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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_1127/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 2. April 2015  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiber Faga. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marc Engler, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
2. X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Eduard M. Barcikowski, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Prozessentschädigung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 16. Oktober 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 A.________ hatte sich im Strafverfahren gegen X.________ als Privatkläger konstituiert. Das Bezirksgericht Horgen erklärte X.________ am 15. November 2013 der mehrfachen Veruntreuung schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 50.-- sowie zu einer Busse von Fr. 1'800.--. Es stellte fest, dass X.________ "gegenüber dem Privatkläger aus dem eingeklagten Ereignis dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig ist" und verwies die Zivilklage im Übrigen auf den Weg des Zivilprozesses. Die Kosten des Verfahrens wurden zu vier Fünfteln X.________ auferlegt und zu einem Fünftel auf die Gerichtskasse genommen. Das Bezirksgericht sprach X.________ eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 3'100.-- zu und verpflichtete ihn, A.________ eine Prozessentschädigung von Fr. 14'400.-- zu bezahlen. 
 
B.  
 
 Auf Berufung von X.________ sprach ihn das Obergericht des Kantons Zürich am 16. Oktober 2014 von der Anklage der mehrfachen Veruntreuung frei und verwies die Zivilklage von A.________ auf den Weg des Zivilprozesses. Die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens wurden auf die Gerichtskasse genommen. Das Obergericht sprach X.________ für das Untersuchungsverfahren und das erstinstanzliche Gerichtsverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 16'483.50 zu. Es auferlegte die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 3'000.-- zu drei Vierteln A.________ und nahm sie zu einem Viertel auf die Gerichtskasse. A.________ wurde verpflichtet, X.________ drei Viertel der auf Fr. 5'812.-- festgesetzten Parteientschädigung zu bezahlen; ein Viertel der Parteientschädigung ging zulasten der Gerichtskasse. 
 
C.  
 
 A.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt die teilweise Aufhebung der Kostenverlegung im angefochtenen Urteil, indem die X.________ zugesprochene Parteientschädigung vollumfänglich aus der Gerichtskasse zu bezahlen sei. 
 
D.  
 
 Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Indessen prüft es grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen. Der Beschwerdeführer muss sich, um der Begründungspflicht im Sinne von Art. 42 Abs. 2 BGG zu genügen, mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzen und klar aufzeigen, inwiefern die Vorinstanz seiner Auffassung nach Recht verletzt (BGE 140 III 86 E. 2 mit Hinweisen). Das Bundesgericht ist an die Anträge der Parteien gebunden und darf nicht über deren Begehren hinausgehen (Art. 107 Abs. 1 BGG). Nachdem nur die Verlegung der Parteientschädigung für den Beschuldigten angefochten ist, ist über die Verlegung der Verfahrenskosten nicht zu entscheiden. 
 
2.  
 
2.1. Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung richten sich auch im Rechtsmittelverfahren nach den Artikeln 429 bis 434 StPO (Art. 436 Abs. 1 StPO).  
 
2.2. Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das Verfahren gegen sie eingestellt, hat sie unter anderem Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte (Art. 429 Abs. 1 StPO). Dieser Anspruch richtet sich in erster Linie gegen den Bund oder den Kanton, der das Verfahren geführt hat (vgl. Art. 423 StPO). Diese Lösung erscheint im Untersuchungsverfahren und im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren folgerichtig, da "der Staat (...) den gesamten Schaden wieder gutmachen (muss), der mit dem Strafverfahren in einem Kausalzusammenhang im Sinne des Haftpflichtrechts steht" (Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006 1329 Ziff. 2.10.3.1). Wird das Strafverfahren eingestellt oder wird die beschuldigte Person freigesprochen, unterliegt im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren - jedenfalls bei Offizialdelikten - nicht primär die Privatklägerschaft, sondern die Staatsanwaltschaft, die in ihrer Eigenschaft als Vertreterin des staatlichen Strafanspruchs (vgl. Art. 16 Abs. 1 StPO) nach eröffneter Untersuchung das Verfahren einstellt oder mit ihrer Anklage nicht durchdringt.  
 
2.3. Der Privatklägerschaft können im Untersuchungsverfahren und im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren im Falle einer Verfahrenseinstellung oder eines Freispruchs bei Offizialdelikten die Kosten nur insoweit auferlegt werden, als diese durch ihre Anträge im Zivilpunkt verursacht worden sind (Art. 427 Abs. 1 StPO). Im gleichen Sinn ist die Verpflichtung der Privatklägerschaft zur Leistung einer Parteientschädigung an die obsiegende beschuldigte Person auf die durch ihre Anträge zum Zivilpunkt verursachten Aufwendungen beschränkt (Art. 432 Abs. 1 StPO).  
 
 Die gesetzliche Kostenregelung sieht demzufolge im Hinblick auf die Kostenregelung ein Korrektiv für Fälle vor, in denen das Verfahren nicht primär zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, sondern vorwiegend im Interesse der Privatklägerschaft geführt wird. Gestützt darauf hat das Bundesgericht entschieden, dass die Privatklägerschaft auch dann zur Leistung einer Parteientschädigung an die obsiegende beschuldigte Person verpflichtet werden kann, wenn sie allein Berufung erhoben hat und folglich die zusätzlichen Kosten des Rechtsmittelverfahrens ausschliesslich von ihr verursacht worden sind (BGE 139 IV 45 E. 1.2). 
 
2.4. Zur Begründung ihrer teilweisen Auferlegung der Parteientschädigung an den Beschwerdeführer beruft sich die Vorinstanz auf den erwähnten Entscheid des Bundesgerichts. Sie stellt sich auf den Standpunkt, es liege "aufgrund des Engagements der Privatklägerschaft im Berufungsverfahren ... eine vergleichbare Situation vor, wie sie in Art. 432 StPO umschrieben ist" (angefochtenes Urteil, S. 29).  
 
 Die Vorinstanz verkennt, dass im vorliegenden Fall die beschuldigte Person im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren im Wesentlichen im Sinne der Anklage schuldig gesprochen wurde. Für den Beschwerdeführer bestand keine Veranlassung, ein mit zusätzlichen Aufwendungen verbundenes Rechtsmittelverfahren in die Wege zu leiten. Vielmehr war es allein die beschuldigte Person, die sich mit der von ihr erhobenen Berufung in erster Linie gegen den von der Staatsanwaltschaft vertretenen staatlichen Strafanspruch zur Wehr setzte und mit ihren Anträgen letztlich obsiegte. Der Beschwerdeführer nahm zwar an dem von der beschuldigten Person initiierten Berufungsverfahren teil. Er stellte aber weder selbstständige Rechtsbegehren noch beantragte er die zusätzliche Abnahme von Beweisen, sondern begnügte sich mit seinem Antrag auf Bestätigung des im Berufungsverfahren angefochtenen Urteils. Dass durch seine im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Anträge zum Zivilpunkt zusätzliche Aufwendungen entstanden sind, macht die Vorinstanz zu Recht nicht geltend. 
 
 Damit unterscheidet sich das vorliegende Verfahren aber wesentlich vom Sachverhalt, der im Entscheid BGE 139 IV 45 zur Diskussion gestanden hatte. Der Beschwerdeführer hatte, nachdem er im erstinstanzlichen Verfahren mit seinen Anträgen weitgehend durchgedrungen war, kein Interesse an der Durchführung eines zusätzlichen Rechtsmittelverfahrens. Im Berufungsverfahren stand der nicht von ihm, sondern von der Staatsanwaltschaft mit ihrer Anklage vertretene staatliche Strafanspruch im Vordergrund. Als Partei im erstinstanzlichen Verfahren war der Beschwerdeführer berechtigt, seinen Standpunkt auch in dem nicht von ihm veranlassten Berufungsverfahren zum Ausdruck zu bringen, wobei er sich mit seinem Antrag auf Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils auf das Notwendigste beschränkte. Indem ihm die Vorinstanz trotzdem einen Teil der der beschuldigten Person zugesprochenen Parteientschädigung auferlegte, hat sie Art. 436 i.V.m. Art. 432 StPO verletzt. 
 
3.  
 
 Die Beschwerde ist gutzuheissen, Ziff. 9 des angefochtenen Urteils ist aufzuheben und die Sache ist zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 BGG). Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen, Ziffer 9 des angefochtenen Urteils wird aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. April 2015 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Faga