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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_980/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 2. Juni 2015  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Gerichtsschreiber Winiger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.B.________, Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwältin Evelyne Suter, 
 
gegen   
 
Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern, 
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern. 
 
Gegenstand 
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung infolge Auflösung der Ehegemeinschaft, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 22. September 2014. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die thailändische Staatsangehörige A.B.________ (geb. 1973) heiratete am 8. Juni 2007 in ihrer Heimat den Schweizer Bürger C.B.________ (geb. 1951). Am 16. September 2007 reiste sie in die Schweiz ein und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung. Ihre drei Kinder aus einer früheren Beziehung verblieben in Thailand. In der Folge wurde die Aufenthaltsbewilligung jeweils verlängert, letztmals bis zum 15. September 2012.  
 
1.2. Mit Verfügung vom 20. März 2013 verweigerte das Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von A.B.________ infolge Auflösung der Ehegemeinschaft und wies sie aus der Schweiz weg. Die dagegen von A.B.________ ergriffenen kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (Entscheid der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern vom 9. September 2013 bzw. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 22. September 2014).  
 
1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 24. Oktober 2014 beantragt A.B.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 22. September 2014 sei aufzuheben, eventualiter die Sache zu weiteren Abklärungen bzw. zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Zudem beantragt sie die unentgeltliche Rechtspflege. Das Verwaltungsgericht und die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern sowie das Bundesamt für Migration (ab 1. Januar 2015: Staatssekretariat für Migration) beantragen, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Migrationsamt des Kantons Bern verzichtet auf eine Vernehmlassung.  
 
1.4. Mit Verfügung vom 28. Oktober 2014 hat der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt.  
 
2.   
 
2.1. Die Beschwerdeführerin beruft sich in vertretbarer Weise (vgl. BGE 136 II 177 E. 1.1 S. 179) auf einen Bewilligungsanspruch gestützt auf Art. 50 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20), so dass insoweit die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG). Ob der geltend gemachte Anspruch tatsächlich besteht, ist Sache der materiellen Beurteilung.  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine solche Rüge ist rechtsgenüglich vorzutragen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 II 304 E. 2.4/2.5 S. 313 f.).  
 
2.3. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt ("unechte" Noven gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG). Unzulässig sind hingegen neue Tatsachen, die bereits der Vorinstanz hätten vorgelegt werden können (Urteil 2C_170/2013 vom 20. Juni 2013 E. 1.3). Die neu eingereichten Lohnausweise vom Januar bis August 2014 sind daher unbeachtlich. Der Lohnausweis vom 30. September 2014 ist als echtes Novum unzulässig (BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123; 133 IV 342 E. 2.1 S. 344).  
 
3.   
 
3.1. Gemäss Art. 42 Abs. 1 AuG haben ausländische Ehegatten von Schweizerinnen und Schweizern Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen. Nach Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft besteht der Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht (Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG). Massgeblicher Zeitpunkt für die retrospektive Berechnung der Dauer der ehelichen Gemeinschaft ist in der Regel die Aufgabe der Hausgemeinschaft, da sich die ausländische Person ab diesem Moment grundsätzlich nicht mehr auf ihren bisherigen Anspruch gemäss Art. 42 Abs. 1 AuG stützen kann. Nicht relevant ist demgegenüber, bis zu welchem Zeitpunkt die Ehe nach Beendigung des ehelichen Zusammenlebens formell noch weiter bestanden hat (BGE 136 II 113 E. 3.2 S. 117). Das Erfordernis des Zusammenwohnens besteht nur dann nicht, wenn für getrennte Wohnorte wichtige Gründe geltend gemacht werden und die Familiengemeinschaft weiter besteht (Art. 49 AuG). Wichtige Gründe für eine Ausnahme vom Erfordernis des Zusammenwohnens können insbesondere durch berufliche Verpflichtungen oder durch eine vorübergehende Trennung wegen erheblicher familiärer Probleme entstehen (Art. 76 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]). Mit Blick auf letztere Bestimmung ist jeweils aufgrund sämtlicher Umstände im Einzelfall zu bestimmen, ab welchem Zeitpunkt die eheliche Gemeinschaft als definitiv aufgelöst zu gelten hat. Grundsätzlich ist dabei auf die Dauer der nach aussen wahrnehmbaren ehelichen Wohngemeinschaft abzustellen (BGE 137 II 345 E. 3.1.2 S. 347).  
Unabhängig davon, ob die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre gedauert hat, besteht der Anspruch des ausländischen Ehegatten auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung auch dann weiter, wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen. Wichtige persönliche Gründe können namentlich vorliegen, wenn die Ehegattin oder der Ehegatte Opfer ehelicher Gewalt wurde und die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint (Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AuG). 
 
3.2. Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz festgestellt, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Schweizer Ehemann vom 16. September 2007 bis zum 3. Mai 2010 einen gemeinsamen Haushalt führten, was nur einer Dauer der Ehegemeinschaft von knapp 32 Monaten entspreche (vgl. angefochtener Entscheid E. 4.2). Wichtige Gründe für das Getrenntleben hätten sodann keine vorgelegen (vgl. angefochtener Entscheid E. 4.3 und 4.4) und es könne auch nicht von einer erfolgreichen Integration der Beschwerdeführerin gesprochen werden (vgl. angefochtener Entscheid E. 4.5). Schliesslich lägen keine wichtigen persönlichen Gründe für einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz vor (vgl. angefochtener Entscheid E. 6).  
 
3.2.1. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin liegt hier weder eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts noch eine fehlerhafte Beweiswürdigung vor. So hat sich die Beschwerdeführerin bereits im Jahr 2009 nur einen Monat in der Schweiz aufgehalten. Am 3. Mai 2010 liess sie sich als Prostituierte in Genf registrieren. Weiter gab sie zu Protokoll, dass sie nur noch zweimal im Monat zu ihrem Ehemann zurückkehre. Zwar verbrachten die Eheleute über den Jahreswechsel 2011/2012 noch gemeinsame Ferien in Thailand, aber nach einem Schlaganfall des Ehemannes im Frühjahr 2012 nahm der Kontakt kontinuierlich ab, bis er vollständig versiegte. In einer weiteren Befragung gab die Beschwerdeführerin an, sie sei seit Juni 2010 nur noch tageweise - im Jahr 2012 nur fünf Tage - bei ihrem Ehemann gewesen und wohne seit Herbst 2012 fest bei ihrem neuen Lebenspartner in Genf. Unter diesen Umständen ist der Schluss der Vorinstanz, wonach die Ehegemeinschaft nur bis anfangs Mai 2010 gedauert habe, nicht zu beanstanden, da die gegen aussen wahrnehmbare Hausgemeinschaft in diesem Zeitpunkt aufgegeben worden ist. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin begründet sodann auch der Umstand, dass die Aufenthaltsbewilligung in Kenntnis der Wohnsituation 2010 bzw. 2011 noch verlängert worden war, keinen Anspruch auf erneute Verlängerung (Urteile 2C_256/2014 vom 10. Oktober 2014 E. 3.3; 2C_140/2010 vom 17. Juni 2010 E. 5.3; BGE 126 II 377 E. 3b S. 388). Nur schon deshalb kann in den erteilten Bewilligungsverlängerungen kein vertrauensbegründendes Verhalten der kantonalen Migrationsbehörde gesehen werden; ein Verstoss gegen Treu und Glauben (Art. 9 BV) ist damit nicht ersichtlich.  
 
3.2.2. Auch der Schluss der Vorinstanz, die berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin in Genf stelle keinen wichtigen Grund für ein Getrenntleben im Sinne von Art. 49 AuG dar, ist nicht zu beanstanden: Es wäre ohne Weiteres möglich gewesen, ihre damalige Tätigkeit in einer Ortschaft auszuüben, die ein tägliches Pendeln zugelassen hätte. Abgesehen davon, fehlt es ohnehin an der zweiten Voraussetzung von Art. 49 AuG, wonach die Familiengemeinschaft weiter besteht.  
 
3.2.3. Die Vorinstanz hat sodann zu Recht ausgeführt, ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung bestehe selbst dann nicht, wenn die Ehegemeinschaft tatsächlich bis ins Frühjahr 2012 gelebt worden wäre und die Beschwerdeführerin damit die Frist von drei Jahren erfüllt hätte. Von einer erfolgreichen Integration im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG kann hier nicht gesprochen werden: Abgesehen von den sprachlichen Defiziten führt die Beschwerdeführerin selber aus, dass sie im Zeitpunkt des Verfahrens vor der Vorinstanz stellenlos war und vollumfänglich von ihrem neuen Lebenspartner unterstützt wurde (vgl. Beschwerdeschrift S. 13), womit keine gelungene wirtschaftliche Integration vorliegt (vgl. zur aktuellen Arbeitstätigkeit auch E. 2.3 hiervor).  
 
3.2.4. Schliesslich hat die Vorinstanz zu Recht erwogen, die Beschwerdeführerin könne nicht im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG als Opfer ehelicher Gewalt im Sinne der massgeblichen Rechtsprechung (vgl. BGE 138 II 229 E. 3.2.1 u. 3.2.2 S. 232 ff.; 136 II 1 E. 5.3 S. 4) betrachtet werden. Die geltend gemachten Einmischungen ins Privatleben durch die Schwägerin mögen als störend empfunden werden; eine anhaltende, erniedrigende Behandlung der Beschwerdeführerin ist indes nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin bringt insgesamt nichts vor, was die vorinstanzliche Würdigung als offensichtlich unhaltbar erscheinen liesse.  
 
3.3. Der angefochtene Entscheid steht damit in Einklang mit Art. 50 AuG, sodass sich die Beschwerde als unbegründet erweist und im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen ist. Für alles Weitere kann auf die ausführliche Begründung des angefochtenen Entscheides verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).  
 
4.   
Im vorliegenden Fall war die Beschwerde an die Polizei- und Militärdirektion bzw. das Verwaltungsgericht des Kantons Bern angesichts der gefestigten Rechtsprechung aussichtslos, da die Gewinnaussichten der Prozessbegehren von Anfang an beträchtlich geringer waren als die Verlustgefahren. Die Vorinstanz hat das Gesuch daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Aus demselben Grund ist auch für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (Art. 64 Abs. 1 BGG; BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f. mit Hinweisen). Die unterliegende Beschwerdeführerin hat für die Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. Juni 2015 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Winiger