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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_266/2010 
 
Urteil vom 2. Juni 2010 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichter L. Meyer, von Werdt, 
Gerichtsschreiber Schett. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Fürsprecher Dr. René Müller, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
unentgeltliche Rechtspflege (Ehescheidungsverfahren), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, vom 18. Februar 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Im Scheidungsverfahren zwischen Z.________ (nachfolgend Beschwerdegegner) und X.________ (nachfolgend Beschwerdeführerin) hatte es der Gerichtspräsident von A.________ mit Verfügung vom 20. Oktober 2008 abgelehnt, den unentgeltlichen Vertreter der Beschwerdeführerin, R.________, zu entlassen und Fürsprecher René Müller einzusetzen. 
 
Die Beschwerdeführerin stellte im Appellationsverfahren erneut ein solches Gesuch. Sie brachte vor, dass sie ihr Vertrauen in Rechtsanwalt R.________ verloren und dies bereits am 11. September 2008 dem Gerichtspräsidium mitgeteilt habe. Mit Beschluss vom 18. Februar 2010 wurde das Gesuch der Beschwerdeführerin um Einsetzung von Fürsprecher Dr. René Müller, Brugg, als neuer unentgeltlicher Rechtsvertreter abgewiesen und Rechtsanwalt R.________ wurde als unentgeltlicher Rechtsvertreter entlassen. Mit Urteil in demselben Entscheid wurde die Appellation teilweise gutgeheissen, der Unterhaltsbeitrag an die Tochter herabgesetzt und die Zahlungspflicht desjenigen an die Beschwerdeführerin bis zum Eintritt des Beschwerdegegners ins AHV-Alter verlängert. 
 
B. 
Mit Eingabe vom 8. April 2010 gelangt die Beschwerdeführerin an das Bundesgericht und beantragt, der Beschluss des Obergerichts vom 18. Februar 2010 sei aufzuheben und das Obergericht anzuweisen, den unterzeichneten Anwalt als unentgeltlichen Vertreter der Beschwerdeführerin für das Appellationsverfahren einzusetzen. Sodann ersucht die Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
Es wurde keine Vernehmlassung eingeholt. 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG), mit dem die unentgeltliche Rechtspflege in dem Sinne verweigert worden ist, als die Einsetzung des die Beschwerdeführerin im Appellationsverfahren vertretenden Anwalts als neuer unentgeltlicher Rechtsvertreter abgewiesen wurde. Dabei handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131), dessen ungeachtet, ob er während des Hauptverfahrens, zusammen mit dessen Endentscheid oder nach diesem ergangen ist (Urteil 5A_108/2007 vom 11. Mai 2007 E. 1.2). 
 
1.2 Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache. In dieser geht es um ein Scheidungsverfahren, mithin um eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG). 
 
Wie schon unter der Herrschaft des OG gelten familienrechtliche Klagen mit den finanziellen Nebenfolgen als nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten, wenn die Regelung dieser Folgen notwendiger Bestandteil des Entscheides über die nicht vermögensrechtliche Streitigkeit ist (Urteile 5D_76/2009 vom 8. Juli 2009 E. 1; 5A_484/2008 vom 16. September 2008 E. 1.2; 5D_119/2007 vom 11. März 2008 E. 2.3). Vorliegend waren nebst der Unterhaltsregelung noch das Besuchs- und Ferienrecht von Y.________ streitig, weshalb von einer nicht vermögensrechtlichen Streitigkeit auszugehen ist (s. Urteil der Vorinstanz E. 2.2 S. 10/11). Damit ist auch gegen den angefochtenen Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde in Zivilsachen gegeben. Mit ihr kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden, worunter auch die Verletzung verfassungsmässiger Rechte fällt (Art. 95 lit. a BGG). 
 
2. 
2.1 Die Vorinstanz hat erwogen (E. 8.2 S. 28), bei der Zuweisung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters trage der Richter den Wünschen einer Partei angemessen Rechnung (§ 130 Abs. 1 ZPO/AG). Die Partei könne den ihr zugewiesenen Rechtsvertreter aus zureichenden Gründen ablehnen und die Bezeichnung eines anderen Anwaltes beantragen (§ 130 Abs. 2 ZPO/AG). Ein nachträglicher Vertreterwechsel sei insbesondere dann, wenn die ursprüngliche Zuweisung antragsgemäss erfolgt sei, nur zurückhaltend zu gewähren und setze wichtige Gründe voraus. Würde die Partei glaubhaft dartun können, dass der bestellte Anwalt ihre Interessen nicht pflichtgemäss wahre, sei ihr ein anderer Rechtsvertreter zu bestellen. Es genüge nicht, dass eine Partei geltend mache, sie habe das Vertrauen in ihren unentgeltlichen Rechtsvertreter verloren. Erforderlich seien objektive Gründe, die eine sachgerechte Vertretung nicht mehr gewährleisteten. Das bloss subjektive Empfinden der Partei genüge nicht, solange der unentgeltliche Rechtsvertreter seiner Partei nicht offenkundig schade. 
 
Das Obergericht fährt fort, die Bescherdeführerin habe keine konkreten Anhaltspunkte für eine objektiv nicht pflichtgemässe Erfüllung des Mandates dargetan, und solche seien aus den Prozessakten auch nicht ersichtlich. Soweit die Beschwerdeführerin auf ihr Schreiben vom 1. September 2008 verweise, sei sie damit nicht zu hören, seien doch diese Vorbringen bereits Gegenstand der abweisenden mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Verfügung vom 20. Oktober 2008 gewesen. Die mit diesem Schreiben geltend gemachten Gründe seien schon gerichtlich beurteilt worden, weshalb nicht mehr darauf einzugehen sei. Mangels zureichender (anderer) Gründe sei das Begehren der Beschwerdeführerin daher abzuweisen. Ihr neuer Rechtsvertreter habe als auf eigene Kosten bestellter Anwalt zu gelten. Für die Gerichtskosten bleibe der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege aber gewahrt. 
 
2.2 
2.2.1 Die von der Vorinstanz unter anderem auf die kantonale Praxis abgestützte Auffassung, wonach der Verlust des Vertrauens ohne objektiven Grund keinen Anspruch auf Ernennung eines anderen Anwalts gibt, wird von der Lehre geteilt (LEUCH/MARBACH/KELLERHALS/ STERCHI, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Aufl., N. 10a zu Art. 77 ZPO, S. 264 mit Hinweis auf BGE 114 Ia 101; BARBARA MERZ, Die Praxis zur thurgauischen Zivilprozessordnung, N. 10 zu § 82 ZPO; s. auch STEFAN MEICHSSNER, Das Grundrecht auf unentgeltliche Rechtspflege (Art. 29 Abs. 3 BV), S. 198 f. mit weiteren Hinweisen). Ob der von der Beschwerdeführerin mandatierte Anwalt, der im obergerichtlichen teilweise obsiegt hat, unter Abzug der Einarbeitungskosten zu entschädigen wäre, ist infolge Nichteintretens (E. 2.2.2 nachfolgend) nicht zu prüfen. 
 
2.2.2 Zur Begründung ihres Antrags macht die Beschwerdeführerin geltend, der geschiedene Ehemann habe gemäss dem beiliegenden E-Mail vom 18. März 2010 u.a. ausgeführt: "Ich fing auch an zu verstehen, weshalb Herr R.________ zum Ende hin - nach all den Jahren bedingungsloser Umsetzung deiner Manipulationen - zum Wohle von Y.________ deinem Diktat nicht mehr folgen und sich nicht weiterhin von dir instrumentalisieren lassen wollte. Er hat - im Gegensatz zu dir - den erforderlichen Realitätssinn für die Situation aufgebracht und sich entsprechend kooperativ gezeigt, um eine für Y.________ förderliche Situation zu etablieren." Daraus schliesst die Beschwerdeführerin, ihr Rechtsvertreter habe gegen Ende des Verfahrens sich nicht mehr an ihre Weisungen gehalten. 
 
Diese Schlussfolgerung und die weiteren Ausführungen dazu können nicht gehört werden. Sie sind unzulässig, da es sich dabei um echte Noven, d.h. Tatsachen handelt, die nach dem Entscheid der Vorinstanz eingetreten sind (BGE 133 IV 342 E. 2 S. 343 f.; 134 IV 97 E. 5.1.3 S. 103). Daran ändert - entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin - nichts, dass sie hiermit auf ein Revisionsverfahren verwiesen werde. 
 
2.2.3 Da die Beschwerdeführerin ausser der Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV keine Missachtung von kantonalem Prozessrecht rügt, kann auf die Beschwerde insgesamt nicht eingetreten werden. 
 
3. 
Ausgangsgemäss hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG), denn ihrer Beschwerde konnte von vornherein keine Aussicht auf Erfolg beschieden sein, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen werden muss. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 2. Juni 2010 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: 
 
Hohl Schett