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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_520/2008/don 
 
Urteil vom 1. September 2008 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterinnen Escher, Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Parteien 
1.X.________, 
2.Y.________, 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch Fürsprecher Werner Schib, 
 
gegen 
 
Vormundschaftsbehörde F.________, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Kindesschutzmassnahmen; aufschiebende Wirkung, 
 
Beschwerde gegen die Präsidialverfügung des Obergerichts des Kantons Aargau, Kammer für Vormundschaftswesen als zweitinstanzliche vormundschaftliche Aufsichtsbehörde, vom 30. Juli 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ und Y.________ sind die Eltern des im Jahr 1992 geborenen Sohn A.________. Eine Gefährdungsmeldung der Kreisschule B.________ führte im Frühling 2006 zu Abklärungen der Sozialdienste. Seither stehen diese in mehr oder weniger dauerndem Kontakt mit den Eltern, die sich wiederholt dahingehend äusserten, A.________ sei zu Hause nicht mehr tragbar, dann aber mehrere Male wieder bekundeten, die Situation habe sich gebessert. Während dieser Zeit kam es auch immer wieder zu tätlichen Auseinandersetzungen mit polizeilichen Interventionen, und im Frühling 2007 verfügte die Kreisschule B.________ nach Tätlichkeiten ein "Timeout". 
 
Im Anschluss an erneute Tätlichkeiten Ende März 2008 und der Bitte der Eltern anlässlich eines Gespräches um Fremdplatzierung von A.________ begannen die Sozialdienste mit der Suche nach einem geeigneten Platz für einen Abklärungsaufenthalt. Dabei wurde als mögliche Institution insbesondere das für solche Fälle spezialisierte Aufnahmeheim in C.________ erwähnt. 
 
Nach einer Eskalation der Situation in der Familie wurde A.________ am 28. Mai 2008 vom Jugendanwalt inhaftiert. Am Folgetag wurde A.________ im Sinn einer notfallmässigen Zwischenplatzierung in der Stiftung "D.________" in E.________ untergebracht. Gleichzeitig wurde aber die Anmeldung im Aufnahmeheim C.________ aufrechterhalten. 
 
B. 
Mit Beschluss vom 7. Juli 2008 entzog der Gemeinderat F.________ den Eltern die Obhut über A.________, errichtete über diesen eine Beistandschaft, verfügte eine Platzierung im Aufnahmeheim C.________ ab 22. Juli 2008 und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung. 
 
Gegen diesen Beschluss erhoben Y.________ und X.________ am 16. Juli 2008 Beschwerde, im Wesentlichen mit dem Begehren um dessen Aufhebung, eventualiter um Belassung von A.________ in der Stiftung "D.________". 
Mit Zwischenentscheid vom 18. Juli 2008 wies das Bezirksamt Z.________ den Verfahrensantrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ab. 
Diesen Zwischenentscheid fochten Y.________ und X.________ am 21. Juli 2008 an. Mit Präsidialverfügung vom 21. Juli 2008 erteilte das Obergericht des Kantons Aargau der Beschwerde betreffend die Umplatzierung von der Stiftung "D.________" in das Aufnahmeheim C.________ superprovisorisch die aufschiebende Wirkung und lud die Gemeinde F.________ zur Stellungnahme ein. Nach deren Eingang wurde das Gesuch um vorsorgliche Erteilung der aufschiebenden Wirkung mit Präsidialverfügung vom 30. Juli 2008 abgewiesen. 
 
C. 
Gegen diese Verfügung haben Y.________ und X.________ am 7. August 2008 Beschwerde in Zivilsachen erhoben mit dem Begehren um dessen Aufhebung und um Erteilung der aufschiebenden Wirkung für die gegen den Beschluss des Gemeinderates F.________ vom 7. Juli 2008 erhobene Beschwerde an das Bezirksamt Z.________. Mit Präsidialverfügung vom 15. August 2008 wurde der Beschwerde in Zivilsachen antragsgemäss die aufschiebende Wirkung erteilt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die angefochtene Verfügung betrifft eine nicht vermögensrechtliche Zivilsache und wurde von der letzten kantonalen Instanz erlassen (Art. 72 Abs. 1 und Art. 75 Abs. 1 BGG). Die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung ist ein Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Urteile 5A_17/2007, E. 2.2; 5A_107/2008, E. 1.2). Auf die Beschwerde ist somit einzutreten. 
 
Weil es sich um eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG handelt, kann mit der Beschwerde nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden und es gilt hierfür das Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG; Urteile 5A_537/2007, E. 1.2; 5A_107/2008, E. 1.3). Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung des Rechts auf Familienleben, der persönlichen Freiheit und des Willkürverbots bei der Anwendung von Art. 314 Ziff. 2 ZGB
 
2. 
Das Obergericht hat seinen Entscheid damit begründet, dass die Platzierung in der Stiftung "D.________" von Anfang an nur eine Zwischenplatzierung gewesen und die Institution in C.________ für den Abklärungsaufenthalt prädestiniert sei. Die Gefahr einer unkontrollierten Situation durch Wiedererteilung der aufschiebenden Wirkung sei daher höher einzustufen als die aus der angefochtenen Verfügung sich ergebende Einschränkung der Elternrechte für die Dauer des Verfahrens. 
 
3. 
Hat eine Beschwerde gegen eine Kindesschutzmassnahme aufschiebende Wirkung, so kann ihr diese von der anordnenden oder von der Beschwerdeinstanz entzogen werden (Art. 314 Ziff. 2 ZGB). 
 
Die genannte Bestimmung räumt den kantonalen Behörden ein weites Ermessen ein. Willkür bei der Ermessensausübung liegt vor, wenn die letzte kantonale Instanz von dem ihr zustehenden Ermessen falschen Gebrauch gemacht hat, wenn sie Gesichtspunkte berücksichtigt hat, die keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt rechtserhebliche Umstände ausser Acht gelassen hat; aufzuheben und zu korrigieren sind ausserdem Ermessensentscheide, die sich als im Ergebnis offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 131 III 12 E. 4.2 S. 15; 132 III 97 E. 1 S. 99). 
 
Dass A.________ eines Abklärungsaufenthaltes bedarf, ergibt sich nicht nur aus dem geschilderten Sachverhalt, sondern auch aus den von den Beschwerdeführern angerufenen psychiatrischen Berichten von Dr. G.________. Zwar hält dieser dafür, dass eine Platzierung im Aufnahmeheim C.________ aus psychiatrischer Sicht nicht medizinisch bedingt dringlich, ja sogar als kontraproduktiv zu werten sei. Indes hat Dr. G.________ eine Störung des Sozialverhaltens mit aufsässigem oppositionellem Verhalten (ICD 10 F91.3) diagnostiziert, das sich bei fehlender Behandlung verfestigen könne und in einigen Jahren als passiv aggressive Persönlichkeitsstörung umzuklassifizieren wäre. 
 
Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, inwiefern das Obergericht von seinem Ermessen falschen Gebrauch gemacht haben soll, wenn es die Einweisung von A.________ in das Aufnahmeheim C.________ als dringlich erachtet und der dagegen erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzogen hat, umso mehr als die genannte Institution nach den verbindlichen kantonalen Sachverhaltsfeststellungen geeignet ist und eine Platzierung in der Stiftung "D.________" nie vorgesehen war, sondern es einzig wegen der Inhaftierung durch den Jugendanwalt im Sinn einer notfallmässigen Zwischenlösung dazu gekommen ist. 
Ist die sofortige Platzierung von A.________ im Aufnahmeheim C.________ zur Vornahme der notwendigen Abklärungen indiziert und hält insofern der auf die Ermessensnorm von Art. 314 Ziff. 2 ZGB gestützte Entzug der aufschiebenden Wirkung vor dem Willkürverbot stand, steht dem weder das Grundrecht auf Achtung des Familienlebens noch der persönlichen Freiheit entgegen. Ohnehin wehren sich die Beschwerdeführer gar nicht in erster Linie gegen eine Platzierung, sondern gegen die Verlegung von A.________ ins Aufnahmeheim C.________; die aus der verbleibenden elterlichen Sorge fliessenden Rechte werden aber mit der einen Platzierung nicht stärker beschnitten als mit der anderen. 
 
4. 
Nicht nachvollziehbar ist die Verfahrensrüge der willkürlichen Handhabung von § 57 Abs. 1 VRPG/AG: Nach dieser Bestimmung wird, wie die Beschwerdeführer selbst festhalten, über vorsorgliche Massnahmen präsidialiter entschieden; nicht anders wurde in der angefochtenen Verfügung vorgegangen. 
 
5. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind bei diesem Verfahrensausgang den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Gemeinwesen wird in der Regel keine Entschädigung zugesprochen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Kammer für Vormundschaftswesen als zweitinstanzliche vormundschaftliche Aufsichtsbehörde, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 1. September 2008 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Raselli Möckli