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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_215/2007 /bnm 
 
Urteil vom 2. Oktober 2007 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Schett. 
 
Parteien 
X.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Neese, 
 
gegen 
 
Y.________ GmbH, 
Beschwerdegegnerin, 
Betreibungsamt A.________. 
 
Gegenstand 
Zustellung des Zahlungsbefehls/Rechtzeitigkeit des Rechtsvorschlags, 
 
Beschwerde in Zivilsachen gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Thurgau, als kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 12. März 2007. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Auf Begehren der X.________ AG in B.________ stellte das Betreibungsamt A.________ in der gegen die Y.________ GmbH mit Sitz in C.________ eröffneten Betreibung Nr. 1 am 15. September 2006 den Zahlungsbefehl über Fr. 4'477.95, Fr. 136'174.65, Fr. 162'554.85 und Fr. 31.95 je samt Zinsen aus. Die Betriebene hatte beim Postamt C.________ eine Umleitung der Post an die Strasse D.________ in B.________ veranlasst. Demzufolge stellte das Betreibungsamt B.________ am 20. September 2006 den Zahlungsbefehl rechtshilfeweise einer Mitarbeiterin der an der bezeichneten Adresse tätigen Z.________ AG zu. Am 23. Oktober 2006 erhielt der einzelzeichnungsberechtigte Geschäftsführer der Betriebenen Kenntnis vom Zahlungsbefehl, worauf er tags darauf Rechtsvorschlag erhob. Mit Verfügung vom 26. Oktober 2006 erklärte das Betreibungsamt A.________ den Rechtsvorschlag als verspätet. Die von der Y.________ GmbH dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Vizegerichtspräsidium Weinfelden am 4./8. Januar 2007 abgewiesen. 
B. 
Die Y.________ GmbH gelangte daraufhin an das Obergericht des Kantons Thurgau als kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, welches am 12. März 2007 zum Ergebnis gelangte, dass der in der Betreibung Nr. 1 des Betreibungsamtes A.________ erhobene Rechtsvorschlag rechtzeitig erfolgt sei. 
C. 
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 9. Mai 2007 beantragt die X.________ AG dem Bundesgericht, den obergerichtlichen Beschluss aufzuheben und festzustellen, dass der Rechtsvorschlag der Y.________ GmbH verspätet erhoben worden sei. 
 
Das Obergericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Betreibungsamt A.________ verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Der angefochtene Beschluss ist nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ergangen, weshalb das neue Recht anzuwenden ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). 
1.2 Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen der Beschwerde in Zivilsachen, welche in diesem Bereich an die Stelle der Beschwerde in Betreibungssachen tritt (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG in Verbindung mit Art. 19 SchKG). Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen (Art. 75 Abs. 1 BGG). Beschwerdeentscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden über Verfügungen der Vollstreckungsorgane gemäss Art. 17 SchKG sind Endentscheide im Sinne von Art. 90 BGG, zumal diese Verfügungen im laufenden Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht mehr in Frage gestellt werden können. Sie sind unabhängig von einer gesetzlichen Streitwertgrenze anfechtbar (Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG). Auf die fristgerecht erhobene Beschwerde ist demnach einzutreten (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG). 
1.3 Mit der Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht, Völkerrecht und kantonaler verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden (Art. 95 BGG). Die Feststellung des Sachverhaltes kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). 
 
Auf die Vorbringen der Beschwerdeführerin ist nur soweit einzutreten, als sie den Begründungsanforderungen genügen. Die Beschwerde nach Art. 72 ff. BGG hat nebst einem Antrag eine Begründung zu enthalten, in welcher in gedrängter Form dargelegt wird, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Auch Verfassungsrügen sind in der Beschwerdeschrift vorzubringen und zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
Neue Tatsachen und Beweise sind nur zulässig, soweit der angefochtene Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 BGG). Weshalb die Beschwerdeführerin erst vor Bundesgericht verschiedene Beweismittel einreicht, um den Sachverhalt zu ergänzen, begründet sie nicht (dazu BGE 133 III 393 E. 3). Damit kann der Internetauszug des Handelsregisteramtes B.________ betreffend die Y.________ GmbH vom 9. Mai 2007 und derjenige betreffend die Z.________ AG so wenig berücksichtigt werden wie die Mail-Sendung des Stadtammanns vom 7. Mai 2007. 
2. 
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin stellte der Betreibungsbeamte den Zahlungsbefehl der Beschwerdegegnerin rechtsgültig zu, als er ihn der Mitarbeiterin der Z.________ AG aushändigte. Dass diese die Betreibungsurkunde nicht weitergeleitet habe, gehe zu Lasten der Beschwerdegegnerin, welche ihre Domizilhalterin zu instruieren und gegebenenfalls zur Rechenschaft ziehen müsse. Allfällige interne Übermittlungsfehler seien auf keinem Fall dem Betreibungsbeamten anzulasten. 
2.1 Richtet sich eine Betreibung gegen eine juristische Person, so erfolgt die Zustellung der Betreibungsurkunden an den Vertreter derselben (Art. 65 Abs. 1 SchKG). Als solcher gilt bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung jedes Mitglied der Verwaltung sowie jeder Direktor oder Prokurist (Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG). Mit dieser Regelung will das Gesetz sicherstellen, dass die Betreibungsurkunden in die Hände jener natürlichen Personen gelangen, die in Betreibungssachen für die Gesellschaft handeln und insbesondere Rechtsvorschlag erheben können. Daher verlangt Art. 67 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG, dass Name und Wohnort des gesetzlichen Vertreters im Betreibungsbegehren, das Grundlage für den Zahlungsbefehl bildet, anzugeben seien (BGE 118 III 10 E. 3a). Weist die Gesellschaft an ihrem statutarischen Sitz kein Geschäftsbüro auf, so ist sie gehalten, ihr Domizil im Handelsregister eintragen zu lassen (Art. 43 Abs. 1 HRegV). Der Domizilhalter nimmt die Stellung eines Bevollmächtigten ein, wie ihn der am Betreibungsort nicht anwesende Schuldner bestimmen kann. Übernimmt eine Gesellschaft das Domizil einer andern Gesellschaft, so darf die Betreibungsurkunde nicht mehr direkt der Betriebenen, sondern nur einem nach Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2 bis 4 SchKG zur Entgegennahme berechtigten Vertreter der Domizilhalterin ausgehändigt werden (BGE 119 III 57 E. 3d). Erfolgt die Zustellung einer Betreibungsurkunde nicht nach diesen Regeln, so entfaltet sie ihre Wirkungen gleichwohl, sofern der Betriebene von deren Inhalt Kenntnis erhält. In diesem Zeitpunkt beginnt insbesondere die Frist zur Erhebung des Rechtsvorschlags zu laufen. Nichtig ist eine Zustellung nur dann, wenn die Zustellungsbescheinigung fehlt oder wenn die Betreibungsurkunde infolge fehlerhafter Zustellung nicht in die Hände des Betriebenen gelangt ist (BGE 128 III 101 E. 2; 125 III 384 E. 1b). 
2.2 Im kantonalen Verfahren brachte die Beschwerdegegnerin vor, bei der Z.________ AG an der Strasse D.________ in B.________ kein Domizil zu haben. Die genannte Gesellschaft sei nur Beauftragte für bestimmte Tätigkeiten, wozu die Entgegennahme von Betreibungsurkunden nicht gehöre. Darum sei sie auch nicht als ihre Domizilhalterin im Handelsregister eingetragen. Wie es sich damit im Einzelnen verhält, lässt sich dem angefochtenen Beschluss nicht entnehmen. Die Vorinstanz gelangte dessen ungeachtet zum Schluss, dass die Zustellung des Zahlungsbefehls auf jeden Fall fehlerhaft sei. Der Mitarbeiterin der Z.________ AG komme nämlich keine Vertretungsbefugnis wie einem Mitglied der Verwaltung, einem Direktor oder einem Prokuristen zu. Dass das rechtshilfeweise tätige Betreibungsamt einen Versuch gemacht habe, den Zahlungsbefehl zuvor einer der genannten Vertreter zuzustellen, stehe nicht fest. Der Geschäftsführer der Betriebenen sei von der Z.________ AG am 23. Oktober 2006 per Fax über die Betreibung informiert worden, worauf er anderntags Rechtsvorschlag erhoben habe. Ungeachtet der fehlerhaften Zustellung habe die Betriebene Kenntnis vom Zahlungsbefehl erhalten und rechtzeitig Rechtsvorschlag erheben können. 
2.3 Der angefochtene Beschluss erweist sich im Ergebnis nicht als bundesrechtswidrig. Kommt der Z.________ AG die Stellung als Domizilhalterin zu, dann hätte der Zahlungsbefehl einem ihrer Vertreter zugestellt werden müssen. Erst nach fruchtlosem Versuch wäre die Aushändigung an eine Mitarbeiterin zulässig gewesen (E. 2.1). Wurde mit der Umleitung der Post hingegen kein Domizil begründet, hätte weder ein Vertreter der Z.________ AG noch ersatzweise eine Mitarbeiterin den Zahlungsbefehl entgegen nehmen dürfen. Da der Zahlungsbefehl trotz der fehlerhaften Zustellung zum Geschäftsführer der Beschwerdegegnerin gelangt war, konnte er seine Wirkungen entfalten. Der Rechtsvorschlag wurde daraufhin fristgerecht erhoben. 
3. 
Der Beschwerde ist nach dem Gesagten kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt A.________ und dem Obergericht des Kantons Thurgau, als kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 2. Oktober 2007 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: