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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_372/2010 
 
Urteil vom 2. Juli 2010 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys, 
Gerichtsschreiber Faga. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Zimmermann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Widerhandlung gegen die Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 15. März 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ transportierte am 14. Juli 2008 im Tankcontainer eines Sattelschleppers Benzin und Diesel. Auf der Fahrt begleitete ihn sein damals 11-jähriger Sohn. 
 
B. 
Das Gerichtspräsidium Aarau sprach X.________ mit Urteil vom 21. September 2009 schuldig der Missachtung des Verbots der Beförderung von Personen. Es bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 100.--. Die von X.________ dagegen erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 15. März 2010 ab. 
 
C. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau und der Entscheid des Gerichtspräsidiums Aarau seien aufzuheben. Er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Busse auf Fr. 1.-- festzusetzen. 
 
D. 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Soweit der Beschwerdeführer die Aufhebung des Urteils des Gerichtspräsidiums Aarau vom 21. September 2009 verlangt, wendet er sich nicht gegen den letztinstanzlichen Entscheid. Auf die Beschwerde ist in diesem Punkt nicht einzutreten, denn Anfechtungsobjekt bildet einzig das kantonal letztinstanzliche Urteil der Vorinstanz vom 15. März 2010 (Art. 80 Abs. 1 BGG). 
 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, sein Sohn sei auf der Fahrt vom 14. Juli 2008 nicht Fahrgast, sondern Mitglied der Fahrzeugbesatzung gewesen. Dieser habe den Transport aus Sicherheits- oder Betriebsgründen begleitet. Das Europäische Übereinkommen vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (ADR; SR 0.741.621) sehe kein Mindestalter für ein Mitglied der Fahrzeugbesatzung vor. Indem die Vorinstanz unter Hinweis auf das für die Erteilung des Führerausweises festgesetzte Mindestalter von 18 Jahren abstelle, ziehe sie einen unzulässigen Analogieschluss. Darüber hinaus sei ein Mindestalter von 18 Jahren unangemessen. Dass sein Sohn nicht in der Lage gewesen wäre, Notfallmassnahmen zu ergreifen, sei eine blosse und widersprüchliche Mutmassung. Die Mitfahrt sei eine nicht entlöhnte Freizeitbeschäftigung seines Sohnes, weshalb arbeitsrechtliche Bestimmungen nicht herangezogen werden dürften. Ob ein Mindestalter bei der Besatzung eines Fahrzeugs vorliegen müsse, würden die Verordnung vom 29. November 2002 über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (SDR; SR 741.621) und das ADR abschliessend regeln (Beschwerde S. 7 ff.). 
 
2.2 Die Vorinstanz erwägt, der Sohn des Beschwerdeführers sei grundsätzlich Teil der Fahrzeugbesatzung. Er sei auf seine Tätigkeit vorbereitet und mit den Sicherheitsvorschriften vertraut gewesen. Seine Aufgaben hätten darin bestanden, dem Beschwerdeführer beim Einweisen des Fahrzeugs zu helfen sowie gewisse Kabel einzustecken. Für diese Verrichtungen sei er kompetent gewesen. Deshalb sei davon auszugehen, dass er seinen Vater aus Sicherheits- oder Betriebsgründen begleitet habe. Hingegen sei er körperlich und geistig nicht in der Lage gewesen, Notfallmassnahmen zu ergreifen und die Feuerlöschgeräte zu bedienen. Mit Blick auf diese Tätigkeiten sei von einem Mindestalter von 18 Jahren auszugehen. Dass das Gerichtspräsidium Aarau in diesem Zusammenhang arbeitsrechtliche Bestimmungen heranziehe, sei nicht zu beanstanden (angefochtener Entscheid S. 5 ff.). 
 
2.3 Gemäss Art. 1 Abs. 1 SDR ("Gegenstand und Geltungsbereich") regelt die SDR die Beförderung von gefährlichen Stoffen und Gegenständen (gefährliche Güter) mit Motorfahrzeugen und ihren Anhängern oder anderen Transportmitteln auf den für Motorfahrzeuge geöffneten Strassen. Nach Sinn und Zweck der Verordnung soll ein lückenloser Schutz im Umgang mit gefährlichen Gütern und deren Transport sichergestellt werden. Das erhellt auch daraus, dass die Strafbestimmungen (Art. 19 - 24 SDR) als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltet sind. 
 
Nach Art. 21 lit. c SDR wird mit Busse bestraft, wer unter anderem ein Fahrzeug mit gefährlichen Gütern führt und dabei das Verbot der Beförderung von Personen missachtet. Gemäss Art. 4 Abs. 1 SDR gelten für die Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse auch im nationalen Verkehr die Bestimmungen inkl. Anlagen des ADR. Dieses schreibt vor, dass abgesehen von den Mitgliedern der Fahrzeugbesatzung Fahrgäste in Beförderungseinheiten mit gefährlichen Gütern nicht befördert werden dürfen (Anlage B, Ziffer 8.3.1). Mitglied der Fahrzeugbesatzung ist der Fahrer oder jede andere Person, die den Fahrer aus Sicherheits-, Sicherungs-, Ausbildungs- oder Betriebsgründen begleitet (Anlage A, Ziffer 1.2.1). 
2.4 
2.4.1 Ob ein 11-jähriges Kind, unabhängig vom konkreten Sachverhalt und gestützt auf einen aus der allgemeinen Lebenserfahrung gewonnenen Erfahrungssatz, generell in der Lage ist, den Fahrer eines Sattelschleppers mit einem Anhänger zu lotsen respektive, ob ein Kind bei einem entsprechenden (Wende-)Manöver als Hilfsperson beigezogen werden kann, scheint zumindest fraglich zu sein. Diese Rechtsfrage muss hier nicht weiter geprüft werden. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) war der Sohn des Beschwerdeführers unter anderem beim Lotsen des Fahrzeugs behilflich. Der Beschwerdeführer hatte ihn darauf vorbereitet und entsprechend instruiert, weshalb er im Stande war, diese Aufgabe kompetent wahrzunehmen. Dass der Beschwerdeführer in Begleitung seines Sohnes war, erfolgte somit aus einem sachlichen Grund. 
2.4.2 Die Vorinstanz zieht für die Qualifikation der "Fahrzeugbesatzung" im Sinne des ADR (Anlage A, Ziffer 1.2.1 und Anlage B, Ziffer 8.3.1) nebst dem eigentlichen Zweck der Mitfahrt zusätzlich weitere Umstände heran. Sie erwägt, dass ein Mitglied der Fahrzeugbesatzung körperlich und geistig in der Lage sein müsse, Notfallmassnahmen zu ergreifen (angefochtenes Urteil S. 7). Dies ist nicht zu beanstanden. Der von der SDR verfolgte Schutz bei der Beförderung gefährlicher Güter setzt voraus, dass die Fahrzeugbesatzung über Risiken und Gefahren aufgeklärt und betreffend die sichere Handhabung des Transportguts und die Notfallmassnahmen geschult wird. Dadurch sollen Schadensfälle verhindert respektive begrenzt werden. Es liegt auf der Hand, dass der eigene Schutz sowie derjenige der übrigen Besatzung, des Transportguts und Dritter voraussetzt, dass sämtliche am Transport beteiligten Personen tatsächlich im Stande sind, entsprechende Massnahmen adäquat zu ergreifen. Die SDR und das ADR setzen denn auch unter dem Aspekt der Sicherheit verschiedene Fertigkeiten der Fahrzeugbesatzung voraus (vgl. beispielsweise ADR, Anlage A, Ziffer 1.3.2.3, 1.4.1, 1.10.1.1, S. 5.4-11 und Ziffer 5.4.3 sowie Anlage B, Ziffer 8.2.3 und 8.3.2). So muss diese in einem Notfall in der Lage sein, die Feuerlöschgeräte zu bedienen (ADR, Anlage B, Ziffer 8.3.2), die Einsatz- und Sicherheitskräfte zu verständigen und sachgerecht zu informieren (ADR, Anlage A, Ziffer 1.4.1.2) sowie mittels Bordausrüstung das Eintreten von Stoffen in Gewässern oder in die Kanalisation zu verhindern oder ausgetretene Stoffe einzudämmen (ADR, Anlage A, S. 5.4-11). Es scheint sachgerecht, diese Fertigkeiten bei den Passagieren vorauszusetzen, um sie als Mitglieder der Fahrzeugbesatzung qualifizieren zu können, und nicht allein auf den Zweck der Mitfahrt abzustellen. Erst dadurch wird eine sinnvolle Unterscheidung zum "Fahrgast" ermöglicht, der (einzig) bei der Beförderung gefährlicher Güter ausdrücklich nicht mitgenommen werden darf (ADR, Anlage B, Ziffer 8.3.1). Im Übrigen wäre es ein Leichtes, mit einem beliebigen Fahrgast einen nach dem ADR vorgesehenen Grund der Mitfahrt (beispielsweise Hilfe beim Rückwärtsfahren) zu vereinbaren und dadurch das Verbot der Beförderung von Personen im Sinne von Art. 21 lit. c SDR zu umgehen. 
2.4.3 Die Vorinstanz spricht dem Sohn des Beschwerdeführers die Fähigkeit ab, Notfallmassnahmen richtig auszuführen. Diesen Schluss zieht sie nicht auf Grund einer konkreten Beweiswürdigung. Vielmehr stützt sie sich implizit auf einen aus der allgemeinen Lebenserfahrung gewonnenen Erfahrungssatz. Inwiefern diese Schlussfolgerung bundesrechtswidrig sein sollte, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Es steht ausser Frage, dass ein 11-jähriges Kind die obgenannten Massnahmen, wie z.B. den Einsatz eines Feuerlöschers (der in aller Regel in einer Hand getragen werden muss, während mit der anderen Hand der Schlauch bedient wird) oder die Alarmierung und Information der Einsatzkräfte, nicht adäquat vornehmen kann. Dies gilt umso mehr, wenn in einem solchen Notfall ein mit Treibstoff beladener Sattelschlepper involviert ist. Deshalb verletzt die Annahme der Vorinstanz, wonach ein 11-jähriges Kind in einer entsprechenden Situation physisch und psychisch überfordert wäre, kein Bundesrecht. 
 
Soweit der Beschwerdeführer der Vorinstanz die Verletzung der Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK) vorwirft (Beschwerde S. 9 f.), ist die Rüge nicht rechtsgenügend substanziiert. Wird die Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht und Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung) gerügt, gelten qualifizierte Anforderungen an die Begründung. Dies prüft das Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur, wenn eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und substanziiert begründet worden ist. Die Beschwerdeschrift muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 I 65 E. 1.3.1 S. 68; 135 III 232 E. 1.2 S. 234; je mit Hinweisen). Die Beschwerde genügt diesen Anforderungen nicht. Im Übrigen ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz zwischen dem Lotsen des Fahrzeugs und der Durchführung von Notfallmassnahmen differenziert und den Sohn des Beschwerdeführers nur für Ersteres als fähig einschätzt. Darin liegt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers (Beschwerde S. 9) offensichtlich kein Widerspruch. Selbst wenn die Beschwerde den Begründungsanforderungen genügte, ist aus oben genannten Gründen keine Verfassungsverletzung erkennbar. 
2.4.4 Indem die Vorinstanz das 11-jährige Kind des Beschwerdeführers als Fahrgast und nicht als Mitglied der Fahrzeugbesatzung qualifiziert, verletzt sie kein Bundesrecht. Die Verurteilung wegen Verletzung der Bestimmungen über die Beförderung der Güter gemäss Art. 21 lit. c SDR hält demnach der bundesgerichtlichen Rechtskontrolle stand. Offenbleiben kann, ob die Mitglieder der Fahrzeugbesatzung im Sinne des ADR ein bestimmtes Mindestalter erreicht haben müssen. Es erübrigt sich deshalb, auf die in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen (Beschwerde S. 8 f. und 10 f.) näher einzugehen. 
 
3. 
Der Beschwerdeführer beanstandet die Strafzumessung. Er begnügt sich damit, die an die Vorinstanz gerichtete Eingabe wörtlich zu wiederholen (Beschwerde S. 11 ff.). Die Begründung genügt den bundesrechtlichen Anforderungen nicht. Dies gilt umso mehr, als sich die Vorinstanz bereits mit den Argumenten des Beschwerdeführers auseinandergesetzt hat (angefochtenes Urteil S. 8 f.). Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Das setzt voraus, dass sich der Beschwerdeführer wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzt. Zwar wendet das Bundesgericht das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dies bedingt aber, dass die Beschwerde wenigstens die minimalen Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG erfüllt und auf sie eingetreten werden kann (vgl. BGE 136 I 65 E. 1.3.1 S. 68 mit Hinweisen). Dies ist hier nicht der Fall. 
 
4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 2. Juli 2010 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: 
 
Schneider Faga