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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_119/2010 
 
Urteil vom 2. Dezember 2010 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
B.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Stadt X.________, 
vertreten durch die Sozialbehörde, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Sozialhilfe (Prozessvoraussetzungen), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 23. November 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
B.________ wird von der Stadt X.________ seit Juni 2003 mit wirtschaftlicher Hilfe unterstützt. Da die Stadt seine nicht annähernd existenzsichernde selbstständige Tätigkeit als Consultant als nicht förderlich für sein berufliches Weiterkommen erachtete, erliess sie am 11. Dezember 2008 mehrere Weisungen und drohte bei Nichtbefolgung die Kürzung des Grundbedarfs um 15 % an. Auf die dagegen erhobene Eingabe trat der Bezirksrat mit Entscheid vom 26. Juni 2009 infolge Nichteinhaltens der Beschwerdefrist nicht ein. 
 
B. 
Mit Entscheid vom 23. November 2009 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die dagegen erhobene Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat, und lehnte das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab. 
 
C. 
B.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowie subsidiäre Verfassungsbeschwerde und beantragt, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem beanstandet er die Ablehnung der unentgeltlichen Rechtspflege durch die Vorinstanz. Weiter verlangt er, es hätten alle Gerichtspersonen der I. sozialrechtlichen Abteilung wegen Anscheins der Befangenheit in Ausstand zu treten, und es sei eine mündliche und öffentliche Parteiverhandlung und Beratung durchzuführen. Schliesslich ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege vor Bundesgericht. 
 
D. 
Mit Verfügung vom 29. März 2010 trat das Bundesgericht auf das Ausstandsbegehren nicht ein und lehnte das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege infolge Aussichtslosigkeit ab. Am 14. April 2010 gewährte es auf Antrag die Zahlung des Kostenvorschusses in Raten. Am 14. Oktober 2010 wurde dieser vollständig bezahlt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Angefochten ist ein das Verfahren abschliessender Entscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG) in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG), ohne dass eine der in Art. 83 BGG aufgezählten Ausnahmen vorliegt. Die Voraussetzungen nach Art. 82 ff. BGG für die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sind erfüllt, weshalb auf die mit der Eingabe ebenfalls erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht einzutreten ist (Art. 113 BGG). 
 
2. 
2.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Soweit sich der angefochtene Entscheid auf Quellen des kantonalen Rechts stützt, welche nicht in Art. 95 lit. c-e BGG genannt werden, beschränkt sich die Überprüfung durch das Bundesgericht demgegenüber thematisch auf die erhobenen und begründeten Rügen (Art. 106 Abs. 2 BGG) und inhaltlich auf die Frage, ob die Anwendung des kantonalen Rechts zu einer Bundesrechtswidrigkeit führt. Im Vordergrund steht dabei eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte, insbesondere des Willkürverbots nach Art. 9 BV. Was die Feststellung des Sachverhalts anbelangt, kann gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG nur gerügt werden, diese sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung nach Art. 95 BGG (BGE 135 V 94 E. 1 S. 95 mit Hinweis). 
Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht und Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung) gilt der in Art. 106 Abs. 1 BGG verankerte Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen nicht, weshalb insofern eine qualifizierte Rügepflicht besteht (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Beschwerde führende Person muss klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darlegen, welche verfassungsmässigen Rechte und inwiefern sie durch den kantonalen Entscheid verletzt worden sind. Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246 mit Hinweis). 
 
2.2 Streitig und zu prüfen ist, ob das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 23. November 2009 zu Recht den Nichteintretensentscheid des Bezirksrates vom 26. Juni 2009 geschützt und das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen hat. 
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe ihm in unangemessener Weise den Zugang zu einem fairen Verfahren verweigert durch eine fehlende Anhörung (fair hearing), durch überspitzten Formalismus, durch Ablehnung der unentgeltlichen Rechtspflege, durch Nichtdurchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung sowie durch fehlende öffentliche und mündliche Eröffnung des Entscheids. Bei diesen Rügen stützt er sich auf Art. 6 Ziff. 1 und 3 und Art. 14 EMRK, Art. 29 Abs. 2 und 3 BV sowie auf Art. 14 und 26 des UNO-Pakt II (SR 0.103.2). Er macht demnach eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend, weshalb seine Rügen den Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG zu genügen vermögen (E. 2.1). 
 
3. 
3.1 Gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jedermann ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf seine zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht entschieden wird. Entsprechend dem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) weit gefassten Begriff der "zivilrechtlichen" Ansprüche und Verpflichtungen hat das Bundesgericht die prinzipielle Anwendbarkeit des Art. 6 Ziff. 1 EMRK für sämtliche Bereiche des Bundessozialversicherungsrechts - für Leistungs- ebenso wie für Beitragsstreitigkeiten - bejaht (BGE 134 V 401 E. 5.3 S. 403; 131 V 66 E. 3.3 S. 70 mit Hinweisen). Dasselbe gilt für den Bereich der Sozialhilfe (vgl. Urteil 8C_124/2009 vom 3. April 2009 E. 3 mit Hinweisen). 
 
3.2 Der Beschwerdeführer rügt, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, da die Vorinstanz trotz entsprechendem Begehren keine mündliche und öffentliche Verhandlung durchgeführt habe. Er hat in seiner Beschwerde an das Verwaltungsgericht eine mündliche und öffentliche Verhandlung verlangt. Allerdings kann das Gericht von der Durchführung einer Verhandlung im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK absehen, sofern die Beschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist (BGE 136 I 279 E. 1 S. 281 mit Hinweis). Dies ist hier der Fall: Nach konstanter Rechtsprechung (vgl. etwa die Entscheide VB.2000.00113 vom 11. Mai 2000 und VB.2008.00319 vom 30. Juli 2008) und klarer Rechtslage (vgl. dazu die zutreffenden einlässlichen Erwägungen der Vorinstanz) gelangen die im gerichtlichen Verfahren geltenden Gerichtsferien im Rahmen des verwaltungsinternen Rekursverfahrens nicht zur Anwendung, so dass der Rekurs nicht fristgerecht eingereicht wurde und daher offensichtlich unzulässig war. Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht bildete einzig diese Frage; angesichts der in der Beschwerde vorgebrachten Rügen war diese offensichtlich unbegründet. Daran ändern auch die Ausführungen vor Bundesgericht nichts. Die Vorinstanz durfte somit zu Recht auf die Durchführung einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung verzichten. Dasselbe gilt auch für die beantragte Verhandlung vor Bundesgericht. 
 
3.3 Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, er habe keine Akteneinsicht erhalten. Diese Rüge ist, sofern sie überhaupt als rechtsgenüglich vorgebracht im Sinne von Art. 106 Abs. 2 BGG betrachtet werden kann, unzutreffend. Es finden sich in den Akten keine entsprechenden Gesuche, welche abgewiesen worden wären. 
 
3.4 Der Beschwerdeführer legt auch nicht dar, inwiefern ihm die Einreichung von Beweismitteln zur hier einzig streitigen Frage der Rechtzeitigkeit seines Rekurses verunmöglicht worden wäre. Insbesondere aber bestand für die Vorinstanz keine Pflicht zur Abnahme aller angebotenen Beweise, namentlich der Parteibefragung. Denn das Gericht hat nur die für den Entscheid wesentlichen Beweise abzunehmen. Es ist jedoch weder ersichtlich noch wird dargetan, inwiefern eine Parteibefragung entscheidwesentlich für die Beurteilung des bezirksrätlichen Nichteintretensentscheides gewesen sein könnte. Es ist damit nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz keine solche durchführte. Weitere Beweisanträge sind den Akten nicht zu entnehmen. 
 
3.5 Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, weil er sich im kantonalen Verfahren nicht zur Beschwerdeantwort habe äussern können, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Vorinstanz bei der Stadt X.________ gar keine solche eingeholt hat; dieser Einwand stösst somit ins Leere. 
 
3.6 Auch die Abweisung seines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege stellt keine Verletzung seines Anspruchs auf ein faires Verfahren im Sinne des Art. 6 Ziff. 1 EMRK dar. Nach der Rechtsprechung wird in Übereinstimmung mit Art. 29 Abs. 3 BV die unentgeltliche Rechtspflege (einschliesslich der unentgeltlichen Verbeiständung) nur gewährt, wenn die betroffene Person bedürftig und ihr Rechtsmittel nicht als aussichtslos zu bezeichnen ist. Als aussichtslos gelten Begehren, bei denen die Gewinnaussichten (ex ante betrachtet) beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können; massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde; eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet (BGE 133 III 614 E. 5 S. 616 mit Hinweisen). Dies steht auch in Einklang mit den Anforderungen gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK (Frowein/ Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 3. Aufl., 2009, N. 76 zu Art. 6 EMRK; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2. Aufl., 2006, N. 23a zu Art. 6 EMRK). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze auf die hier gegebenen Umstände ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgelehnt hat. Denn die im vorinstanzlichen Verfahren eingereichte Beschwerde ist als offensichtlich unbegründet zu bezeichnen, da sie keine Rügen enthält, die das Nichteintreten des Bezirksrats ernsthaft in Frage zu stellen vermochten. 
 
3.7 Schliesslich ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nicht darlegt, inwiefern sich aus Art. 14 und 26 des UNO-Pakt II ein weitergehender Schutz zu seinen Gunsten ergeben soll. 
 
4. 
4.1 Überspitzter Formalismus ist eine besondere Form der Rechtsverweigerung. Eine solche liegt vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und den Bürgern und Bürgerinnen den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt. Wohl sind im Rechtsgang prozessuale Formen unerlässlich, um die ordnungsgemässe und rechtsgleiche Abwicklung des Verfahrens sowie die Durchsetzung des materiellen Rechts zu gewährleisten. Nicht jede prozessuale Formstrenge steht demnach mit Art. 29 Abs. 1 BV im Widerspruch. Überspitzter Formalismus ist nur gegeben, wenn die strikte Anwendung der Formvorschriften durch keine schutzwürdigen Interessen gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder verhindert. Er kann in den Verhaltensvorgaben an die Rechtsuchenden oder in den daran geknüpften Rechtsfolgen begründet sein (BGE 135 I 6 E. 2.1 S. 9; 134 II 244 E. 2.4.2 S. 247; 132 I 249 E. 5 S. 253; 130 V 177 E. 5.4.1 S. 183). 
 
4.2 Die Vorinstanz hat das Nichteintreten des Bezirksrats auf den Rekurs infolge verspäteter Einreichung zu Recht bestätigt. Dabei konnte sie sich auf eine langjährige Rechtsprechung stützen (vgl. etwa die Entscheide VB.2000.00113 vom 11. Mai 2000 sowie VB.2008.00319 vom 30. Juli 2008). Diese Rechtsprechung beruht auf sachlichen Gründen und es kann nicht gesagt werden, es werde damit die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder verhindert. Auch steht sie nicht in Widerspruch zu den Anforderungen an ein faires Verfahren nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK (vgl. FROWEIN/ PEUKERT, a.a.O., N. 83 zu Art. 6 EMRK; MEYER-LADEWIG, a.a.O., N. 22 zu Art. 6 EMRK). Der Beschwerdeführer bringt denn auch nichts vor, was eine ungerechtfertigte strenge oder sachlich unhaltbare Anwendung der Formvorschriften belegen würde. Der Vorwurf des überspitzten Formalismus trifft demnach nicht zu. 
 
5. 
Soweit der Beschwerdeführer sich materiell zur Anordnung der Stadt X.________ vom 11. Dezember 2008 äussert, ist darauf nicht weiter einzugehen, da vorliegend nicht über die angedrohte Kürzung der Sozialhilfeleistungen zu entscheiden ist, sondern sich das Verfahren auf die Zulässigkeit des Nichteintretens des Bezirksrats beschränkt. 
 
6. 
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach Art. 109 BGG, d.h. ohne Durchführung eines Schriftenwechsels und mit summarischer Begründung, erledigt. 
 
7. 
Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 65 Abs. 4 lit. b und Art. 66 BGG). Die Stadt X.________ obsiegt in ihrem amtlichen Wirkungskreis, weshalb ihr kein Anspruch auf Parteientschädigung zusteht (Art. 68 Abs. 3 BGG; BGE 134 II 117 E. 7 S. 119). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 2. Dezember 2010 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Riedi Hunold