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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4P.129/2004 /mks 
 
Urteil vom 1. Juli 2004 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterinnen Klett, Kiss, 
Gerichtsschreiber Widmer. 
 
Parteien 
A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Day, 
 
gegen 
 
Kassationsgericht des Kantons Zürich. 
 
Gegenstand 
Art. 9 und Art. 29 Abs. 2 und 3 BV (Willkür; rechtliches Gehör; unentgeltliche Rechtspflege), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 8. März 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.________ (Beschwerdeführer) mit Wohnsitz im Fürstentum Liechtenstein tritt als Inhaber der Patente CH 687 352 und EP 0 660 960 auf. Er ist der Auffassung, die von den Beklagten B.________ AG, C.________ AG, Schweizerische Eidgenossenschaft und D.________ AG vertriebenen Geräte TRIPON (früher SATAX) zur Erfassung der Daten für die leistungsabhängige Schwerverkehrs-Abgabe (LSVA) verletzten seine Patente. 
 
Am 8. Juli 2002 reichte er beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die vier Beklagten eine Patentverletzungsklage ein und beantragte die unentgeltliche Rechtspflege. Mit Beschluss vom 21. Juli 2003 wies das Handelsgericht das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ab und setzte dem Beschwerdeführer Frist zur Leistung einer Prozesskaution von Fr. 800'000.-. 
B. 
Dagegen erhob der Beschwerdeführer sowohl kantonale Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons Zürich als auch staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Das Bundesgericht ist am heutigen Datum auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten. Das Kassationsgericht wies die Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss vom 8. März 2004 ab, soweit es auf sie eintrat, und erneuerte die Frist zur Leistung der Prozesskaution von Fr. 800'000.-. 
C. 
Dagegen erhob der Beschwerdeführer staatsrechtliche Beschwerde. Er beantragt dem Bundesgericht, den Beschluss des Kassationsgerichts aufzuheben und die Vorinstanzen anzuweisen, gemäss den Erwägungen des Bundesgerichts neu zu entscheiden. Ferner ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Verfahren vor Bundesgericht und um Erteilung der aufschiebenden Wirkung. 
 
Das Kassationsgericht hat auf eine Stellungnahme verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Der angefochtene Beschluss des Kassatonsgerichts des Kantons Zürich, mit dem eine Beschwerde gegen die Nichtbewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege im Verfahren vor dem Handelsgericht abgewiesen wurde, ist ein letztinstanzlicher kantonaler Zwischenentscheid, der den Hauptprozess nicht abschliesst. Gegen diesen Zwischenentscheid ist nach Art. 87 Abs. 2 OG die staatsrechtliche Beschwerde zulässig, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Zwischenentscheide, mit denen die unentgeltliche Rechtspflege verweigert wird, haben in der Regel einen solchen Nachteil zur Folge (BGE 129 I 129 E. 1.1; 126 I 207 E. 2a). Dies trifft auch im vorliegenden Fall zu. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer zur Leistung einer Prozesskaution von Fr. 800'000.- verpflichtet wurde und seine Interessen im anhängig gemachten Patentprozess ohne den Beistand eines Rechtsvertreters wahrnehmen muss, kann einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinn von Art. 87 Abs. 2 OG bewirken. Der Beschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 8. März 2004 ist daher mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar. 
1.2 Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich rein kassatorischer Natur, d.h. sie kann nur zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids führen. Das gilt auch für staatsrechtliche Beschwerden, die sich gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege richten (BGE 129 I 129 E. 1.2.1 und 1.2.4). Das Bundesgericht hat in solchen Fällen nur zu prüfen, ob die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege vor der als verletzt gerügten Verfassungs- oder Konventionsvorschrift standhält. Verneint es dies, so heisst es die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf. Die Aufhebung des angefochtenen Entscheids hat zur Folge, dass die kantonale Instanz aufgrund der Erwägungen des Bundesgerichts neu zu entscheiden und gegebenenfalls die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen hat. Einer Anweisung an die kantonale Behörde bedarf es nicht (BGE 129 I 129 E. 1.2.3). Soweit der Beschwerdeführer beantragt, die Vorinstanzen seien anzuweisen, gemäss den Erwägungen des Bundesgerichts neu zu entscheiden, erweist sich sein Begehren daher als überflüssig. 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV, mithin des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege. Dieser Anspruch wird in erster Linie durch das kantonale Prozessrecht geregelt. Unabhängig davon besteht ein solcher Anspruch unmittelbar aufgrund von Art. 29 Abs. 3 BV. Die Auslegung und Anwendung der kantonalen Gesetzesbestimmungen über den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung prüft das Bundesgericht unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots. Ob der durch die Bundesverfassung garantierte Anspruch verletzt wurde, untersucht es in rechtlicher Hinsicht frei; soweit es um tatsächliche Feststellungen der kantonalen Instanz geht, ist seine Prüfungsbefugnis auf Willkür beschränkt (BGE 129 I 129 E. 2.1 mit Hinweisen). 
2.2 § 84 Abs. 1 ZPO-ZH knüpft den Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung an die Voraussetzungen der Mittellosigkeit des Gesuchstellers und die Nichtaussichtslosigkeit seiner Begehren. Die Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsvertreters setzt ausserdem voraus, dass die Partei für die gehörige Führung des Prozesses eines solchen bedarf (§ 87 ZPO-ZH). Das kantonale Prozessrecht entspricht insoweit dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege nach Art. 29 Abs. 3 BV, auf welchen sich der Beschwerdeführer hauptsächlich beruft. 
2.3 Neben der Bedürftigkeit der Gesuch stellenden Partei ist somit kumulativ vorausgesetzt, dass die Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheinen. Aussichtslos in diesem Sinn sind nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts Begehren, für welche die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135). 
3. 
Das Kassationsgericht erkannte, dass das Handelsgericht die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers in willkürlicher Weise verneint hatte. Es wies die Nichtigkeitsbeschwerde dennoch ab, weil es nicht zu beanstanden sei, dass das Handelsgericht die Aussicht der Klage auf Erfolg nicht bejaht und demzufolge die unentgeltliche Rechtspflege nicht bewilligt habe. Es sei Sache der Gesuch stellenden Partei aufzuzeigen, dass ihre Klage Aussicht auf Erfolg habe. Der Beschwerdeführer habe die Folgen zu tragen, dass er es unterlassen habe, die Grundlagen des eingeklagten Patentanspruchs, insbesondere die von den Gegenparteien vorprozessual in Zweifel gezogene Gültigkeit der Streitpatente, in einer Weise darzulegen, dass das Handelsgericht die Aussicht der Klage auf Erfolg hätte prüfen können. 
3.1 Der Beschwerdeführer erblickt eine Verletzung des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege darin, dass weder das Kassationsgericht noch das Handelsgericht die Erfolgsaussichten seiner Begehren geprüft habe. 
 
Die Rüge ist begründet. Die Behörde, die über ein Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege zu entscheiden hat, muss die diesbezüglichen Voraussetzungen, die Gesetz und Verfassung statuieren, prüfen. Betreffend die Voraussetzung der Nichtaussichtslosigkeit der Begehren hat sie somit nach pflichtgemässem Ermessen zu beurteilen, ob die Gewinnaussichten der Prozessbegehren nicht beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren (Reinhold Hotz, Die Schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, Zürich/ Basel/Genf 2002, Rz. 48 zu Art. 29). 
 
Aus dem Entscheid des Handelsgerichts geht nicht hervor, dass es effektiv eine entsprechende Beurteilung vorgenommen hätte. Es kritisierte lediglich das prozessuale Vorgehen des Beschwerdeführers. So bemängelte es zum einen, dass der Beschwerdeführer gleichzeitig vier angebliche Patentverletzer einklagte, anstatt zuerst nur gegen einen gerichtlich vorzugehen. Zum andern beanstandete es, dass der Beschwerdeführer nicht schon in der Klagschrift zu den vorprozessual thematisierten Einwendungen der Gegenseite betreffend Nichtigkeit bzw. Gültigkeit der Streitpatente Stellung genommen hatte. Er sei damit nicht so vorgegangen, wie eine Partei, welche für die Prozesskosten selbst aufzukommen habe, vernünftigerweise vorgehen würde. 
 
Mit dieser Schlussfolgerung scheint das Handelsgericht an die bundesgerichtliche Erwägung anzuknüpfen, wonach massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 136). Diese Erwägung bezieht sich indessen immer auf Überlegungen zu den Prozessaussichten. Die Frage hingegen, ob eine vermögliche Partei die gleiche Prozesstaktik wählen würde, entscheidet nicht über die vorzunehmende Prüfung der Prozessaussichten. 
 
Der Beschwerdeführer beanstandet somit zu Recht, dass das Handelsgericht die Erfolgsaussichten der Klage nicht geprüft, sondern lediglich das von ihm gewählte prozessuale Vorgehen kritisiert habe. Dass das Kassationsgericht den Entscheid des Handelsgerichts dennoch schützte, lässt sich mit dem Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege nicht vereinbaren. 
3.2 Daran ändert nichts, wenn das Kassationsgericht dem Beschwerdeführer vorwirft, er hätte als Gesuch stellende Partei aufzeigen müssen, dass seine Klage Aussicht auf Erfolg hat. Wohl trifft es zu, dass die gesuchstellende Partei bezüglich der Darlegung der Bewilligungsvoraussetzungen eine Mitwirkungspflicht trägt und bei Verletzung derselben die Folgen zu tragen hat. Diese können darin bestehen, dass die Behörde mangels hinreichender Angaben und Belege die betreffende Voraussetzung verneint und die unentgeltliche Rechtspflege ohne Verfassungsverletzung ablehnen kann (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181 f. betreffend die Bedürftigkeit). Gegebenenfalls kann das kantonale Recht im Rahmen von Art. 29 Abs. 3 BV auch Formvorschriften bezüglich der zu erbringenden Mitwirkung aufstellen und an deren Missachtung die nämlichen Folgen knüpfen (vgl. dazu das Urteil des Bundesgerichts 1P.389/2002 vom 7. November 2002, E. 2.1 und 2.5, Pra 2003 Nr. 63 S. 311). 
 
Vorliegend hat das Handelsgericht aber - entgegen dem in den Erwägungen des Kassationsgerichts erweckten Anschein - gerade keine Verletzung der Mitwirkungspflicht gerügt. Es hat zwar festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kein Wort über die Erfolgsaussichten der Klage verloren habe. Dies schade ihm aber insofern nicht, als er in der Klagschrift dargelegt habe, weshalb er seine Klage für begründet halte, so dass diesbezügliche Ausführungen des Beschwerdeführers vorlägen. Die fehlende Stellungnahme zu den seitens der Beklagten vorprozessual angebrachten Einwendungen betreffend Nichtigkeit bzw. Gültigkeit der Streitpatente nahm das Handelsgericht zum Anlass, das prozessuale Vorgehen des Beschwerdeführers zu kritisieren, nicht aber um festzustellen, die Gültigkeit der Streitpatente sei voraussichtlich zu verneinen, weshalb die Klage aussichtslos sei. 
3.3 Die Begründung des Kassationsgerichts, wonach das Handelsgericht wegen ungenügender materieller Vorbringen in der Klagschrift die Erfolgsaussichten nicht habe prüfen können und es daher nicht zu beanstanden sei, dass es die Aussicht der Klage auf Erfolg nicht bejaht habe, leidet an einem inneren Widerspruch (Unmöglichkeit der Prüfung der Erfolgsaussichten und dennoch angebliche Verneinung der Erfolgsaussichten) und lässt sich anhand der Erwägungen im Beschluss des Handelsgerichts nicht nachvollziehen. Es bleibt dabei, dass die erforderliche Prüfung der Erfolgsaussichten nicht erfolgte und die unentgeltliche Rechtspflege aus einem Grund (Prozessvorgehen, das ein Selbstzahler vernünftigerweise nicht wählen würde) abgelehnt wurde, der in den einschlägigen Bestimmungen von Gesetz und Verfassung keine Stütze findet. Der angefochtene Beschluss des Kassationsgerichts ist demnach aufzuheben, und die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klagbegehren wird nachzuholen sein. 
4. 
Nachdem das Handelsgericht keine Verletzung der Mitwirkungspflicht festgestellt hat, kann offen bleiben, inwiefern es vor seinem Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege von der Befugnis, den Beschwerdeführer zu seinen "Angriffs- und Verteidigungsmitteln" einzuvernehmen (§ 84 Abs. 2 ZPO-ZH), hätte Gebrauch machen oder seine richterliche Fragepflicht nach § 55 ZPO-ZH hätte ausüben müssen. Damit erübrigen sich Ausführungen zum Vorwurf des Kassationsgerichts, der Beschwerdeführer habe es verpasst, diesbezügliche Rügen zu erheben, wie auch zu den vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang erhobenen Vorbringen über die Verletzung des rechtlichen Gehörs. 
5. 
Bei diesem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 156 Abs. 2 OG). Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). Das Gesuch des Beschwerdeführers um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege vor Bundesgericht wird damit gegenstandslos. 
 
Mit dem Entscheid in der Sache wird auch das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 8. März 2004 aufgehoben. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 9'000.- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 1. Juli 2004 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: