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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1C_208/2011 
 
Urteil vom 1. Februar 2012 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
1. Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
2. B.________, 
3. C.________, 
4. D.________, 
5. E.________, 
6. F.________, 
7. G.________, 
8. H.________, 
9. I.________, 
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt 
Urs Schaffhauser, 
 
gegen 
 
Dienststelle Soziales und Gesellschaft des Kantons Luzern, Opferhilfe, Rösslimattstrasse 37, 
Postfach 3439, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
Opferhilfe, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 18. März 2011 
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
J.________ arbeitete auf einer Baustelle in Luzern. Am 6. Oktober 2005 stürzte er rücklings aus einem für die Zeit des Umbaus am Baugerüst montierten Lift aus einer Höhe von rund 17 m in die Tiefe. Er verstarb wenige Stunden danach. 
Am 5. Oktober 2007 stellten seine Eltern und sieben Geschwister ein Gesuch um Entschädigung und Genugtuung nach dem Opferhilfegesetz. 
Am 7. Dezember 2009 wies die Dienststelle Soziales und Gesellschaft des Kantons Luzern (DISG), Abteilung Opferhilfe, das Gesuch ab. 
Die von den Eltern und Geschwistern des Verstorbenen dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern (Abgaberechtliche Abteilung) am 18. März 2011 ab. 
 
B. 
Die Eltern und Geschwister führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben; den Beschwerdeführern seien angemessene Entschädigungs- und Genugtuungszahlungen nach dem Opferhilfegesetz zuzusprechen; eventuell sei die Sache zu weiteren Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
C. 
Das Verwaltungsgericht und die DISG haben sich je vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen. 
Das Bundesamt für Justiz hat auf eine Stellungnahme verzichtet. 
Die Beschwerdeführer haben eine Replik eingereicht. Sie halten an ihren Anträgen fest. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 82 lit. a BGG die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegeben. 
Ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG besteht nicht. 
Die Vorinstanz hat als oberes Gericht kantonal letztinstanzlich entschieden. Die Beschwerde ist somit nach Art. 86 Abs. 1 lit. d i.V.m. Abs. 2 BGG zulässig. 
Die Beschwerdeführer sind gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt. 
Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist - unter Vorbehalt der folgenden Erwägungen - einzutreten. 
 
2. 
Am 1. Januar 2009 ist das neue Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG; SR 312.5) in Kraft getreten. Gemäss Art. 48 lit. a OHG gilt das bisherige Recht für Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung für Straftaten, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes verübt worden sind. Im vorliegenden Fall ist somit - unstreitig - das alte Opferhilfegesetz vom 4. Oktober 1991 anwendbar. 
 
3. 
3.1 Die Vorinstanz verneint die Opferstellung der Beschwerdeführer. 
 
3.2 Gemäss Art. 1 aOHG soll mit diesem Gesetz den Opfern von Straftaten wirksame Hilfe geleistet und ihre Rechtsstellung verbessert werden (Abs. 1). Die Hilfe umfasst unter anderem Entschädigung und Genugtuung (Abs. 2 lit. c). 
Nach Art. 2 aOHG erhält Hilfe nach diesem Gesetz jede Person, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist (Opfer), und zwar unabhängig davon, ob der Täter ermittelt worden ist und ob er sich schuldhaft verhalten hat (Abs. 1). Insbesondere die Eltern des Opfers sowie andere Personen, die ihm in ähnlicher Weise nahe stehen, werden ihm gleichgestellt unter anderem bei der Geltendmachung von Entschädigung und Genugtuung (Art. 11-17), soweit ihnen Zivilansprüche gegenüber dem Täter zustehen (Abs. 2 lit. c). 
 
3.3 Am 9. Juli 2008 sprach das Amtsgericht Luzern-Stadt den Ersteller und Eigentümer des Baulifts, K.________, vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung gemäss Art. 117 StGB frei. Es befand ihn schuldig der fahrlässigen Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde gemäss Art. 229 Abs. 2 StGB und bestrafte ihn mit gemeinnütziger Arbeit von 40 Stunden, bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren, und Fr. 500.-- Busse. Da niemand eine Begründung dieses Urteils verlangte, erwuchs es in Rechtskraft. 
3.4 
3.4.1 Die Vorinstanz lässt offen, ob sie in Bezug auf die rechtliche Würdigung an das Strafurteil gebunden sei. Sie prüft die Voraussetzungen der fahrlässigen Tötung nach Art. 117 StGB und kommt zum Schluss, dieser Tatbestand sei nicht erfüllt. Damit fehle es insoweit an der Opferstellung nach Art. 2 aOHG. 
Die Beschwerdeführer wenden ein, die Verneinung der fahrlässigen Tötung verletze Bundesrecht. 
3.4.2 Die Beschwerdeführer waren im Strafverfahren Privatkläger. Sie haben den amtsgerichtlichen Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung nicht angefochten. Man kann sich damit fragen, ob es nicht ein widersprüchliches Verhalten darstellt, wenn sie heute geltend machen, der Tatbestand sei erfüllt. Wie es sich damit verhält, kann dahingestellt bleiben, da das Vorbringen aus den folgenden Erwägungen jedenfalls unbegründet wäre. 
3.4.3 Nach der Rechtsprechung ist die Opferhilfebehörde an die rechtliche Beurteilung des Strafgerichts gebunden, wenn diese sehr stark von der Würdigung von Tatsachen abhängt, die es besser kennt (BGE 124 II 103 E. 1c/bb S. 106 f.; Urteil 1C_45/2007 vom 30. November 2007 E. 4.3, nicht publ. in BGE 134 II 33; je mit Hinweisen). 
Ob eine solche Bindung hier besteht, kann offenbleiben. Der angefochtene Entscheid verletzte auch dann kein Bundesrecht, wenn man sie verneinen wollte. 
3.4.4 Gemäss Art. 117 StGB ist strafbar, wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht. 
Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder ein Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB, weitgehend entsprechend aArt. 18 Abs. 3 StGB). 
Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung oder Körperverletzung setzt somit voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat. Sorgfaltswidrig ist ein Verhalten, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Tat aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit bewirkte Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müssen und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat. Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften. Dies schliesst nicht aus, dass der Vorwurf der Fahrlässigkeit auch auf allgemeine Rechtsgrundsätze wie etwa den allgemeinen Gefahrensatz gestützt werden kann. Die Vorsicht, zu der ein Täter verpflichtet ist, wird letztlich durch die konkreten Umstände und seine persönlichen Verhältnisse bestimmt, weil naturgemäss nicht alle tatsächlichen Gegebenheiten in Vorschriften gefasst werden können. 
Grundvoraussetzung für das Bestehen einer Sorgfaltspflichtverletzung und mithin für die Fahrlässigkeitshaftung bildet die Vorhersehbarkeit des Erfolgs. Die zum Erfolg führenden Geschehensabläufe müssen für den konkreten Täter mindestens in seinen wesentlichen Zügen voraussehbar sein. Zunächst ist daher zu fragen, ob der Täter eine Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte voraussehen beziehungsweise erkennen können und müssen. Für die Beantwortung dieser Frage gilt der Massstab der Adäquanz. Danach muss das Verhalten geeignet sein, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen. 
Damit der Eintritt des Erfolgs auf das pflichtwidrige Verhalten des Täters zurückzuführen ist, genügt seine Voraussehbarkeit nicht. Weitere Voraussetzung ist, dass der Erfolg auch vermeidbar war. Dabei wird ein hypothetischer Kausalverlauf untersucht und geprüft, ob der Erfolg bei pflichtgemässem Verhalten des Täters ausgeblieben wäre. Für die Zurechnung des Erfolgs genügt, wenn das Verhalten des Täters mindestens mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit die Ursache des Erfolgs bildete. 
Ob eine Handlung im Sinne der Adäquanztheorie nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen oder zu begünstigen, muss ex ante, d.h. vom Zeitpunkt des Handelns aus, entschieden werden; denn die nachträgliche (bessere) Kenntnis der Zusammenhänge kann nicht darüber entscheiden, ob eine Handlung im Zeitpunkt ihrer Vornahme erlaubt oder verboten war. Demgegenüber ist die für die Erfolgszurechnung ebenfalls wesentliche Frage, aus welcher Gefahr der Erfolg hervorgegangen ist, ob sich mithin im Erfolg gerade die vom Täter geschaffene Gefahr verwirklicht hat, unter Auswertung aller ex post bekannten Umstände zu beantworten. Der Erfolg ist dem Täter zuzurechnen, wenn dessen Verhalten mindestens mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Ursache des Erfolgs bildete (BGE 135 IV 56 E. 2.1 S. 64 f. mit Hinweisen). 
3.4.5 Die Vorinstanz führt aus, über den Unfall habe A. Gasser, Professor für technische Mechanik an der HTI Biel, am 12. Januar 2006 ein Gutachten erstattet. Der Gutachter habe verschiedene Mängel am Baulift festgestellt (z.B. eine Instabilität des Fahrkorbs in der obersten Position). Aufgrund des Gutachtens stehe fest, dass K.________ den Baulift vorschriftswidrig aufgebaut und in mangelhaftem Zustand betrieben habe. 
Zwar habe der Gutachter auf die Frage, ob der Unfall gänzlich oder teilweise auf eine nicht vorschriftsmässige Montage des Baulifts zurückzuführen sei, geantwortet: "Ja, zu einem grossen Teil". Er habe dann aber ergänzt, dass der Unfall teilweise auf andere Gründe, wie ein zu wenig sicherheits- und gefahrenbewusstes Arbeiten des Personals oder eine nicht sicherheitskonforme Verriegelung der Frontwand, zurückzuführen sei. Die Vorinstanz legt weiter dar, im Strafverfahren habe nicht ermittelt werden können, was der Verstorbene genau gemacht habe, nachdem sein Bruder den Lift verlassen habe. Die auf dem Baulift geladenen Gipsplatten seien erst in einem Zeitpunkt gekippt, als der Bruder des Verstorbenen den Liftkorb verlassen und sich 4 bis 5 Meter vom Lift entfernt habe. Zu beachten sei auch die Art und Weise der Beladung - namentlich das zu steile Aufstellen der Gipsplatten - und ihre Auswirkung auf den Neigungswinkel des Liftkorbbodens. Ob die zum Erfolg führenden Geschehensabläufe für den konkreten Täter mindestens in den wesentlichen Zügen voraussehbar gewesen seien, sei vor diesem Hintergrund nicht erstellt. 
Ob der Sturz bei pflichtgemässem Verhalten von K.________ ausgeblieben wäre, könne ebenfalls nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit gesagt werden. Denn den übrigen Ursachen des Unfalls, insbesondere der Frage der Verriegelung der Frontklappe, komme ein grosses Gewicht zu. So erwiesen sich weitere Szenarien, wie sich der Unfall ereignet haben könnte, als ebenso wahrscheinlich. Solche weiteren möglichen Verläufe lege die Haftpflichtversicherung von K.________ in ihrem Schreiben vom 16. April 2009 dar. Damit setzten sich die Beschwerdeführer nicht auseinander. In Anbetracht der weiteren möglichen Ursachen des Unfalls und der Unklarheit darüber, was genau passiert sei, nachdem der Bruder des Verstorbenen den Liftkorb verlassen habe, bilde das Fehlverhalten von K.________ nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit die Ursache des Todes. 
3.4.6 Mit diesen Erwägungen setzen sich die Beschwerdeführer nicht substantiiert auseinander. 
Die Haftpflichtversicherung führt im Schreiben vom 16. April 2009 aus, Hauptursache für den Unfall müsse das zu steile Aufstellen der auf dem Baulift geladenen Gipsplatten gewesen sein. Deshalb seien die Platten gekippt, nicht wegen der Neigung des Liftbodens. Die Arbeiter hätten die Platten sodann nicht gegen ein Umfallen gesichert, wozu sie verpflichtet gewesen wären. Wäre die Neigung des Liftbodens für das Kippen der Platten ursächlich gewesen, hätten diese schon früher kippen müssen, da sich während der Fahrt noch zwei zusätzliche Personen im Lift befunden hätten, was die Neigung der Plattform vergrössert habe. Diese Umstände liessen nur den Schluss zu, dass der Verstorbene eine unglückliche Handlung vorgenommen habe, welche zum Kippen der Platten und deshalb zu seinem Sturz geführt habe. Möglich sei insbesondere folgendes Szenario: Um in der engen Hebebühne genug Platz zu haben, habe der Verunfallte die frontseitige Seitenwand des Lifts geöffnet und diese in die Ketten fallen lassen. Durch den heftigen Ruck seien die Platten in Bewegung geraten und in Richtung des Verunfallten gefallen. Dieses Szenario werde durch die Aussagen einer Auskunftsperson gestützt. Diese habe einen lauten Knall gehört, bevor der Verunfallte aus dem Lift gestürzt sei. Der Knall habe durch das Fallen der Frontklappe in die Ketten verursacht werden können. 
Aufgrund dieser Ausführungen - auf welche die Beschwerdeführer auch in der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht eingehen - hält es vor Bundesrecht stand, wenn die Vorinstanz zum Schluss gekommen ist, es könne nicht gesagt werden, dass der Sturz bei vorschriftsgemässem Verhalten von K.________ mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeblieben wäre. Steht demnach nicht hinreichend fest, dass sich im Sturz die von K.________ geschaffene Gefahr verwirklicht hat, scheidet die Annahme einer fahrlässigen Tötung nach der dargelegten Rechtsprechung aus. 
3.4.7 Soweit die Beschwerdeführer eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts (Art. 97 Abs. 1 BGG) durch die Vorinstanz rügen, beschränken sie sich auf appellatorische Kritik. Darauf ist nicht einzutreten (vgl. BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.; je mit Hinweisen). 
3.4.8 Der Einwand der Beschwerdeführer, im Opferhilferecht seien geringere Anforderungen an den Nachweis einer Straftat zu stellen als im Strafrecht, ist im vorliegenden Zusammenhang - wo es um Entschädigung und Genugtuung geht - unbegründet. 
Nach der Rechtsprechung, auf die zurückzukommen kein Anlass besteht, sind die Anforderungen an den Nachweis einer die Opferstellung begründenden Straftat je nach dem Zeitpunkt sowie nach Art und Umfang der beanspruchten Hilfe unterschiedlich hoch. Für die Wahrnehmung der Rechte des Opfers im Strafverfahren nach Art. 5 ff. aOHG genügt es, dass eine die Opferstellung begründende Straftat in Betracht fällt. Gleiches gilt für die Soforthilfe nach Art. 3 aOHG. Damit diese ihren Zweck erfüllen kann, muss sie rasch gewährt werden, bevor endgültig feststeht, ob ein tatbestandmässiges und rechtswidriges Verhalten des Täters vorliegt. Die Zusprechung einer Genugtuung oder einer Entschädigung gemäss Art. 11 ff. aOHG setzt demgegenüber den Nachweis der Opferstellung und damit auch einer tatbestandsmässigen und rechtswidrigen Straftat voraus (BGE 125 II 265 E. 2c/aa S. 270 mit Hinweisen). 
3.4.9 Ist der Tatbestand der fahrlässigen Tötung nach dem Gesagten nicht gegeben, fehlt es insoweit an einer Straftat und damit an einer Opferstellung nach Art. 2 aOHG. 
Die Beschwerde ist im vorliegenden Punkt unbegründet. 
3.5 
3.5.1 Zum Tatbestand der fahrlässigen Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde nach Art. 229 Abs. 2 StGB erwägt die Vorinstanz, dadurch sei der Verstorbene nicht unmittelbar in seiner körperlichen Integrität und sein Bruder ebenso wenig unmittelbar in dessen psychischen Integrität beeinträchtigt worden. Auch insoweit fehle es daher an der Opferstellung gemäss Art. 2 aOHG. 
3.5.2 Gemäss Art. 2 Abs. 1 aOHG setzt die Opfereigenschaft die unmittelbare Beeinträchtigung in der körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität voraus. Auch fahrlässige Straftaten mit den entsprechenden Folgen, z.B. die fahrlässige Körperverletzung (Art. 125 StGB), fallen in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Opfer im Sinne des Opferhilfegesetzes ist somit beispielsweise auch, wer bei einem Strassenverkehrsunfall durch einen andern Verkehrsteilnehmer verletzt worden ist. Der Anwendungsbereich des aOHG ist damit weit. Er wird aber durch das Erfordernis der unmittelbaren Beeinträchtigung der körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität durch die Straftat eingeschränkt. Erforderlich ist zudem, dass die Beeinträchtigung der genannten Art tatsächlich eingetreten ist; eine blosse diesbezügliche Gefahr genügt demnach nicht. Wie in der Botschaft vom 25. April 1990 zum alten Opferhilfegesetz ausgeführt wird, "dürften Gefährdungsdelikte in der Regel aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausgeschlossen sein, beinhalten sie doch schon ihrer Definition nach keine unmittelbare Beeinträchtigung eines Rechtsgutes". Der bei einem Verkehrsunfall Verletzte ist allein in Bezug auf die vom andern Verkehrsteilnehmer begangene Straftat der fahrlässigen Körperverletzung Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 aOHG, nicht auch hinsichtlich der vom andern begangenen Straftaten der Verletzung von Verkehrsregeln oder des Fahrens in angetrunkenem Zustand. Die letztgenannten Straftaten beeinträchtigen nicht im Sinne von Art. 2 Abs. 1 aOHG "unmittelbar" die körperliche Integrität (BGE 122 IV 71 E. 3a S. 76 f. mit Hinweisen, bestätigt in BGE 129 IV 95 E. 3.1 S. 98 f.). 
Dass ein Gefährdungsdelikt mangels unmittelbarer Beeinträchtigung der körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität grundsätzlich keine Opferstellung begründet, entspricht auch der Auffassung des Schrifttums (PETER GOMM/DOMINIK ZEHNTNER, Kommentar zum Opferhilfegesetz, 3. Aufl., 2009, N. 9 zu [dem in Bezug auf den Opferbegriff mit Art. 2 Abs. 1 aOHG übereinstimmenden] Art. 1 OHG; EVA WEISHAUPT, Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Opferhilfegesetzes, 1998, S. 36 f.). Anders kann es sich ausnahmsweise verhalten, wenn die Gefährdung eine unmittelbare Beeinträchtigung in der vom Tatbestand (mit-)geschützten psychischen Integrität bewirkt; so etwa bei der Verursachung eines schweren Schocks durch eine Lebensgefährdung gemäss Art. 129 StGB (WEISHAUPT, a.a.O. mit Hinweisen; Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 19. Mai 2003, in: BJM 2003 S. 284 ff.). 
3.5.3 Wer vorsätzlich bei der Leitung oder Ausführung eines Bauwerks oder eines Abbruchs die anerkannten Regeln der Baukunde ausser Acht lässt und dadurch wissentlich Leib und Leben von Mitmenschen gefährdet, wird gemäss Art. 229 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Mit Freiheitsstrafe ist eine Geldstrafe zu verbinden (Abs. 1). Lässt der Täter die anerkannten Regeln der Baukunde fahrlässig ausser Acht, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (Abs. 2). 
Art. 229 StGB stellt ein Gefährdungsdelikt dar. Dadurch wurde der Verstorbene nicht unmittelbar in seiner körperlichen Integrität beeinträchtigt. Eine blosse Gefährdung führt definitionsgemäss nicht zu einer solchen Beeinträchtigung. Damit fehlt es auch insoweit an einer Opferstellung nach Art. 2 aOHG. 
Ebenso wenig wurde der Bruder des Verstorbenen durch die Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde gemäss Art. 229 Abs. 2 StGB unmittelbar in seiner psychischen Integrität beeinträchtigt. Eine vergleichbare Situation wie dort, wo jemand aufgrund einer Gefährdung des Lebens nach Art. 129 StGB einen schweren Schock erleidet, besteht hier nicht. Der Bruder des Verstorbenen wurde psychisch beeinträchtigt, weil er den Sturz miterleben musste. Dieser kann K.________ nach dem Gesagten strafrechtlich aber nicht angelastet werden, da eine fahrlässig Tötung gemäss Art. 117 StGB zu verneinen ist. 
Es verhält sich hier wie in dem in der Rechtsprechung erwähnten Fall aus dem Strassenverkehrsrecht. So wenig wie dort die Verletzung von Verkehrsregeln oder das Fahren in angetrunkenem Zustand die Opferstellung zu begründen vermag, da diese Straftaten die Integrität nicht unmittelbar beeinträchtigen, genügt dafür die Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde. Ob die Gefährdung sich auf den Strassenraum oder auf den Raum einer Baustelle bezieht, kann insoweit keinen Unterschied machen. Lediglich ein Verletzungsdelikt wie die fahrlässige Körperverletzung oder Tötung begründet die Opferstellung. Daran fehlt es hier. 
3.5.4 Der angefochtene Entscheid verletzt somit auch im vorliegenden Punkt kein Bundesrecht. 
 
4. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Da sie aussichtslos war, kann das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 64 BGG nicht bewilligt werden. Kosten sind jedoch keine zu erheben (Art. 30 OHG; BGE 122 II 211 E. 4b S. 219). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Dienststelle Soziales und Gesellschaft des Kantons Luzern, Opferhilfe, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern und dem Bundesamt für Justiz, Direktionsbereich Öffentliches Recht, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 1. Februar 2012 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri