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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_254/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 1. Juli 2013  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Denys, 
nebenamtlicher Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiberin Andres. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________,  
vertreten durch Fürsprecher Philipp Kunz, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz; Anklagegrundsatz, Unschuldsvermutung, Willkür, Strafzumessung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, 2. Strafkammer, vom 13. März 2012. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
D as Obergericht des Kantons Bern verurteilte X.________ am 13. März 2012 zweitinstanzlich wegen qualifizierter Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz in zehn Anklagepunkten zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren, als (teilweise) Zusatzstrafe zu drei Urteilen. 
 
B.  
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, er sei von drei Anklagepunkten freizusprechen und bezüglich der sieben Schuldsprüche zu einer (Zusatz-) Strafe von höchstens 36 Monaten zu verurteilen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Anklageprinzips geltend. Er habe sich nicht wirkungsvoll verteidigen können, weil die Anschuldigungen zu vage gewesen seien. Ein faires Verfahren sei ihm verweigert worden. Es sei nicht möglich, für eine unbestimmte Zeitspanne und beliebige Orte einen Alibibeweis zu erbringen. 
 
1.1. Die Vorinstanz erwägt, es gehe "um ein Kollektivdelikt zufolge mengen- und bandenmässiger Qualifikation", weshalb es weniger auf die Aufzählung der einzelnen Tathandlungen ankomme. "Kauf, Einfuhr und Verkauf von Kokaingemisch" seien hinreichend bestimmte Begriffe. Der Beginn der Tathandlungen lasse sich auf frühestens Anfang 2006 einschränken. Damals habe der Beschwerdeführer einen Mittäter kennengelernt. In der Drogenmenge von mindestens 50 Kilogramm sei nach dem Grundsatz a maiore minus eine kleinere Menge mitenthalten. Der Überweisungsbeschluss verweise auf die meisten massgebenden Beweismittel und Indizien sowie deren Aktenstellen. Die Vorwürfe hätten sich bereits aus der polizeilichen Anzeige und den Vorhalten anlässlich der Einvernahmen ergeben. Schliesslich dürften gerade bei Betäubungsmitteldelikten, die sich über einen erheblichen Zeitraum erstreckten und aus einer Vielzahl von Einzelhandlungen bestünden, die Anforderungen nicht allzu hoch angesetzt werden. In solchen Fällen seien regelmässig nicht alle Einzelakte in örtlicher und zeitlicher Hinsicht exakt eruierbar. Es gehe nicht an, dass klar festgestellte Taten nur deshalb nicht geahndet würden, weil nicht mehr alle Einzelheiten rekonstruiert werden könnten. Dem Beschwerdeführer sei bekannt gewesen, wogegen er sich habe verteidigen müssen, was sich auch aus dem zweitinstanzlichen Parteivortrag seines Verteidigers ergebe (Urteil S. 49-52).  
 
1.2. Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Das Anklageprinzip bezweckt zugleich den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; vgl. Urteil 6B_130/2012 vom 22. Oktober 2012 E. 6.2, nicht publ. in: BGE 138 IV 209; 133 IV 235 E. 6.2 f. S. 244 f.; je mit Hinweisen).  
 
 Bei der Prüfung, ob die Anklageschrift verfassungskonform ist, sind diese Ziele zu berücksichtigen. Bei mehrfacher Tatbegehung handelt es sich um selbständige Taten, die einzeln in der Anklageschrift aufgeführt werden müssen (BGE 120 IV 348 E. 3f S. 357 mit Hinweis). Anders verhält es sich, wenn mehrere selbständige strafbare Handlungen bereits durch die gesetzliche Umschreibung im Tatbestand zu einer rechtlichen Handlungseinheit verschmolzen werden. Gekennzeichnet ist die so umschriebene rechtliche Einheit objektiv durch gleichartige Handlungen, die gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet sind sowie in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Subjektiv ist ein alle Handlungen umfassender Gesamtvorsatz vorausgesetzt (vgl. BGE 118 IV 91 E. 4c S. 93 mit Hinweisen). Bei Kollektivdelikten ist massgebend, dass die Umstände die Verbrechenseinheit erkennen lassen. Welche einzelnen Handlungen der beschuldigten Person vorgeworfen werden, ist weniger wichtig (Urteil 6B_254/2007 vom 10. August 2007 E. 3.2 mit Hinweis). Letztlich geht es darum, dass die beschuldigte Person nicht überrascht oder überrumpelt und ihr ermöglicht wird, sich effektiv zu verteidigen (vgl. BGE 120 IV 348 E. 3g S. 357 mit Hinweisen). 
 
1.3. Im Überweisungsbeschluss der Staatsanwaltschaft werden dem Beschwerdeführer Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz vorgeworfen, die er mehrfach "in Witzwil, Ittigen, Bern, Genf, Zürich, Gambia, Amerika und anderswo" mengenmässig qualifiziert und bandenmässig mit drei namentlich bezeichneten Mittätern begangen habe. In zehn Anklagepunkten wird unter Verweis auf zahlreiche Aktenstellen aufgeführt, in welchen Zeiträumen der Beschwerdeführer welche Mengen Kokaingemisch gekauft, eingeführt, verkauft und vermittelt oder Anstalten dazu getroffen habe. Es trifft zu, dass die Vorwürfe im Überweisungsbeschluss sowohl zeitlich als auch mengenmässig vage erscheinen. Dennoch wird der Anklagevorwurf unverwechselbar und genügend konkret gekennzeichnet. Aus den Verweisen auf diverse Aktenstellen lassen sich die angeklagten Taten näher eingrenzen. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von jenem, der dem Urteil 6B_1067/2009 vom 31. Mai 2010 zugrunde lag, worauf sich der Beschwerdeführer beruft. Er wusste, was ihm vorgeworfen wird, und wurde von den Vorwürfen nicht überrascht. Er konnte sich daher in einem fairen Verfahren wirksam verteidigen. Die Rüge ist unbegründet.  
 
2.  
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt willkürlich festgestellt und die Unschuldsvermutung verletzt. 
 
 Letzterer kommt in der vom Beschwerdeführer angerufenen Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende selbständige Bedeutung zu (BGE 138 V 74 E. 7 S. 81 f. mit Hinweisen). 
 
 Der Beschwerdeführer legt lediglich seine eigene Sicht der Dinge dar und verweist auf die Erwägungen der ersten Instanz. Mit der Begründung des vorinstanzlichen Urteils setzt er sich nicht auseinander. Damit erschöpft sich seine Beschwerde in einer appellatorischen Kritik, was unzulässig ist (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5 mit Hinweisen). 
 
3.  
Der Beschwerdeführer beanstandet die Strafzumessung. 
 
 Soweit er dem verbindlichen Sachverhalt widerspricht und von einer geringeren Drogenmenge ausgeht, ohne Willkür darzutun, ist auf die Rüge nicht einzutreten. 
 
 Die Vorinstanz setzt sich mit den wesentlichen schuldrelevanten Komponenten auseinander und würdigt diese zutreffend (Urteil S. 151-155). Dass sie sich von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten hätte leiten lassen oder wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt hätte, ist nicht ersichtlich. Die Freiheitsstrafe von 11 Jahren hält sich im Rahmen des sachrichterlichen Ermessens (vgl. BGE 136 IV 55 E. 5.6 S. 61 mit Hinweisen). 
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
 Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege, das wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG). Damit wird er kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seine finanzielle Lage ist bei der Bemessung der Gerichtsgebühr angemessen zu berücksichtigen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. Juli 2013 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres