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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_742/2011 
 
Urteil vom 1. März 2012 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiberin Koch. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Gerd H. Jelenik, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Grobe Verletzung von Verkehrsregeln, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 23. September 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ fuhr am 8. Juli 2008 innerorts auf der Bucheggstrasse in Zürich 83 km/h statt der signalisierten 50 km/h. Nach Abzug der Messtoleranz verbleibt eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 28 km/h. 
 
B. 
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte X.________ am 22. Februar 2011 wegen grober Verkehrsregelnverletzung zu einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 300.-- und zu einer Busse von Fr. 800.--. Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 23. September 2011 die Berufung von X.________ ab und bestätigte das erstinstanzliche Urteil. 
 
C. 
Gegen das Urteil des Obergerichts erhebt X.________ Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt sinngemäss, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der groben Verkehrsregelnverletzung freizusprechen. Eventualiter sei er lediglich wegen leichter Verkehrsregelnverletzung zu verurteilen. Die Geldstrafe sei aufzuheben, und die Busse sei herabzusetzen. Die Verfahrenskosten seien dem Staat aufzuerlegen. Es sei ihm eine Parteientschädigung von Fr. 10'000.-- zuzusprechen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Soweit der Beschwerdeführer von den vorinstanzlich festgestellten Tatsachen abweicht und diese ergänzt (z.B. Beschwerde S. 4 f. zur optischen Ausgestaltung der Bucheggstrasse, zur Geschwindigkeitsbegrenzung nach der Messstelle und zur andernorts in Zürich erlaubten Geschwindigkeit), ohne die Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung substanziiert zu begründen, ist auf seine Beschwerde nicht einzutreten (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 I 65 E. 1.3.1 S. 68 f. mit Hinweisen). 
 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer beruft sich auf einen Sachverhaltsirrtum in Bezug auf die zulässige Geschwindigkeit. Aufgrund der örtlichen Verhältnisse und des Ausbaustandards sei er von einer "Stadtautobahn" ausgegangen. Die Strasse führe zum Flughafen, wobei kurz nach dem Messpunkt eine Geschwindigkeit von 80 km/h erlaubt sei. Die Begrenzung auf 50 km/h habe er nicht wahrgenommen. 
 
2.2 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat (Art. 13 Abs. 1 StGB). Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist (Art. 13 Abs. 2 StGB). Auch die fahrlässige Geschwindigkeitsübertretung ist strafbar (Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 100 Ziff. 1 SVG und Art. 27 Abs. 1 SVG). 
 
2.3 Nach den unangefochtenen vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen gelangte der Beschwerdeführer bei der Einmündung der Röschibachstrasse auf die Rosengarten- und anschliessend die Bucheggstrasse (angefochtenes Urteil S. 9 mit Verweis auf das erstinstanzliche Urteil S. 6). Zwischen dieser Kreuzung und dem Messpunkt war die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h mit mehreren Verkehrsschildern signalisiert. Der Innerortscharakter ergibt sich überdies aus den örtlichen Verhältnissen. Es handelt sich um ein dicht besiedeltes Wohngebiet mit einem Schulhaus und mehreren Verkaufsgeschäften. Die Strasse ist nicht durch bauliche Massnahmen wie z.B. Leitplanken, sondern lediglich durch eine Sicherheitslinie richtungsgetrennt. Sie wird rechts und links von Trottoirs gesäumt. Schliesslich ist auch eine Trolleybusspur mit entsprechenden Strassenmarkierungen und Fahrleitungen vorhanden (angefochtenes Urteil S. 9 f. mit Verweis auf das erstinstanzliche Urteil S. 6 f.). Die Vorinstanz geht daher davon aus, beim vorgebrachten Irrtum handle es sich um eine Schutzbehauptung. Diese vorinstanzliche Würdigung ist nicht zu beanstanden. Nicht entscheidend sind in diesem Zusammenhang die auf anderen Strassenabschnitten geltenden Geschwindigkeiten. 
Selbst wenn sich aber der Beschwerdeführer über die Geschwindigkeit geirrt hätte, wäre ein allfälliger Irrtum nach den zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen (angefochtenes Urteil S. 7) vermeidbar gewesen. Hätte sich der Beschwerdeführer auf die Strasse konzentriert und nicht durch sein Navigationsgerät ablenken lassen (angefochtenes Urteil S. 7, S. 10), hätte er den Innerortscharakter erkannt. 
 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verurteilung wegen grober Verkehrsregelnverletzung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG. Er rügt sinngemäss, es fehle am objektiven und subjektiven Tatbestand. Angesichts des Ausbaustandards der Strecke könne ihm keine abstrakte Gefährdung Dritter vorgeworfen werden. 
 
3.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Soweit der Beschwerdeführer seine Grundrechte (das Willkürverbot nach Art. 9 BV und den Grundsatz "in dubio pro reo") im Zusammenhang mit der Rechtsanwendung als verletzt sieht (vgl. Beschwerde S. 7 f.), fallen seine Rügen mit der Frage nach der richtigen Anwendung des Bundesrechts zusammen. 
 
3.3 Der qualifizierte Tatbestand der groben Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG ist objektiv erfüllt, wenn der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer ist nicht erst bei einer konkreten, sondern bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung gegeben. Subjektiv erfordert der Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG ein rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend verkehrswidriges Verhalten, d.h. ein schweres Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit. Diese ist zu bejahen, wenn der Täter sich der allgemeinen Gefährlichkeit seiner verkehrswidrigen Fahrweise bewusst ist. Grobe Fahrlässigkeit kann aber auch vorliegen, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig gar nicht in Betracht gezogen, also unbewusst fahrlässig gehandelt hat. In solchen Fällen ist grobe Fahrlässigkeit zu bejahen, wenn das Nichtbedenken der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf Rücksichtslosigkeit beruht. Rücksichtslos ist unter anderem ein bedenkenloses Verhalten gegenüber fremden Rechtsgütern. Dieses kann auch in einem blossen (momentanen) Nichtbedenken der Gefährdung fremder Interessen bestehen (BGE 131 IV 133 E. 3.2 S. 136 mit Hinweisen). Je schwerer dabei die Verkehrsregelnverletzung objektiv wiegt, desto eher wird Rücksichtslosigkeit subjektiv zu bejahen sein, sofern keine besonderen Gegenindizien vorliegen (Urteil 6B_563/2009 vom 20. November 2009 E. 1.4.2). 
 
Nach der Rechtsprechung sind die objektiven und grundsätzlich auch die subjektiven Voraussetzungen der groben Verkehrsregelnverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG ungeachtet der konkreten Umstände zu bejahen, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts um 25 km/h oder mehr überschritten wird (BGE 132 II 234 E. 3.1 S. 237 f.; 124 II 259 E. 2 b/bb S. 262; je mit Hinweisen). 
 
3.4 Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen grober Verkehrsregelnverletzung verstösst nicht gegen Bundesrecht. Er hat die Geschwindigkeit innerorts um mehr als 25 km/h überschritten und damit eine abstrakt erhöhte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen (BGE 132 II 234 E. 3.1 S. 237 f. mit Hinweisen). Dies zeigt namentlich der Umstand, dass er auf ein links vor ihm fahrendes Fahrzeug aufschloss. Dadurch verunmöglichte er diesem einen Spurwechsel nach rechts (angefochtenes Urteil S. 11). Auch in subjektiver Hinsicht durfte die Vorinstanz die Fahrweise des Beschwerdeführers als rücksichtslos bezeichnen. Er hatte es eilig, um auf den Flughafen zu gelangen und richtete sein Augenmerk auf das Navigationsgerät, obwohl es sich um eine stark befahrene Strasse handelt (angefochtenes Urteil S. 7, S. 9 f. mit Verweis auf das erstinstanzliche Urteil S. 6). Selbst bei einer strengen Handhabung von Art. 90 Ziff. 2 SVG (Urteil 6B_109/2008 vom 13. Juni 2008 E. 3.1) ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte, welche die Geschwindigkeitsübertretung subjektiv in einem milderen Licht erscheinen lassen. Sein genereller automobilistischer Leumund vermag den Beschwerdeführer angesichts der Tatumstände nicht zu entlasten (BGE 132 II 234 E. 3.1 S. 237 f. mit Hinweisen). Auch aus dem Entscheid 6B_622/2009 lässt sich nichts zu Gunsten des Beschwerdeführers ableiten, da dort ein anderer Sachverhalt zu beurteilen war. 
 
4. 
Der Beschwerdeführer verlangt eine Strafreduktion für den Fall, dass sein Verhalten als einfache Verkehrsregelnverletzung zu qualifizieren wäre (Beschwerde S. 6 ff.). Ausführungen dazu erübrigen sich, nachdem die Verurteilung bundesrechtskonform ist. 
 
5. 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 1. März 2012 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Koch