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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4P.293/2005 /sza 
 
Urteil vom 3. Februar 2006 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Nyffeler, 
Gerichtsschreiber Arroyo. 
 
Parteien 
X.________ GmbH, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Andreas Béguin, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokat Lukas Polivka, 
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, Bäumleingasse 1, 4051 Basel. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV (Zivilprozess; willkürliche Beweiswürdigung; Mietausweisung), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 15. September 2005. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die X.________ GmbH (Beschwerdeführerin) bezweckt den Betrieb von Restaurants. Mit Vertrag vom 20. März 2002 mietete sie von der Y.________ (Beschwerdegegnerin) Geschäftsräumlichkeiten in der Liegenschaft "X.________" an der Z.________strasse in Basel. A.________ ist im Handelsregister als Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift der Beschwerdeführerin eingetragen. 
1.1 Am 22. November 2004 kündigte die Beschwerdegegnerin das Mietverhältnis mit der Beschwerdeführerin wegen Zahlungsrückständen auf den 31. Dezember 2004. Nach ihrer Darstellung hat sie mit Schreiben vom 14. Oktober 2004 die ausstehenden Mietzinsen unter Androhung der Kündigung abgemahnt. Die Beschwerdeführerin bestreitet, diese Mahnung erhalten zu haben und insbesondere den Empfang der Postsendung durch ihren Geschäftsführer A.________. 
1.2 Nachdem die Beschwerdeführerin die Kündigung bei der Schlichtungsbehörde angefochten hatte, stellte die Beschwerdegegnerin beim Zivilgericht Basel-Stadt ein Räumungsbegehren, so dass die Verfahren gemäss Art. 274g Abs. 1 lit. a OR beim Zivilgerichtspräsidium vereinigt wurden. An einer ersten Verhandlung vom 15. März 2005 stellte der Zivilgerichtspräsident das Verfahren aus, um als zusätzliches Beweismittel eine amtliche Erkundigung bei der Post einzuholen. Am 9. Mai 2005 verurteilte das Zivilgericht Basel-Stadt die Beschwerdeführerin, die Mieträumlichkeiten innert 14 Tagen zu verlassen. 
1.3 Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt wies die von der Beschwerdeführerin gegen das Urteil des Zivilgerichts erhobene Beschwerde am 15. September 2005 ab. Das Gericht kam zum Schluss, dass der Brief der Beschwerdegegnerin, den diese am 14. Oktober 2004 mit eingeschriebener Post aufgegeben hatte, am 18. Oktober 2004 in den Besitz der Beschwerdeführerin gelangte und die eingeschriebene Sendung die Mahnung mit Kündigungsandrohung enthielt. Das Gericht wies das neu eingelegte Schreiben von B.________ (der nach Behauptung der Beschwerdeführerin als Gast ihres Restaurants die eingeschriebene Sendung am 18. Oktober 2004 entgegennahm) als verspätet aus dem Recht und wies den Antrag auf Einvernahme von B.________ als Zeugen als verspätet ab; ausserdem hielt das Gericht fest, dass ein Antrag auf ein graphologisches Gutachten nicht (rechtzeitig) gestellt worden sei. Eventualiter hielt das Gericht die verspäteten Beweismittel für untauglich, an seiner Überzeugung etwas zu ändern und wies in vorweggenommener Würdigung auch den Antrag auf Einvernahme von Zeugen zur Behauptung der Beschwerdeführerin ab, dass ihr Geschäftsführer A.________ am Vormittag des 18. Oktober 2004 nicht am Geschäftsdomizil anwesend war. 
1.4 Die Beschwerdeführerin hat gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 15. September 2005 sowohl eidgenössische Berufung wie auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Mit der Beschwerde stellt sie das Rechtsbegehren, das angefochtene Urteil sei aufzuheben. Sie rügt eine Verletzung von Art. 9 BV mit der Begründung, das Appellationsgericht habe die Beweise willkürlich gewürdigt. 
1.5 Die Beschwerdegegnerin beantragt in der Vernehmlassung die Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Appellationsgericht schliesst unter Verweis auf die Erwägungen des angefochtenen Urteils auf Abweisung der Beschwerde. 
2. 
Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht schon vor, wenn eine andere Lösung vertretbar oder gar vorzuziehen wäre; das Bundesgericht hebt einen Entscheid vielmehr nur auf, wenn dieser mit der tatsächlichen Situation in offensichtlichem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dabei rechtfertigt sich die Aufhebung des angefochtenen Entscheides nur, wenn er nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 129 I 49 E. 4 S. 58 mit Verweis). Dem Sachgericht steht insbesondere bei der Würdigung der Beweise ein grosser Ermessensspielraum zu. Willkür ist hier nur zu bejahen, wenn das Gericht offensichtlich den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels verkannt, ohne vernünftigen Grund ein wichtiges und erhebliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder aus den vorhandenen Beweisen offensichtlich unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9 mit Verweisen). 
2.1 Das Appellationsgericht hat im angefochtenen Urteil in antizipierter Beweiswürdigung geschlossen, dass die Einvernahme der von der Beschwerdeführerin genannten Zeugen nichts am Beweisergebnis zu ändern vermöchte, dass die Beschwerdeführerin (bzw. ihr Organ A.________) am 18. Oktober 2004 die von der Beschwerdegegnerin am 14. Oktober 2004 aufgegebene Sendung am Domizil der Beschwerdeführerin entgegen genommen und den Empfang unterschriftlich bestätigt hat. Das Gericht hat berücksichtigt, dass die verwendete Unterschrift auf der Kopie der Post der Unterschrift von A.________ auf der Anwaltsvollmacht sehr ähnlich sieht. Es hat die Behauptung der Beschwerdeführerin verworfen, wonach der (in der Nähe wohnende) psychisch angeschlagene B.________ - der sich zufällig am 18. Oktober 2004 um 07.40 Uhr im Eingangsbereich des Restaurants der Beschwerdeführerin, das erst um 09.00 Uhr öffnete, aufgehalten haben soll - mit dem fremden Namen des Organs der Beschwerdeführerin mit einer Unterschrift quittiert habe, die derjenigen des A.________ täuschend ähnlich sieht und die er in einem Zug, ohne Vorlage und ohne Vorbereitung, vor den Augen des Briefträgers angebracht haben sollte. Das Gericht hat dieses "Konstrukt" als derart abwegig erachtet, dass es selbst unter der Geltung der sozialen Untersuchungsmaxime keiner weiteren Prüfung bedürfe, sondern als offensichtliche Schutzversion zu verwerfen sei. Aus diesem Grund hat das Appellationsgericht angenommen, dass ein graphologisches Gutachten am Beweisergebnis ebenso wenig etwas zu ändern vermöchte wie die beantragten Zeugenbefragungen, die es zudem als untauglich erachtete, für die behauptete Abwesenheit des A.________ am Domizil der Beschwerdeführerin zur Zeit der Aushändigung der Postsendung Beweis zu erbringen. 
2.2 Die Vorbringen der Beschwerdeführerin vermögen die Beweiswürdigung des Appellationsgerichts nicht als willkürlich auszuweisen. Dass das Appellationsgericht die allfällige Aussage des B.________, den die Beschwerdeführerin selbst als psychisch angeschlagen bezeichnet, nicht als geeignet ansah, die richterliche Überzeugung über die tatsächliche Aushändigung der Postsendung zu ändern, ist nicht zu beanstanden. Es ist vertretbar und daher nicht willkürlich anzunehmen, dass die Aussage eines derartigen Zeugen ohnehin nicht als derart glaubwürdig erscheinen könnte, dass sie das - der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechende - Beweisergebnis umzustossen vermöchte. Auch die vorweggenommene Würdigung der beantragten Befragung bestimmter Zeugen, die hätten aussagen können, dass das Organ der Beschwerdeführerin am Vormittag des 18. Oktober 2004 krank gewesen sei, ist sachlich haltbar und damit nicht willkürlich. Es ist in der Tat nicht ausgeschlossen, dass eine kranke Person - erst recht, wenn sie für die Geschäftsführung eines Betriebes verantwortlich ist - trotz ihres Gesundheitszustandes kurz im Betrieb nach dem Rechten schaut. Wenn das Appellationsgericht - selbst für den Fall, dass Zeugenaussagen die Krankheit des A.________ zum massgeblichen Zeitpunkt bestätigen würden - als erwiesen erachtete, dass die eingeschriebene Mahnung am 18. Oktober 2004 samt Kündigungsandrohung von der Beschwerdeführerin in Empfang genommen wurde, ist diese Würdigung vertretbar und damit nicht willkürlich. 
2.3 Das Appellationsgericht konnte ohne in Willkür zu verfallen aus den bekannten Umständen schliessen, dass der Postbote die eingeschriebene Sendung der Beschwerdegegnerin vom 14. Oktober 2004 der Beschwerdeführerin am Vormittag des 18. Oktober 2004 aushändigte. Das Gericht konnte in vertretbarer Weise annehmen, der gezogene Schluss wäre auch durch die beantragten Zeugeneinvernahmen nicht umzustossen. Der Schluss des Appellationsgerichts, dass der Brief mit der Mahnung der ausstehenden Mietzinse und der Androhung der Kündigung am 18. Oktober 2004 in den Besitz der Beschwerdeführerin gelangte, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei ist unerheblich, ob das Appellationsgericht die schriftliche Bestätigung des - von der Beschwerdeführerin als psychisch angeschlagen bezeichneten - B.________ zu Recht nicht berücksichtigte. Denn abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin nicht bzw. nicht rechtsgenügend begründet, inwiefern das Appellationsgericht die massgebende kantonale Prozessordnung willkürlich angewandt haben soll, wenn es das entsprechende Schreiben über schon längst bekannte Tatsachen als verspätet aus dem Recht wies, ist sachlich haltbar und daher nicht willkürlich, anzunehmen, dass dieses Schreiben ebenso wenig wie die Einvernahme von B.________ als Zeuge den naheliegenden (impliziten) Schluss des Appellationsgerichts umzustossen vermöchte, dass es A.________ war, der am Vormittag des 18. Oktober 2004 die eingeschriebene Mahnung der Beschwerdegegnerin in Empfang nahm und quittierte. 
2.4 Das Appellationsgericht hat weder die unbestrittenen Umstände willkürlich gewürdigt noch die nicht abgenommenen Beweise in willkürlicher Weise antizipiert als untauglich erachtet, etwas am Beweisergebnis zu ändern. Die Willkürrüge ist unbegründet. 
3. 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Diesem Ausgang entsprechend ist die Gerichtsgebühr der Beschwerdeführerin zu auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie hat der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin überdies deren Parteikosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu ersetzen (Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'500.- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 3. Februar 2006 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: