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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1390/2022  
 
 
Urteil vom 2. Februar 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichter Muschietti, 
Gerichtsschreiberin Bianchi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
B.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Paul Hofer, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Schändung; Strafzumessung; Willkür, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, 
vom 29. September 2022 (SST.2022.105). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.A.________ hat am 16. Mai 2020 seine Ehefrau C.A.________ bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. B.A.________ wird zudem vorgeworfen, mit seinem Finger in die Vagina von C.A.________ eingedrungen zu sein, als sie bewusstlos war. 
 
B.  
Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten erhob am 9. August 2021 Anklage gegen B.A.________ wegen versuchter vorsätzlicher Tötung gemäss Art. 111 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB und Schändung gemäss Art. 191 StGB
 
C.  
Das Bezirksgericht Muri sprach B.A.________ am 3. November 2021 der versuchten vorsätzlichen Tötung und Schändung schuldig und verurteilte ihn unter Widerruf der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten vom 26. März 2020 bedingt gewährten Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je Fr. 110.-- zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen. Es ordnete vollzugsbegleitend eine ambulante psychotherapeutische Behandlung an. Das Bezirksgericht verpflichtete B.A.________ in teilweiser Gutheissung der Zivilklage von C.A.________ zur Bezahlung einer Genugtuung in der Höhe von Fr. 25'000.-- nebst Zins zu 5% seit dem 16. Mai 2020. 
 
D.  
B.A.________ führte Berufung und die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm führte Anschlussberufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts. Mit Urteil vom 29. September 2022 trat das Obergericht des Kantons Aargau mangels Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm auf die Anschlussberufung nicht ein. Das Obergericht sprach B.A.________ der versuchten vorsätzlichen Tötung und der Schändung schuldig. Es bestrafte B.A.________ mit einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren unter Widerruf des bedingten Vollzugs der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten vom 26. März 2020 bedingt gewährten Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je Fr. 110.--. Es ordnete eine vollzugsbegleitende Massnahme an und verpflichtete B.A.________, der Privatklägerin C.A.________ eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 25'000.-- nebst Zins zu 5% seit dem 16. Mai 2020 zu bezahlen. 
 
E.  
B.A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Obergerichts sei im Schuld- und Strafpunkt aufzuheben. Er sei vom Vorwurf der Schändung freizusprechen und er sei mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren zu verurteilen. Eventualiter sei das Urteil des Obergerichts im Schuld- und Strafpunkt aufzuheben und die Sache sei zur Durchführung eines Beweisverfahrens und zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. B.A.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt willkürlich festgestellt. 
 
2.  
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1, 88 E. 3.1). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 145 IV 154 E. 1.1; 143 IV 241 E. 2.3.1; 140 III 115 E. 2). Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1; 143 IV 241 E. 2.3.1; je mit Hinweisen). Der vorinstanzliche Entscheid muss nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich sein (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 141 IV 305 E. 1.2; Urteil 6B_926/2020 vom 20. Dezember 2022 E. 1.4.1). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1, 88 E. 1.3.1). 
Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 145 IV 154 E. 1.1; Urteil 6B_926/2020 vom 20. Dezember 2022 E. 1.4.2; je mit Hinweisen). Als Beweislastregel ist der Grundsatz verletzt, wenn das Gericht eine angeklagte Person (einzig) mit der Begründung verurteilt, sie habe ihre Unschuld nicht nachgewiesen. Dies prüft das Bundesgericht frei (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.3; Urteil 6B_926/2020 vom 20. Dezember 2022 E. 1.4.2; je mit Hinweisen). 
 
3.  
Die Vorinstanz erwägt, es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer mit seinen Fingern in die Vagina von C.A.________ eingedrungen sei und C.A.________ so lange gewürgt habe, bis sie das Bewusstsein verloren habe. Bestritten sei lediglich, zu welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer seine Finger eingeführt habe und damit einhergehend, ob er die sexuelle Handlung ohne Einverständnis von C.A.________ vorgenommen habe. 
Die Vorinstanz erwägt, C.A.________ habe konstant, schlüssig und glaubhaft ausgesagt, dass der Beschwerdeführer in der Nacht um ca. 3:00 Uhr ins Bett gekommen sei und begonnen habe, ihr Gesäss zu streicheln. Sie sei aufgewacht und habe dem Beschwerdeführer zu verstehen gegeben, dass sie das nicht möchte. Daraufhin sei sie aufgestanden, auf die Toilette gegangen und wieder ins Bett zurückgekehrt. Nachdem der Beschwerdeführer sie erneut am Gesäss gestreichelt und sie ihm gesagt habe, dass sie das nicht wolle, habe er sie zu sich gezogen und sodann gewürgt, bis sie das Bewusstsein verloren habe. Als sie wieder zu sich gekommen sei, sei sie auf allen Vieren im Gang gewesen, wobei ihre Pyjamahose nur noch am linken Bein gehangen habe. Die Version des Beschwerdeführers, wonach nicht ausgeschlossen werden könne, dass er mit seinen Fingern in C.A.________ eingedrungen sei, als sie noch geschlafen habe und sie dies möglicherweise nicht bemerkt habe, sei lebensfremd. Da sie lange Pyjamahosen getragen habe und das Unterhemd in die Hose reingesteckt habe, sei ein Eindringen ohne Herunterziehen der Hose nicht möglich gewesen. C.A.________ habe aber von Beginn an konstant geschildert, dass das Streicheln am Gesäss mit Gewissheit über der Pyjamahose gewesen sei und sie erst nach dem Würgen keine Pyjamahose mehr angehabt habe. Dies decke sich auch mit den glaubhaften Aussagen ihres ältesten Sohnes, der aufgrund der Schreie seiner Mutter aufgewacht sei und seine Mutter im Gang kriechend und unten vollkommen nackt angetroffen habe. Im hinteren Scheidengewölbe von C.A.________ seien DNA-Spuren des Beschwerdeführers sichergestellt worden, der Beschwerdeführer habe vor der Tat während mindestens einer Woche keinen sexuellen Kontakt mit C.A.________ gehabt und im Berufungsverfahren sei grundsätzlich unbestritten geblieben, dass die DNA-Spuren des Beschwerdeführers auf das Eindringen mit den Fingern zurückzuführen sei. Aufgrund der DNA-Spuren sei auszuschliessen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Penis in C.A.________ eingedrungen sei. Vor diesem Hintergrund seien die Anträge des Beschwerdeführers, Gutachten über "Somnophilie", "Dormaphilie" und über die "Weckschwelle" zu erstellen, abzuweisen. 
Die Vorinstanz erwägt weiter, dass die äusseren Tatumstände sich auch mit den inneren Umständen des Beschwerdeführers decken. Die komplett überschiessende Reaktion auf die Zurückweisung füge sich vor dem Hintergrund der bevorstehenden Trennungssituation, dem Verlust seiner einzigen tiefen emotionalen Bindung sowie der enthemmenden Wirkung des Alkohols in ein vom Beschwerdeführer gewohntes Verhaltensmuster ein. Der Auswertung des Mobiltelefons des Beschwerdeführers sei zu entnehmen, dass er in den Tagen und Wochen vor der Tat unzählige Pornographie mit schlafenden oder bewusstlosen Frauen konsumiert habe. Somit sei nicht auszuschliessen, dass die Regungslosigkeit von C.A.________ einen zusätzlichen sexuellen Reiz ausgelöst habe. 
Für die Vorinstanz bestanden vor diesem Hintergrund keine Zweifel, dass der Beschwerdeführer, nachdem er C.A.________ bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt habe, ihr die Hose heruntergezogen und dann seine Finger in ihre Vagina eingeführt habe. 
 
4.  
Die Erwägungen der Vorinstanz sind nachvollziehbar und schlüssig. Es ist nicht ersichtlich, weswegen die Vorinstanz in Willkür verfallen sein soll, indem sie den Antrag des Beschwerdeführers auf eine sexologische bzw. schlafmedizinische Begutachtung abgewiesen hat. In diesem Zusammenhang hat die Vorinstanz im Übrigen überzeugend dargelegt, dass angesichts des von C.A.________ dem Beschwerdeführer wenige Stunden vor der Tat verkündeten Scheiterns der Beziehung ohnehin auszuschliessen gewesen wäre, dass C.A.________ einer sexuellen Handlung während des Schlafes zugestimmt hätte. Ebenfalls nicht in Frage zu stellen vermag der Beschwerdeführer das Beweisergebnis mit dem Einwand, dass entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen das Eindringen in die Vagina möglich sei, ohne die Pyjamahose herunterzuziehen. Es reicht für die Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung nicht aus, zum Beweisergebnis wie in einem appellatorischen Verfahren zu plädieren und darzulegen, wie nach der Meinung des Beschwerdeführers die Aussagen von C.A.________ richtigerweise zu würdigen gewesen wären. Auch die weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers erschöpfen sich in appellatorischer Kritik, weswegen darauf nicht einzutreten ist. Soweit die Kritik des Beschwerdeführers den strengen Begründungsanforderungen überhaupt zu genügen vermag, geht daraus nicht hervor, inwiefern die Vorinstanz in Willkür verfallen sein soll. Die geltend gemachte Rechtsverletzung ist zu verneinen. 
 
5.  
Der Beschwerdeführer beantragt eine Reduktion der Freiheitsstrafe um zwei Jahre. Sofern er diesbezüglich von einem Freispruch des Vorwurfs der Schändung ausgeht, ist nach den obigen Erwägungen auf sein Vorbringen nicht einzutreten. Im Übrigen vermögen seine Ausführungen in diesem Zusammenhang den gesetzlichen Begründungsanforderungen (Art. 42 Abs. 2 BGG) nicht zu genügen, weswegen darauf nicht einzutreten ist. 
 
6.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten, da sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung infolge Aussichtslosigkeit abzuweisen ist. Seinen finanziellen Verhältnissen ist bei der Kostenfestsetzung Rechnung zu tragen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 1'200.--. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. Februar 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Bianchi