVA schloss in der Vernehmlassung auf Abweisung des Rechtsmittels. In den weiteren Rechtsschriften hielten die Parteien an ihren Anträgen fest, wobei der Unfallversicherer neu geltend machte, infolge Verwirkung sei eine prozessuale Revision der die Unfallkausalität von Rückenbeschwerden verneinenden Verfügung vom 7. Juli 1982 ausgeschlossen. 
Mit Entscheid vom 4. Juli 2000 wies das kantonale Verwaltungsgericht die Beschwerde ab, «soweit damit eine Rentenerhöhung zufolge Verschlimmerung der Unfallfolgen beantragt wurde» (Dispositiv-Ziff. 1), und hob den angefochtenen Einspracheentscheid auf, «soweit damit das Vorliegen eines prozessualen Revisionsgrundes materiell geprüft wurde» (Dispositiv-Ziff. 2). 
 
C.- A.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem hauptsächlichen Rechtsbegehren, es sei der kantonale Entscheid aufzuheben und ihm eine «100 % (ev. kleinere) SUVA-Rente als Unfallfolge rückwirkend zuzusprechen»; im Weitern sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen. 
Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde anträgt, lässt sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen. 
 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Angefochten ist in erster Linie Dispositiv-Ziff. 2 des Entscheids vom 4. Juli 2000, welcher den Einspracheentscheid vom 19. Juni 1998 aufhebt, «soweit damit das Vorliegen eines prozessualen Revisionsgrundes materiell geprüft wurde». Konkret geht es darum, ob die formellen Voraussetzungen für ein prozessual revisionsweises Rückkommen auf die rechtskräftigen Verfügungen vom 7. Juli und 5. August 1982 betreffend die (fehlende) Unfallkausalität der Rückenbeschwerden gegeben sind. Diese Frage beschlägt die Eintretensvoraussetzungen des Verfügungsverfahrens und ist daher, da Anfechtungsgegenstand des erstinstanzlichen Beschwerdeverfahrens allein der Einspracheentscheid ist (Art. 106 Abs. 1 UVG; BGE 120 V 493 Erw. 2c und RKUV 1991 Nr. U 120 S. 94), ebenso wie die formellen Gültigkeitserfordernisse in Bezug auf das Einspracheverfahren als solches (RKUV 2000 Nr. U 371 S. 108 Erw. 2a mit Hinweisen), im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren von Amtes wegen zu prüfen. Dass die SUVA keine Nichteintretensverfügung erlassen hatte, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. 
 
2.- Die Vorinstanz ist nach einlässlicher Würdigung der Akten zum Ergebnis gelangt, dass innerhalb der massgebenden Frist von zehn Jahren seit Eröffnung der Verfügungen vom 7. Juli und 5. August 1982 kein (formgültiges) Revisionsgesuch gestellt worden sei (vgl. Art. 67 Abs. 1 VwVG und RKUV 1994 Nr. U 191 S. 145). Das Schreiben vom 19. April 1992, womit die Rechtsvertreterin des Versicherten die SUVA ersuchte, die Rentenverfügung vom 5. August 1982 zu ersetzen und eine 100 %ige Rente zuzusprechen, könne auch nicht sinngemäss als ein solches Begehren verstanden werden, weil darin keine revisionsbegründenden Tatsachen geltend gemacht, geschweige denn nachgewiesen würden. Dass ebenfalls ein Hinweis auf die Rechtzeitigkeit fehle, lasse zudem darauf schliessen, dass diese Eingabe seitens des Beschwerdeführers gar nicht als Gesuch um prozessuale Revision verstanden worden sei. Diese Annahme dränge sich auch deshalb auf, weil er auf das Antwortschreiben vom 4. Juni 1992, in welchem lediglich von den Unfallfolgen die Rede gewesen sei, nicht reagiert habe. 
Die Argumente des kantonalen Gerichts überzeugen. Entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nicht die Rede davon sein, die SUVA habe das Schreiben vom 19. April 1992, um welches es hier einzig gehen kann, immer als rechtsgenügliches und verständliches prozessuales Revisionsgesuch betrachtet. In ihrer Antwort vom 4. Juni 1992 verneinte der Unfallversicherer den Anspruch auf weitere zusätzliche Leistungen, da sich die Unfallfolgen nicht verschlimmert hätten und deren Behandlung nicht mehr notwendig sei. Abgesehen davon sei es ihm von Gesetzes wegen (Art. 80 KUVG) ohnehin verwehrt, die Rente in der «revisionslosen Zeit» zu ändern. Diese im Übrigen unerwidert gebliebenen Feststellungen belegen klar, dass das Rentenerhöhungsgesuch tatsächlich im Sinne einer materiellen Revision der Verfügung vom 5. August 1982 verstanden wurde und auch so interpretiert werden durfte. Was sodann den Vorhalt anbelangt, die SUVA habe sich auf die Frage der mit Verfügung vom 7. Juli 1982 verneinten Unfallkausalität der Rückenbeschwerden materiell eingelassen und müsse sich dies sinngemäss entgegen halten lassen, trifft dies allenfalls für die Zeit nach der Eingabe des Dr. med. G.________ vom 6. Juni 1996 zu, als die absolute 10jährige Verwirkungsfrist längstens abgelaufen war. Schliesslich lässt sich auch daraus, dass die SUVA erst im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens die Frage eines rechtzeitigen (formgültigen) Revisionsgesuchs aufwarf (und verneinte) und dementsprechend ihre Begründung des Antrags auf Abweisung des Rechtsmittels änderte, nichts zu Gunsten des Beschwerdeführers ableiten. Dies vermag unter den gegebenen Umständen, insbesondere aufgrund der klaren Rechtsprechung zur Befristung der prozessualen Revision von rechtskräftigen Verwaltungsverfügungen (RKUV 1994 Nr. U 191 S. 145) so wenig wie die Tatsache, dass die Anstalt (zu Unrecht) die materiellen Voraussetzungen für eine prozessuale Revision der Verfügungen vom 7. Juli und 5. August 1982 in Bezug auf die Unfallkausalität des Rückenleidens prüfte, den Mangel eines fehlenden formgültigen Gesuchs zu beheben. 
 
3.- Zur Frage der Rentenerhöhung zufolge Verschlimmerung der Unfallfolgen (Knie- und Hüftleiden links) werden in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde keine Ausführungen gemacht. Ob darin ein Formmangel (vgl. Art. 108 OG) zu erblicken ist und insoweit auf das Rechtsmittel nicht einzutreten ist, oder ob dies in dem Sinne zu verstehen ist, dass Dispositiv-Ziff. 1 des kantonalen Entscheids nicht als angefochten zu gelten hat und insoweit in formelle Rechtskraft erwachsen ist, braucht nicht näher geprüft zu werden. In jedem Fall bleibt es in Bezug auf die Frage der materiell revisionsweisen Erhöhung der Invalidenrente beim Abweisungsentscheid. 
 
4.- Dem Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung kann nicht entsprochen werden, da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als aussichtslos im Sinne von Art. 152 Abs. 1 OG bezeichnet werden muss. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, so- 
weit darauf einzutreten ist. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird ab- 
gewiesen. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungs- 
gericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrecht- 
liche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversi- 
cherung zugestellt. 
Luzern, 29. November 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
 
 
 
Der Gerichtsschreiber: