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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_819/2012 
 
Urteil vom 2. Mai 2013 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin, 
Bundesrichter Ursprung, Maillard, 
Gerichtsschreiber Krähenbühl. 
 
Verfahrensbeteiligte 
K.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Erich Züblin, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) 
des Kantons Aargau, Rain 53, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Erlass [Rückerstattung]), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 4. September 2012. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit rechtskräftig gewordener Verfügung vom 20. Mai 2012 forderte die Arbeitslosenkasse UNIA von der 1976 geborenen K.________ Taggelder der Arbeitslosenversicherung in Höhe von Fr. 13'754.80 zurück, da diese für die Zeit ab April 2010 zu viel ausgerichtet worden seien. Ein Gesuch um Erlass dieser Rückerstattungsschuld lehnte das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Aargau mangels Gutgläubigkeit beim Leistungsbezug mit Verfügung vom 11. November 2011 ab, was es auf Einsprache hin mit Entscheid vom 24. Februar 2012 bestätigte. 
 
B. 
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die dagegen gerichtete Beschwerde mit Entscheid vom 4. September 2012 ab. 
 
C. 
K.________ lässt beschwerdeweise beantragen, es sei ihr die Rückerstattungsschuld von Fr. 13'754.80 unter Aufhebung des kantonalen Entscheids zu erlassen; eventuell sei die Sache unter Bejahung der Gutgläubigkeit beim Leistungsbezug zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz oder an die Verwaltung zurückzuweisen. 
Das AWA sieht unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid von einer Stellungnahme zur Sache ab. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Dabei legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Diese kognitionsrechtliche Ordnung führt bei Streitigkeiten um den Erlass der Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen gegenüber der bis 31. Dezember 2006 unter der Herrschaft des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) geltenden Rechtslage zu keinen grundlegenden Neuerungen, war doch die Erlassfrage schon nach damaligem Recht nur mit eingeschränkter Kognition überprüfbar (Urteil 8C_312/2012 vom 19. Juni 2012 mit Hinweisen). 
 
2. 
Die unbestrittenermassen in Rechtskraft erwachsene Rückforderung von Fr. 13'754.80 als solche kann im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht mehr auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüft werden. Streitig und zu prüfen ist einzig noch der Erlass der Rückerstattungsschuld. 
 
2.1 Wie das kantonale Gericht zutreffend dargelegt hat, sind unrechtmässig bezogene Leistungen gemäss Art. 25 Abs. 1 ATSG, auf welchen Art. 95 Abs. 1 AVIG verweist, zurückzuerstatten (Satz 1); wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt (Satz 2). 
 
2.2 Nach der Rechtsprechung entfällt der gute Glaube als Erlassvoraussetzung von vornherein, wenn der Rückerstattungstatbestand (Melde- oder Auskunftspflichtverletzung) durch ein arglistiges oder grobfahrlässiges Verhalten herbeigeführt worden ist. Andererseits kann sich die versicherte Person auf den guten Glauben berufen, wenn ihre fehlerhafte Handlung oder Unterlassung nur eine leichte Verletzung der Melde- oder Auskunftspflicht darstellt (BGE 112 V 97 E. 2c S. 103 mit Hinweisen). 
 
2.3 Gemäss der vor Inkrafttreten des BGG ergangenen - und weiterhin relevanten (E. 1 hiervor) - Rechtsprechung ist bei der Frage nach der Gutgläubigkeit beim Leistungsbezug hinsichtlich der Überprüfungsbefugnis des Gerichts zu unterscheiden zwischen dem guten Glauben als fehlendem Unrechtsbewusstsein und der Frage, ob sich jemand unter den gegebenen Umständen auf den guten Glauben berufen kann oder ob er bei zumutbarer Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen sollen. Die Frage nach dem Unrechtsbewusstsein gehört zum inneren Tatbestand und wird daher als Tatfrage von der Vorinstanz für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich beurteilt. Demgegenüber gilt die Frage nach der gebotenen Aufmerksamkeit als frei überprüfbare Rechtsfrage, soweit es darum geht, festzustellen, ob sich jemand angesichts der jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse auf den guten Glauben berufen kann (BGE 122 V 221 E. 3 S. 223, ARV 1998 Nr. 41 S. 234 E. 3, je mit Hinweisen). 
 
3. 
Bei der Berechnung der für die Zeit ab April 2010 ausgerichteten Taggelder unterliefen der Arbeitslosenkasse zwei Fehler. Zum einen liess sie unberücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin beabsichtigt hatte, nach der erwarteten Geburt ihres Kindes nicht mehr vollzeitlich erwerbstätig zu sein, weshalb sie sich der Arbeitsvermittlung denn auch bloss für ein 60%iges Pensum zur Verfügung stellte. Zum anderen wurde der Taggeldanspruch auf 70 % - statt der bei Versicherten mit Unterhaltspflichten gegenüber Kindern unter 25 Jahren gesetzlich vorgesehenen 80 % - der zufolge Arbeitslosigkeit erlittenen Verdiensteinbusse (Art. 22 Abs. 1 und 2 AVIG) festgesetzt. Nach Entdeckung dieser Versehen ergab ein Vergleich der nunmehr korrekt berechneten Ansprüche mit den effektiv ausgerichteten Zahlungen, dass in den Monaten April 2010 bis und mit April 2011 ein Betrag von insgesamt Fr. 13'754.80 zu viel zur Ausrichtung gelangt war. Dieser wurde gestützt auf Art. 25 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 95 Abs. 1 AVIG mit Verfügung vom 20. Mai 2012 zurückgefordert. 
 
3.1 Zum Vorliegen eines Unrechtsbewusstseins (vgl. E. 2.3 hievor) hat sich die Vorinstanz zwar - bezogen auf den konkret zur Diskussion stehenden Fall - nicht geäussert, doch besteht keine Veranlassung zur Annahme, die Beschwerdeführerin hätte absichtlich die Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung erwirkt, auf welche sie keinen Anspruch hatte, und sei sich dessen auch bewusst gewesen. 
 
3.2 Gegen die Gutgläubigkeit beim Leistungsbezug spricht darüber hinaus aber auch das Vorliegen einer grobfahrlässigen Verletzung der Auskunfts- und/oder der Meldepflicht, was gegebenenfalls als Indiz dafür gewertet werden kann, dass die Leistungsbezügerin bei Aufbringung der von ihr zu erwartenden Sorgfalt und Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen können und müssen. Wie auch in anderen Bereichen beurteilt sich die geforderte Sorgfalt nach einem objektiven Massstab, wobei jedoch das den Betroffenen in ihrer Subjektivität Mögliche und Zumutbare (Urteilsfähigkeit, Gesundheitszustand, Bildungsgrad usw.) nicht ausgeblendet werden darf (SVR 2007 IV Nr. 13 S. 49 E. 4.4 sowie Urteile 9C_14/2007 vom 2. Mai 2007 E. 4.1 und I 622/05 vom 14. August 2006 E. 3). 
3.2.1 Vorinstanz und Verwaltung begründeten die Verneinung der für einen Erlass der Rückerstattungsschuld vorausgesetzten Gutgläubigkeit beim Leistungsbezug damit, dass die Beschwerdeführerin schon bei der Prüfung der ersten Taggeldabrechnung mit dem von ihr zu erwartenden Mindestmass an Aufmerksamkeit hätte bemerken müssen, dass der der Berechnung zugrunde gelegte versicherte Verdienst trotz der korrekt angezeigten Absicht, sich lediglich für ein 60%iges Arbeitspensum zur Verfügung stellen zu wollen, auf einem Vollzeitpensum basierte; dies wäre zu melden gewesen oder hätte zumindest Anlass geboten, sich bei der Arbeitslosenkasse genauer informieren zu lassen. Dass sie beides unterlassen hatte, wurde als grobfahrlässige Verletzung der sich aus Art. 28 ATSG ergebenden Auskunfts- und Meldepflicht betrachtet und stand daher der Annahme einer Gutgläubigkeit beim Leistungsbezug entgegen. 
3.2.2 In dem von der Beschwerdeführerin angerufenen und auch im angefochtenen Entscheid erwähnten bundesgerichtlichen Urteil C 49/04 vom 2. August 2004 hat das seinerzeitige Eidgenössische Versicherungsgericht (seit 1. Januar 2007: I. und II. sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts) in E. 3.4 festgehalten, der Betrag der jeweils konkret ausbezahlten Entschädigungen stehe gegenüber dem - bloss ein Berechnungselement derselben bildenden - versicherten Verdienst fraglos im Vordergrund des Interesses der Leistungen der Arbeitslosenversicherung beanspruchenden Personen, welche sich in aller Regel primär darum kümmern müssen, wie sie mit den zufolge ihrer Arbeitslosigkeit verminderten Einkünften ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen. Im Hinblick darauf konnte in jenem Urteil der damaligen Beschwerdeführerin die Gutgläubigkeit beim Leistungsbezug zugestanden werden, obschon der in den Abrechnungsblättern jeweils angegebene versicherte Monatslohn aufgrund versehentlich unrichtiger Arbeitgeberangaben Fr. 1'000.- höher lag als der zufolge Arbeitslosigkeit entgangene, ebenfalls entsprechend der Vermittelbarkeit auf 60 % des früheren Gehalts reduzierte Verdienst, die ausgerichteten Entschädigungen dessen Betrag jedoch nicht erreichten oder nur in zwei einzelnen Monaten in geringfügigem Ausmass überstiegen. 
3.2.3 Anders verhält es sich hier. Die Beschwerdeführerin bezog jeweils Taggelder, welche den auf 60 % reduzierten Lohn an der früheren Stelle - hätte sie diese so behalten können - von Fr. 3'283.- (60 % von Fr. 5'471.-) regelmässig deutlich überstiegen. Es darf davon ausgegangen werden, dass sie sich im Hinblick auf die wegen der bevorstehenden Niederkunft in Betracht gezogene Reduktion des Arbeitspensums auch Gedanken über die damit zu erwartende Verminderung ihrer Entlöhnung gemacht hat, sodass ihr hätte auffallen müssen, dass sie als nunmehr Arbeitslose eine Entschädigung ausbezahlt erhielt, die höher war als der Lohn, den sie bei Fortsetzung des früheren Arbeitsverhältnis mit auf 60 % reduziertem Pensum zu erwarten gehabt hätte. Auch hätte ihr ohne weiteres einleuchten müssen, dass die Arbeitslosenentschädigung nicht auf der Basis des früher - mit 100%igem Pensum - erzielten Lohnes bemessen würde, sondern nur derjenige Verdienst Berechnungsgrundlage bilden kann, den sie mit demjenigen Pensum (60 %) erzielen könnte, das sie tatsächlich noch zu erfüllen bereit war, konnte sie sich selbst doch nur im Ausmass der deklarierten Vermittlungsbereitschaft als arbeitslos betrachten. Vorausgesetzt werden darf ferner, dass sich eine Arbeitslosentaggelder beanspruchende Person dessen bewusst ist, dass ihr die Versicherung nicht den gesamten wegen ihrer Arbeitslosigkeit entgangenen Verdienst ersetzt, sondern laut Art. 22 Abs. 1 und 2 AVIG lediglich einen Bruchteil davon (konkret: 70 % resp. 80 %; vgl. E. 3 Ingress hievor). 
3.2.4 Bei diesen klaren Verhältnissen kann der Beschwerdeführerin der Vorwurf nicht erspart bleiben, die jeweiligen Abrechnungsblätter nicht mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft zu haben, um erkennen zu können, dass die ihr über Monate hinweg ausbezahlte - einige hundert Franken über dem auf 60 % reduzierten früheren Lohn liegende - Arbeitslosenentschädigung deutlich zu hoch ausgefallen war. Darauf hätte sie die Arbeitslosenkasse aufmerksam machen müssen. Durch das fehlerhafte Vorgehen der Verwaltung bei der Taggeldberechnung wird ihre mangelnde Gutgläubigkeit nicht aufgewogen. 
 
3.3 Indem das AWA und dieses bestätigend die Vorinstanz der Beschwerdeführerin die Gutgläubigkeit beim Leistungsbezug wegen grobfahrlässiger Meldepflichtverletzung abgesprochen und ihr damit den beantragten Erlass der Rückerstattungsschuld versagt haben, wurde kein Bundesrecht verletzt. 
 
4. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten von der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Deren Höhe ist auf Grund von Art. 65 Abs. 2 BGG unter anderem nach Massgabe des Streitwerts (Fr. 13'754.80) zu bestimmen, geht es nach der Rechtsprechung beim Erlass einer Rückerstattungsschuld doch nicht um Sozialversicherungsleistungen im Sinne von Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 2. Mai 2013 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Leuzinger 
 
Der Gerichtsschreiber: Krähenbühl