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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_979/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 2. April 2015  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Held. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Staatsanwaltschaft des Kantons Glarus, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
X.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Widerhandlung gegen das Ausländergesetz, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Glarus vom 29. August 2014. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
 X.________ vermietete die Studiowohnung in seiner von ihm im Erdgeschoss bewohnten Liegenschaft jeweils kurzfristig an Sexarbeiterinnen zu einem Tagespreis von Fr. 80 bis Fr. 100.-. Am 13. August 2009 war das Studio an A.________ aus Ungarn und am 12. Februar 2010 an B.________ aus Litauen vermietet. Beide waren zum fraglichen Zeitpunkt als erotische Masseusen tätig und verfügten über eine gültige Kurzaufenthaltsbewilligung EG/EFTA respektive eine Aufenthaltsbewilligung B, die zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit berechtigen. 
 
2.  
 
 Das Obergericht des Kantons Glarus sprach X.________ am 29. August 2014 im Berufungsverfahren "vom Vorwurf des mehrfachen Beschäftigens ausländischer Arbeitnehmerinnen ohne Bewilligung im Sinne von Art. 117 Abs. 1 AuG in Verbindung mit Art. 11 Abs. 3 AuG" frei. 
 
3.  
 
 Die Staatsanwaltschaft des Kantons Glarus führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und X.________ wegen mehrfachen Beschäftigens einer (ausländischen) Arbeitnehmerin ohne Bewilligung zu verurteilen. Die Vorinstanz habe den Beschwerdegegner korrekt als Arbeitgeber im Sinne von Art. 117 Abs. 1 AuG qualifiziert, denn er habe A.________ und B.________ durch die Vermietung des Studios die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit überhaupt erst ermöglicht. Der Begriff des Arbeitgebers beinhalte (spiegelbildlich), dass die beiden Frauen Arbeitnehmerinnen und damit unweigerlich unselbstständig seien. Auch gemäss ständiger Praxis des Kantons Glarus gelte Prostitution als unselbstständige Arbeit. Der Beschwerdegegner sei deshalb gestützt auf Art. 11 Abs. 3 und 91 Abs. 1 AuG für die Einholung einer Bewilligung (für unselbstständig Erwerbende) verpflichtet gewesen. 
 
4.  
 
4.1. Der angefochtene Entscheid verletzt im Ergebnis kein Bundesrecht. Nicht einzutreten ist auf die Rügen, die von den Kantonen Thurgau und Bern ausgestellten und für die Gesamtschweiz gültigen Bewilligungen für Selbstständige könnten zu Unrecht erteilt worden sein. Die Rechtmässigkeit der verwaltungsrechtlichen Bewilligungen ist nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheids und könnte im vorliegenden Strafverfahren auch nicht überprüft werden (vgl. BGE 129 IV 246 E. 2.1; 6B_306/2014 vom 29. Januar 2015 E. 1.3; Vetterli/D'Addario di Paolo, in: Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, Handkommentar (SHK), Bern 2010, N. 8 f. zur Vorb. Art. 115-120 AuG). Zudem ist weder dargetan noch ersichtlich, inwieweit ein allfälliges Fehlverhalten kantonaler Behörden bei der Erteilung von Erwerbsbewilligungen ein strafbares Verhalten des Beschwerdegegners begründen sollte.  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin und die Vorinstanz verkennen, dass es auf die rechtliche Qualifikation der Stellung des Beschwerdegegners vorliegend nicht ankommt, da Art. 117 Abs. 1 AuG nicht zur Anwendung gelangt. In Anwendung des Freizügigkeitsabkommens (FZA; SR 0.142.112.681) ausgestellten Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen kommt nach gefestigter Rechtsprechung kein rechtsbegründender Charakter, sondern bloss deklarative Bedeutung zu. Der Aufenthalt von bzw. die Erwerbstätigkeit durch EU- oder EFTA-Staatsangehörige in der Schweiz ist auch bei fehlender Bewilligung nicht rechtswidrig, weshalb der Arbeitgeber, der unter das Freizügigkeitsabkommen fallende Staatsangehörige in der Schweiz ohne Bewilligung beschäftigt, nicht strafbar ist (BGE 134 IV 57 E. 4 zu Art. 23 Abs. 4 ANAG [BS 1 121]; Urteil des EuGH in der Rechtssache C-459/99, Mouvement contre le racisme, antisémitisme et la xénophobie [MRAX], Slg. 2002, I-6591, Rz. 74; Vetterli/D'Addario di Paolo, a.a.O, N. 32 zu Art. 115 AuG).  
 
 A.________ und B.________ verfügten jeweils über eine Bewilligung zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit für EU/EFTA-Bürger. Das ihnen gemäss Art. 14 Anhang I FZA als selbstständig Erwerbende im gesamten Hoheitsgebiet der Schweiz garantierte Recht auf berufliche und geographische Mobilität umfasst zudem den Wechsel des Berufs und den Übergang von einer selbstständigen zu einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit sowie den Wechsel des Arbeits- und des Aufenthaltsortes. 
 
4.3. Im Übrigen verneint die Vorinstanz ein strafbares Verhalten des Beschwerdegegners im Ergebnis zu Recht. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann Prostitution in der Schweiz sowohl selbstständig als auch unselbstständig ausgeübt werden (BGE 140 II 460 E. 4.2 S. 468). Gestützt auf ihre verbindlichen, nicht substanziiert bestrittenen Sachverhaltsfeststellungen qualifiziert die Vorinstanz die von A.________ und B.________ ausgeübte Prostitution zutreffend als selbstständige Erwerbstätigkeit. Der Beschwerdegegner hatte keinen Einfluss auf Art, Umfang und Dauer der beruflichen Aktivitäten. Eine organisatorische und wirtschaftliche Abhängigkeit der beiden Frauen von ihm bestand nicht. Seine Tätigkeit beschränkte sich ausschliesslich auf die entgeltliche Überlassung der Studiowohnung als "möbliertes Arbeitszimmer" und ging nicht über die eines gewöhnlichen Vermieters hinaus. Dass A.________ und B.________ die Miete durch selbstbestimmte Prostitution finanzierten, genügt nicht, um den Beschwerdegegner als faktischen Arbeitgeber im Sinne von Art. 117 Abs. 1 AuG zu qualifizieren.  
 
5.  
 
 Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dem Beschwerdegegner sind im bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden, weshalb keine Parteientschädigung auszurichten ist (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
 
 Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
 
 Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
 
 Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Glarus schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. April 2015 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Held