Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_717/2017  
 
 
Urteil vom 2. August 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch CAP Rechtsschutz-Versicherungsgesellschaft AG, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. August 2017 (IV.2016.00471). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________, Mutter von zwei erwachsenen Kindern, war seit dem 1. Oktober 1982 als Hilfsarbeiterin an Stanzautomaten bei der B.________ AG beschäftigt. Ihr Hausarzt Dr. med. C.________, innere Medizin FMH, schrieb sie ab dem 18. September 2002 krank und überwies sie wegen zunehmender depressiver Entwicklung zu einer stationären Behandlung in die Klinik D.________ für Psychiatrie und Psychotherapie, wo sie vom 20. November bis zum 23. Dezember 2002 betreut wurde (Bericht vom 14. Januar 2003). Nach den Abkärungen durch die Ärzte der Schmerzsprechstunde des Universitätsspitals E.________ wurden zudem am 25. April 2003 ein sogenanntes SAPHO-Syndrom mit generalisiertem Weichteilschmerzsyndrom sowie eine Hypothyreose und eine arterielle Hypertonie diagnostiziert. Am 30. Mai 2003 meldete sich A.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit den Verfügungen vom 21. November 2003 und vom 6. September 2004 sprach ihr die IV-Stelle des Kantons Zürich ab dem 1. September 2003 eine ganze Invalidenrente zu. Am 12. November 2004 und am 7. März 2008 bestätigte sie den Rentenanspruch.  
 
A.b. Im Zuge einer weiteren von Amtes wegen eingeleiteten Revision holte die IV-Stelle ein interdisziplinäres Gutachten der Dres. med. F.________, innere Medizin sowie Rheumatologie FMH, und G.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 23. Juli 2013 ein. Eine Arbeitsvermittlung schloss sie am 8. November 2013 ab, weil sich die Versicherte aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sehe, an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen. Sie hielt die Versicherte am 22. November 2013 unter Hinweis auf die Schadenminderungspflicht dazu an, sich einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen, und stellte die Aufhebung der Invalidenrente zufolge Verbesserung des Gesundheitszustandes in Aussicht. Am 30. April 2014 forderte sie die Versicherte erneut dazu auf, ihre Mitwirkungspflicht wahrzunehmen und sich für eine Teilnahme an Eingliederungsmassnahmen anzumelden. Ein Arbeitstraining scheiterte jedoch. Nach Einholung weiterer Berichte des Hausarztes Dr. med. C.________ vom 14. Oktober 2014 und des Psychiatriezentrums H.________, wo die Versicherte seit dem 13. April 2014 ambulant behandelt wurde, hob die IV-Stelle den Rentenanspruch mit Verfügung vom 8. März 2016 revisionsweise auf.  
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 17. August 2017 ab und schützte die Rentenaufhebung mit der Begründung, dass die Rentenzusprechung zweifellos unrichtig gewesen sei. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihr auch für die Zeit nach April 2016 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen; eventualiter sei die Einholung eines Gerichtsgutachtens anzuordnen. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann das Bundesgericht nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die von der Vorinstanz geschützte Einstellung der Invalidenrente durch die IV-Stelle vor Bundesrecht standhält. 
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), die Invalidität (Art. 8 ATSG) sowie den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 2 IVG) und zu den anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen (BGE 141 V 281) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der Regeln über die Rentenrevision (Art. 17 Abs. 2 ATSG) sowie der Praxis zur  
substituierten Begründung des Rückkommens auf einen laufenden Rentenanspruch durch das Gericht (BGE 140 V 85 E. 4.2 S. 87). Es wird darauf verwiesen. 
 
3.2. Die Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 ATSG setzt voraus, dass kein vernünftiger Zweifel an der Unrichtigkeit der Verfügung möglich, folglich nur dieser einzige Schluss denkbar ist. In diesem Sinne qualifiziert unrichtig ist eine Verfügung, wenn eine Leistung aufgrund falscher Rechtsregeln beziehungsweise ohne oder in unrichtiger Anwendung der massgeblichen Bestimmungen zugesprochen wurde. Gleiches gilt bei einer klaren Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes, insbesondere wenn die notwendigen fachärztlichen Abklärungen überhaupt nicht oder nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt wurden. Hingegen scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus, soweit ermessensgeprägte Teile der Anspruchsprüfung vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage einschliesslich der Rechtspraxis im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung in vertretbarer Weise beurteilt worden sind (BGE 141 V 405 E. 5.2 S. 414 f.; Urteile 8C_789/2017 vom 30. Mai 2018 E. 3.2.1 und 9C_307/2011 vom 23. November 2011 E. 3.2; vgl. ferner Urteil 9C_804/2017 vom 27. Juni 2018 E. 3.1).  
 
4.  
 
4.1. Nach dem angefochtenen Entscheid sei die Rentenzusprechung zweifellos unrichtig gewesen, weil einzig die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Hausarztes vorgelegen hätten. Das kantonale Gericht prüfte den Rentenanspruch mit Wirkung für die Zukunft ("ex nunc et pro futuro") in allen Teilen neu und bestätigte die Aufhebung des Anspruchs durch die IV-Stelle im Ergebnis.  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin rügt, dass die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung der ursprünglichen Rentenzusprechung nicht erfüllt seien. Angesichts der damals vorliegenden Arztberichte lasse sie sich nicht als zweifellos unrichtig qualifizieren. Aktuell sei sie auch weiterhin durch das psychische Leiden eingeschränkt.  
 
5.  
 
5.1. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen erfolgte die ursprüngliche Rentenzusprechung im Wesentlichen aufgrund des hausärztlichen Berichts des Dr. med. C.________ vom 4. Juli 2003. Er habe eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit in jeglicher Tätigkeit aufgrund eines SAPHO-Syndroms, einer rezidivierenden depressiven Störung mit somatischem Syndrom sowie einer kognitiven Minderleistung attestiert. Zwar habe er seiner Stellungnahme die Berichte des Universitätsspitals E.________ sowie der Klinik D.________ beigefügt. Er sei jedoch der einzige Arzt gewesen, der im Rahmen der erstmaligen materiellen Beurteilung überhaupt eine Einschätzung der verbliebenen Arbeitsfähigkeit vorgenommen habe. Ein psychiatrischer Befund und der gegenwärtige Schweregrad der depressiven Störung seien seinem Bericht nicht zu entnehmen. Im Rahmen der Rentenrevisionsverfahren in den Jahren 2004 und 2008 habe er jeweils - wiederum ohne psychopathologische Befundaufnahme - eine schwere depressive Störung diagnostiziert (Berichte vom 8. November 2004 und vom 26. Februar 2008). Über einen psychiatrischen Facharzttitel verfüge er nicht. Die alleinigen Arbeitsfähigkeitseinschätzungen des Hausarztes hätten als verlässliche Beurteilung insbesondere auch des psychischen Gesundheitszustandes nicht zu genügen vermocht.  
 
5.2. In den Akten findet sich zwar ein "Visum" des medizinischen Dienstes der IV-Stelle (Dr. med. I.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH) vom 16. September 2003. Ob und inwieweit sich dieser Arzt mit dem Dossier befasste, ist nicht dokumentiert. Dass die Vorinstanz diesen - jeden weiteren Hinweis entbehrenden - Vermerk über die erfolgte Sichtung durch den medizinischen Dienst genauso wenig wie die erwähnten hausärztlichen Berichte als schlüssige Einschätzung des Gesundheitszustandes und der darin gründenden Einschränkung des Leistungsvermögens erachtete, ist nicht zu beanstanden. Damit liegt weder eine Verletzung der Beweiswürdigungsregeln vor noch ist der daraus gezogenen Schluss, dass eine (vorab psychisch bedingte) volle Arbeitsunfähigkeit nicht ausgewiesen gewesen sei, offensichtlich unrichtig. Ebenso wenig kann der Vorinstanz angesichts der offenkundigen Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes eine Bundesrechtsverletzung vorgeworfen werden, wenn sie unter diesen Umständen einen Wiedererwägungsgrund bejahte.  
 
6.   
Das aktuelle Leistungsvermögen in psychischer Hinsicht hat das kantonale Gericht anhand der vom psychiatrischen Gutachter erhobenen Befunde und Ressourcen praxisgemäss zulässigerweise eigenständig nach den normativen Vorgaben gemäss BGE 141 V 281 beurteilt (BGE 144 V 50 E. 4.3 S. 53 f.; Urteile 8C_431/2017 vom 24. Mai 2018 E. 3.4 und 5.1; 8C_604/2017 vom 15. März 2018 E. 3.2). Es besteht kein Anspruch auf Einholung eines Gerichtsgutachtens. Mangels Hinweisen auf eine offensichtliche Unrichtigkeit der diesbezüglichen Feststellungen des kantonalen Gerichts bleibt es bei seiner Beurteilung, dass die Arbeitsfähigkeit aktuell nicht eingeschränkt sei. Die vom kantonalen Gericht bestätigte Rentenaufhebung ist daher nicht bundesrechtswidrig. 
 
7.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 2. August 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo