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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_940/2010 
 
Urteil vom 1. Februar 2011 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys, 
Gerichtsschreiberin Unseld. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Ulrich Ziswiler, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern, 
2. A.________, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Mehrfache sexuelle Handlungen mit einem Kind (Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB); willkürliche Beweiswürdigung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 18. Mai 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern sprach X.________ am 8. Mai 2009 der mehrfachen sexuellen Handlungen mit einem Kind (Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je Fr. 80.-- sowie zur Bezahlung von Fr. 1'000.-- Genugtuung an A.________. 
Auf Appellation von X.________ hin bestätigte das Obergericht des Kantons Luzern am 18. Mai 2010 das erstinstanzliche Urteil. 
 
B. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil vom 18. Mai 2010 aufzuheben und die Sache zur Abnahme der erforderlichen Beweise an die Erstinstanz zurückzuweisen. Er stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
C. 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Vorinstanz hält für erwiesen, dass der Beschwerdeführer seine Nichte A.________ kurz nach dem 30. April 2002, ihrem 15. Geburtstag, in seiner Wohnung aufforderte, die gleichentags als Geburtstagsgeschenk gemeinsam gekaufte Unterwäsche anzuziehen und sich nur in dieser bekleidet im Wohnzimmer auf das Sofa zu legen. Dort berührte er sie unter der Wäsche an den Brüsten und an der Scheide und legte sich nachher nackt auf sie. Er hörte mit den Berührungen auf, als sie ihn aufforderte, sie ihn Ruhe zu lassen. Weiter rieb er sie in der Zeit von ca. 2000 bis am 14. Mai 2002 fünf- bis sechsmal mit der Hand gezielt über den Kleidern am Genitalbereich, als sie bei Familienfeiern oder anderen Anlässen auf seinem Schoss sass (angefochtenes Urteil S. 12). 
 
2. 
Der Beschwerdeführer rügt Willkür bei der Beweiswürdigung. Er bestätigte, A.________ zu ihrem 15. Geburtstag "sexy" Unterwäsche gekauft zu haben. Er bestreitet jedoch, dass es zwischen ihm und seiner Nichte jemals zu sexuellen Handlungen gekommen sei. 
 
2.1 Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann im Verfahren vor dem Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie willkürlich (Art. 9 BV) ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 134 IV 36 E. 1.4.1). Willkür bei der Beweiswürdigung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, genügt nicht (BGE 134 I 140 E. 5.4 mit Hinweisen). Die Rüge der Willkür muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht und begründet werden, ansonsten darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.2). 
 
2.2 Ein Anspruch der Parteien, mit ihren Beweisanträgen und Vorbringen gehört zu werden, besteht nur, soweit diese erhebliche Tatsachen betreffen und nicht offensichtlich beweisuntauglich sind. Ein Verzicht auf die Abnahme von weiteren Beweisen ist zulässig, wenn sich das Gericht aufgrund der bereits erhobenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass die abgelehnten Beweisanträge nichts an seiner Überzeugung zu ändern vermögen (BGE 134 I 140 E. 5.3; 131 I 153 E. 3). 
2.3 
2.3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe die Einvernahme von verschiedenen Personen verlangt, die Angaben zu Geschehensabläufen bei Familienfeiern oder anderen Anlässen hätten machen können, anlässlich welcher er sich angeblich strafbar gemacht haben soll. Die Vorinstanz habe seine Beweisanträge zu Unrecht abgewiesen (Beschwerde Ziff. 2a S. 3). 
2.3.2 Das Obergericht legt willkürfrei dar, weshalb auf die Einvernahme der angerufenen Zeugen verzichtet werden kann. Es führt dazu aus, die mittels der Zeugeneinvernahmen zu beweisenden Tatsachen seien teilweise nicht bestritten (namentlich die Eifersucht von A.________ und der Umstand, dass sich diese bei Familienfesten auf den Schoss des Beschwerdeführers setzte) oder würden nichts am Beweisergebnis ändern (so der Einwand des Beschwerdeführers, A.________ habe die sexuellen Handlungen nie gegenüber seiner Lebensgefährtin erwähnt). Im Übrigen sei es nicht möglich, an einem Familienfest alle anwesenden Personen stets unter Beobachtung zu halten. Nicht ausgeschlossen sei, dass der Beschwerdeführer die auf seinem Schoss sitzende A.________ im Schambereich berührt habe, ohne dass die anderen Personen darauf aufmerksam geworden seien (angefochtenes Urteil S. 5 f.). 
2.3.3 Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, weshalb der vorinstanzliche Entscheid unhaltbar sein soll. Sein nicht näher erläuterter Hinweis, die anwesenden Personen hätten wichtige Angaben zum Vorgefallenen, zu Gesprächsinhalten sowie weiteren Abläufen und Umständen machen können, genügt für die Begründung von Willkür nicht. Auf die Rüge ist daher nicht weiter einzutreten. 
 
2.4 Der Beschwerdeführer wendet ein, die Einvernahme seiner Lebensgefährtin sei zu Unrecht nicht erfolgt. Diese hätte bestätigen können, dass sie sich zum massgeblichen Zeitpunkt am Samstagmorgen nach der Schule jeweils zu ihm begeben habe und folglich A.________ dort hätte antreffen müssen, wenn deren Aussagen stimmen würden (Beschwerde S. 6). Den Akten kann nicht entnommen werden, dass der Beschwerdeführer dieses Argument im kantonalen Verfahren einbrachte. Dies wird in der Beschwerde auch nicht geltend gemacht. Auf die Rüge ist daher nicht einzutreten (Art. 99 Abs. 1 BGG). 
2.5 
2.5.1 Der Beschwerdeführer beanstandet, die Aussagen von A.________ seien widersprüchlich und nicht glaubhaft (Beschwerde S. 4 ff.). Die Vorinstanz setzt sich mit deren Schilderung des Tatgeschehens auseinander und kommt zum Schluss, diesen sei Glaube zu schenken. Sie erwägt im Wesentlichen, nicht ausschlaggebend sei, ob A.________ die Unterwäsche im Wohnzimmer oder im Badezimmer angezogen habe (E. 3.2.4 S. 8). Die teilweise inkonstanten Aussagen seien von untergeordneter Bedeutung und liessen auf Erlebnisbasiertheit schliessen. Weiter habe sie auch Erinnerungslücken eingestanden. Für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen sprächen überdies die Gefühlsäusserungen sowie die Interaktionsschilderungen und die Wiedergabe der Gespräche. Auffallend seien die vielen Detailangaben. Die Geschehnisse betreffend Unterwäschekauf seien kontextuell in das Umfeld des 15. Geburtstags eingebettet und damit gleichzeitig auch klar von den Missbräuchen durch den Vater abgegrenzt. Auch habe sie - im Gegensatz zum Beschwerdeführer - nicht versucht, diesen in ein besonders negatives und sich selbst in ein umso positiveres Licht zu rücken. Indem sie von einem "Vater-Ersatz" spreche und zugebe, sich nicht gewehrt zu haben, finde auch eine gewisse Selbstbelastung statt. Zudem entlaste und verschone sie den Beschwerdeführer, indem sie ihm nicht noch mehr und Schlimmeres vorwerfe. Schliesslich habe sie nicht selbst mit den Belastungen begonnen, sondern erst als sie im Rahmen des Strafverfahrens gegen ihren Vater darauf angesprochen worden sei. Motive, weshalb sie den Beschwerdeführer wahrheitswidrig sexueller Übergriffe bezichtigen sollte, seien nicht erkennbar. Die Missbrauchsvorwürfe gegen ihren Vater seien durch ein Geständnis im Grundsatz bestätigt worden (angefochtenes Urteil S. 9 f.). Der Beschwerdeführer habe sich demgegenüber in Widersprüchen verstrickt, insbesondere was die Zeit nach dem Unterwäscheeinkauf anbelange (angefochtenes Urteil S. 11 f.). 
2.5.2 Die vom Beschwerdeführer angerufenen Gründe, weshalb die Aussagen von A.________ nicht glaubhaft sein sollen, lassen die vorinstanzliche Würdigung nicht willkürlich erscheinen. Offensichtliche Widersprüche, welche bei der Vorinstanz klarerweise Zweifel an der Richtigkeit ihrer Schilderungen hätten hervorrufen müssen, sind entgegen den Einwänden des Beschwerdeführers nicht auszumachen. Diesbezüglich kann auf die willkürfreien Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden. Auch der Umstand, dass A.________ am 28. Februar 2007 aussagte, sie habe sicher schon zwei Jahre keinen Kontakt mehr zum Beschwerdeführer gehabt, dies obschon er angeblich mit weiteren Personen anlässlich der Feier ihres 18. und 19. Geburtstags (um den 30. April 2005 bzw. 2006) bei ihrer Mutter bzw. Schwester anwesend war (Beschwerde S. 4 f.), ist nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit infrage zu stellen. 
 
2.6 Nichts am Beweisergebnis zu ändern vermögen der Umstand, dass das Opfer im Alter von 13 bis 15 Jahren einen Freund hatte, der sich wegen Drogendelikten strafbar gemacht haben soll, und die vom Beschwerdeführer angetönte psychotherapeutische Behandlung des Opfers im Alter von 15 bzw. 16 Jahren. Auf die vom Beschwerdeführer beantragte Befragung seiner Mutter zu diesen Vorkommnissen (Beschwerde S. 7) durfte die Vorinstanz daher ohne Willkür verzichten. 
 
3. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 1. Februar 2011 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Schneider Unseld