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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 341/02 
 
Urteil vom 1. September 2003 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiber Ackermann 
 
Parteien 
P.________, 1974, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Ilg, Rämistrasse 5, 8001 Zürich, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 29. Oktober 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
P.________, geboren 1974, arbeitete seit Mai 1999 als Hilfsdachdecker für die Firma G.________ Bedachungen, und war bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) unfallversichert. Am 25. Juli 2000 blieb er beim Zuschneiden von Dachlatten mit der Kettensäge im Gerüstnetz hängen und schnitt sich beim Zurückziehen in die linke Schulter; die gleichentags aufgesuchte Notfallstation des Spitals X.________ diagnostizierte eine Fräsenverletzung an der linken Schulter und versorgte die Wunde ambulant. Die SUVA zog diverse Arztberichte bei (unter anderem des Dr. med. R.________, Spezialarzt für Neurologie FMH, vom 4. September 2000) und veranlasste - vor allem zur Evaluation und Behandlung psychosomatischer Störungen - vom 29. November 2000 bis zum 7. Februar 2001 einen Aufenthalt in der Klinik Y.________ (Austrittsbericht vom 9. März 2001 mit psychosomatischem Konsilium vom 7. Dezember 2000). Im Weiteren erfolgten Physiotherapie sowie - nach dem Ende des Aufenthaltes in der Klinik Y.________ - Behandlungen durch das Psychiatrie-Zentrum Z.________. Wie mit Schreiben vom 7. September 2001 angekündigt, stellte die SUVA mit Verfügung vom 5. November 2001 ihre Heilkosten- und Taggeldleistungen per Ende Oktober 2001 ein und verneinte den Anspruch auf Invalidenrente sowie Integritätsentschädigung, da die psychischen Beschwerden nicht adäquat kausale Unfallfolgen seien. Die Verfügung von November 2001 wurde mit Einspracheentscheid vom 22. Februar 2002 bestätigt. 
 
Mit Verfügung vom 4. Juli 2002 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich P.________ mit Wirkung ab dem 1. Juli 2001 bei einem Invaliditätsgrad von 100% eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu. 
B. 
Die gegen den Einspracheentscheid der SUVA erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 29. Oktober 2002 ab. 
C. 
Unter Beilage eines ärztlichen Zeugnisses des Dr. med. S.________, Arzt für Allgemeine Medizin FMH, vom 18. November 2002 lässt P.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und des Einspracheentscheides seien ein ausführlicher Bericht eines unabhängigen Psychiaters sowie ein Gutachten eines unabhängigen Orthopäden oder Internisten einzuholen und es seien weiterhin Taggelder und Heilkosten zu gewähren, eventualiter sei eine Invalidenrente aufgrund eines Invaliditätsgrades von 100% und eine Integritätsentschädigung aufgrund einer Integritätseinbusse von 80% auszurichten. Ferner lässt P.________ die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung beantragen. 
 
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
D. 
Mit Schreiben vom 26. August 2003 lässt P.________ das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung zurückziehen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Unfallversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheides eingetretenen Sachverhalt abstellt (RKUV 2001 Nr. U 419 S. 101 Erw. 2; hier: 22. Februar 2002), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar. 
2. 
Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen des Anspruchs auf Heilbehandlung (Art. 10 UVG), Taggelder (Art. 16 UVG), Invalidenrente (Art. 18 UVG) und Integritätsentschädigung (Art. 24 UVG) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, 117 V 376 Erw. 3a mit Hinweisen) und adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 123 III 112 Erw. 3a, 123 V 103 Erw. 3d, 139 Erw. 3c, 122 V 416 Erw. 2a, je mit Hinweisen) zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod), insbesondere auch zur Adäquanzbeurteilung bei Unfällen und der in der Folge eingetretenen psychischen Fehlentwicklung mit Einschränkung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit (BGE 115 V 133). Darauf wird verwiesen. 
3. 
Streitig ist der Anspruch auf Heilbehandlung und Taggelder sowie eventualiter auf Invalidenrente und Integritätsentschädigung; in dieser Hinsicht ist vor allem die Frage der adäquaten Kausalität zwischen den psychischen Beschwerden und dem Unfall von Juli 2000 umstritten. 
3.1 Das kantonale Gericht hat auf den Bericht der Klinik Y.________ vom 9. März 2001 sowie denjenigen des SUVA-Arztes Dr. med. L.________ vom 15. August 2001 abgestellt und das Vorliegen somatischer Restbeschwerden verneint, während es die psychische Problematik nicht als adäquat kausale Unfallfolge betrachtete. Der Beschwerdeführer geht demgegenüber davon aus, er sei aus physischen und psychischen Gründen vollständig arbeitsunfähig und die Adäquanz der psychischen Beschwerden zum Unfall von Juli 2000 sei zu bejahen. 
3.2 Die Klinik Y.________ hält im Austrittsbericht vom 9. März 2001 fest, dass während der ganzen Hospitalisation die psychische Problematik im Vordergrund gestanden habe und vor allem aus diesem Grund die Arbeitsfähigkeit auf 0% geschätzt werden müsse, während der SUVA-Arzt Dr. med. L.________ in seinem Bericht vom 15. August 2001 davon ausgeht, dass der funktionelle Ausfall des linken Armes aufgrund der Unfallfolgen nicht erklärt werden könne. Diese beiden Berichte sind für die streitigen Belange umfassend, beruhen auf allseitigen Untersuchungen, berücksichtigen die geklagten Beschwerden und sind in Kenntnis der Vorakten abgegeben worden; zudem sind die Ausführungen in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation einleuchtend und beinhalten begründete Schlussfolgerungen (BGE 125 V 352 Erw. 3a). Sie stimmen im Übrigen mit dem Bericht des Neurologen Dr. med. R.________ vom 4. September 2000 überein, wonach die Bewegungseinschränkung des linken Armes nur durch eine Schmerzhemmung erklärbar sei. Damit ist davon auszugehen, dass keine somatischen Unfallrestfolgen mehr vorliegen. Weitere Abklärungen sind nicht nötig. 
3.3 Es steht fest und ist unbestritten, dass der Versicherte an einem psychischen Gesundheitsschaden leidet, welchen die Klinik Y.________ im Bericht vom 9. März 2001 als angstbesetztes, schwer agitiertes Zustandsbild nach potentiell gefährlichem Unfallereignis mit Kettensäge im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) diagnostiziert hat. Die SUVA hat dafür nur Leistungen zu erbringen, wenn ein adäquater Kausalzusammenhang zum Unfall von Juli 2000 besteht. 
 
Der Versicherte hat sich durch eine Kettensäge eine zehn bis zwölf Zentimeter lange, in der Folge unter Lokalanästhesie ambulant behandelte Weichteilschnittverletzung an der linken Schulter zugefügt; in Anbetracht dieser Umstände ist der Vorinstanz zuzustimmen, wenn sie den Unfall den mittelschweren Ereignissen zuordnet. Da sich bei Unfällen im mittleren Bereich die adäquate Kausalität nicht allein aufgrund des Unfalles schlüssig beurteilen lässt, sind gemäss Rechtsprechung weitere objektiv erfassbare Kriterien heranzuziehen (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa): Da die Verletzung durch eine potentiell gefährliche Kettensäge verursacht worden ist, wies der Unfall vom 25. Juli 2000 zwar eine gewisse Eindrücklichkeit auf, jedoch kann nicht davon gesprochen werden, dass die Eindrücklichkeit objektiv besonders ausgeprägt ist (vgl. BGE 115 V 141 oben), auch wenn dies der Beschwerdeführer subjektiv anders empfunden haben mag; insbesondere ist zu berücksichtigen, dass nur (aber immerhin) eine Weichteilverletzung vorliegt, und damit die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beschriebenen Knochenstücke in der Wunde nicht sichtbar gewesen sein konnten. Der Versicherte wurde denn auch nicht besonders schwer oder gar lebensgefährlich verletzt und die erlittene Fräsenverletzung an der linken Schulter ist erfahrungsgemäss nicht geeignet, psychische Fehlentwicklungen auszulösen. Die Dauer der ärztlichen Behandlung, die geklagten Dauerschmerzen sowie der schwierige Heilungsverlauf basieren nicht auf einem somatischen Substrat (vgl. Erw. 3.2 hievor), sondern auf der relativ schnell stattgefundenen psychischen Überlagerung, die vom SUVA-Arzt Dr. med. L.________ schon im Oktober 2000 vermutet und vom Hausarzt Dr. med. S.________ zur gleichen Zeit als "mit Sicherheit" vorliegend erachtet wurde; damit fallen auch Grad und Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit kaum ins Gewicht. Im Übrigen ist eine ärztliche Fehlbehandlung, die die Unfallfolgen erheblich verschlimmert hätte, vorliegend nicht ersichtlich. Somit liegen die gemäss Rechtsprechung bei einem mittleren Unfall notwendigen objektiven Kriterien weder gehäuft vor, noch ist eines davon besonders ausgeprägt (BGE 115 V 140 Erw. 6c), weshalb der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall von Juli 2000 und den geklagten psychischen Beschwerden zu verneinen ist. Dies hat zur Folge, dass der Unfall zwar unter Umständen eine natürlich kausale Teilursache der psychischen Beschwerden darstellt, ihm aber rechtlich nicht zugerechnet werden kann, weshalb sich auch die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragten weiteren Abklärungen erübrigen. 
 
Mangels adäquatem Kausalzusammenhang hat der Beschwerdeführer daher keinen Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung; es kann auch nicht auf den Entscheid der Invalidenversicherung, die dem Versicherten gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 100% seit Juli 2001 eine ganze Rente ausrichtet, abgestellt werden, da diese - wegen ihrer Ausgestaltung als finale Versicherung (vgl. BGE 124 V 178 Erw. 3b mit Hinweisen) - nicht zwischen physischen und psychischen Komponenten unterscheidet. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 1. September 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: