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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_84/2008 
 
Urteil vom 3. März 2009 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiber Grünvogel. 
 
Parteien 
Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Effingerstrasse 31, 3003 Bern, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
M.________, Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwältin Andrea A. Berger-Fehr, 
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, 
Brunngasse 6, 8400 Winterthur. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 19. Dezember 2007. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1970 geborene M.________ war bei der I.________ GmbH als Geschäftsführer mit Kollektivzeichnungsberechtigung zu zweien angestellt, als über die Firma am 6. Juni 2005 der Konkurs eröffnet wurde. Er war nicht Gesellschafter der Firma. Die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich verneinte gegenüber M.________ mit Verfügung vom 28. Juli 2005 einen Anspruch auf Insolvenzentschädigung. Daran hielt die Kasse mit Einspracheentscheid vom 2. Mai 2006 fest. 
 
B. 
Eine dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 19. Dezember 2007 gut und hob den Einspracheentscheid in Bejahung eines Anspruchs auf Insolvenzentschädigung auf. 
 
C. 
Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids. 
Während die Kasse den Antrag des SECO stützt, lässt M.________ auf Abweisung der Beschwerde schliessen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Anspruch auf Insolvenzentschädigung (Art. 51 Abs. 1 lit. a AVIG) und den Personenkreis, der vom Entschädigungsanspruch ausgeschlossen ist (Art. 51 Abs. 2 AVIG), zutreffend dargelegt. Ebenso hat sie die zu Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG ergangene, im Rahmen von Art. 51 Abs. 2 AVIG gleichermassen anwendbare (ARV 1996/1997 Nr. 41 S. 224) Rechtsprechung betreffend Personen, die als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums oder Ehegatten desselben vom Kurzarbeitsentschädigungsanspruch ausgeschlossen sind (BGE 126 V 134; siehe auch BGE 123 V 234 E. 7a S. 236 f.; 122 V 270 E. 3 S. 272 f.), richtig wiedergegeben. 
Danach ist in aller Regel die Frage, ob eine arbeitnehmende Person einem obersten betrieblichen Entscheidungsgremium angehört und ob sie in dieser Eigenschaft massgeblich Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen nehmen kann, auf Grund der internen betrieblichen Struktur zu beantworten (BGE 122 V 270 E. 3 S. 272; ARV 2004 Nr. 21 S. 196 E. 3.2 [C 113/03]; 1996/97 Nr. 41 S. 224 E. 1b [C 42/97]). Keine Prüfung des Einzelfalles ist erforderlich, wenn sich die massgebliche Entscheidungsbefugnis bereits aus dem Gesetz selbst (zwingend) ergibt. In diesem Sinne hat das Bundesgericht (bis Ende 2006: das Eidgenössische Versicherungsgericht) den mitarbeitenden Verwaltungsrat einer AG, für welchen das Gesetz in der Eigenschaft als Verwaltungsrat in Art. 716-716b OR verschiedene, nicht übertrag- und entziehbare, die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmende oder massgeblich beeinflussende Aufgaben vorschreibt, vom Leistungsanspruch generell ausgeschlossen (BGE 123 V 234 E. 7a S. 238; 122 V 270 E. 3 S. 273; ARV 2004 Nr. 21 S. 196 [C 113/03]; 2002 Nr. 28 S. 183 [C 373/00]; 1996/97 Nr. 10 S. 48 [C 35/94], Nr. 31 S. 170 [C 296/96], Nr. 41 S. 224 [C 42/97]). 
 
2. 
Der Beschwerdeführer vertritt unter Hinweis auf zwei höchstrichterliche Urteile die Auffassung, dem geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH sei ebenfalls von Gesetzes wegen eine massgebliche Entscheidungsbefugnis zugeordnet und folgert weiter, weil sich die Position des geschäftsführenden Dritten einer GmbH in Bezug auf die Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis und den Umfang sowie die Beschränkung der Vertretungsbefugnis und die damit einhergehenden Rechte nicht unterscheiden würden, bedürfe es auch bei diesen keiner Einzelfallabklärung auf Grund der innerbetrieblichen Regelung. 
 
2.1 Vorab ist festzuhalten, dass sich der Fall nach den Rechtssätzen zur GmbH beurteilt, wie sie zum Zeitpunkt der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes im Jahre 2005 Geltung hatten (BGE 130 V 445 E. 1.2.1 S. 447; 127 V 466 E. 1 S. 467). Die auf den 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Änderungen des GmbH-Rechts (AS 2007 4791) finden demnach keine Berücksichtigung. 
 
2.2 Die beiden angerufenen Urteile ARV 2000 Nr. 15 S. 72 [C 295/99] und C 41/00 vom 6. August 2001 betreffen zwar ebenfalls Zeiträume unter der Herrschaft des GmbH-Rechts, wie es im Jahre 2005 noch Geltung hatte. Dennoch sind sie kaum einschlägig: 
Im erstgenannten Urteil C 295/99 vom 27. Januar 2000 stand zwar der Leistungsausschluss eines Geschäftsführers einer GmbH mit Gesellschaftereigenschaft zur Diskussion. Das Gericht prüfte indessen die Einflussmöglichkeiten im konkreten Fall und mass dabei der Eigenschaft als Hauptgesellschafter beim Leistungsausschluss wesentliches Gewicht bei. In die gleiche Richtung ging das bereits früher ergangene, in C 295/99 zitierte Urteil C 84/99 vom 15. November 1999, worin ein Geschäftsführer einer GmbH mit einem Anteil von 95 % des Stammkapitals von den Leistungen ausgeschlossen wurde. Dies wurde vom Eidgenössischen Versicherungsgericht im vom Beschwerdeführer angerufenen zweiten Urteil C 41/00 vom 6. August 2001 alsdann nicht korrekt erfasst, wenn es dort unter Referenzangabe des Urteils C 295/99 ausführte, die massgebliche Entscheidbefugnis beim geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH sei wie beim mitarbeitenden Verwaltungsrat einer AG nach Art. 716-716b OR ex lege gegeben. Allerdings wird zusätzlich auf Art. 811 Abs. 1 OR verwiesen, worin die Verpflichtung zur gemeinsamen Geschäftsführung von Gesellschaftern bei fehlender anderslautender Regelung umschrieben ist. Inwieweit aus dieser Bestimmung eine massgebliche, nicht entziehbare Einflussmöglichkeit des geschäftsführenden Gesellschafters abzuleiten ist, wird in diesem Urteil indessen nicht näher ausgeführt und ist auch nicht ohne weiteres einsichtig, zumal es sich um eine dispositive Rechtsnorm handelt (siehe dazu E. 2.3 erster Satz hiernach). Ebenso wenig ergibt sich dazu Näheres in der dort zitierten Literaturstelle Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, 1. Aufl. 1998 N. 380 (nunmehr 2. Aufl. 2007, N. 592 und N. 463). 
 
2.3 Das Gesetz erlaubte es bis Ende 2007 in aArt. 811 Abs. 2 OR der GmbH, die Geschäftsführung durch Statuten oder Gesellschafterbeschluss insbesondere im Innenverhältnis frei auszugestalten. So konnte etwa für einen mitarbeitenden Gesellschafter ein individuelles Recht auf Geschäftsführung in delegierten Bereichen vorgesehen oder aber seine Entscheidbefugnis allenfalls teilweise oder gänzlich und lediglich im Innenverhältnis beschnitten sein (Rolf Watter, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 2. Aufl 2002, N. 5 und 8 ff. zu aArt. 811 OR S. 1349 f.; siehe auch aArt. 814 ff. OR). Zudem konnte die Geschäftsführung ganz oder teilweise einem Dritten übertragen werden (aArt. 812 OR). Der Aufgaben- und Kompetenzbereich eines Geschäftsführers der GmbH ohne Gesellschaftereigenschaft innerhalb des Betriebs konnte mit anderen Worten ohne Einflussmöglichkeit seinerseits - genau so wie des Direktors einer AG ohne Zugehörigkeit zum Verwaltungsrat (BGE 125 V 371; 120 V 521; ARV 1997 Nr. 41 S. 224 [C 42/97]) - durch Statuten oder Gesellschafterbeschluss frei bestimmt werden. Insoweit bestand ein wesentlicher Unterschied zum mitarbeitenden Verwaltungsrat, dem gewisse Aufgaben und damit verbunden Pflichten von Gesetzes wegen unübertrag- und unentziehbar zugeordnet waren (aArt. 716-716b OR). Einem Nichtgesellschafter konnte sodann - anders als dem Gesellschafter - die Geschäftsführung und Vertretung durch Gesellschaftsbeschluss jederzeit entzogen werden (aArt. 814 Abs. 3 OR). Ebenso wenig standen ihm unübertragbare Befugnisse zu, wie sie in aArt. 810 OR der Gesellschaftsversammlung und damit je nach deren Zusammensetzung faktisch dem einzelnen Gesellschafter zugeschrieben waren. Letzteres machte denn auch den Unterschied zum geschäftsführenden Gesellschafter der GmbH aus, der wegen dieser Doppelfunktion eher noch mit einem mitarbeitenden Verwaltungsrat einer AG vergleichbar gewesen sein dürfte. 
 
2.4 Die von Art. 51 Abs. 2 AVIG zum Ausschluss auf den Anspruch auf Insolvenzentschädigung geforderte Möglichkeit, die Entscheidungen des Arbeitgebers massgeblich beeinflussen zu können, ergibt sich nach Gesagtem beim Geschäftsführer einer GmbH ohne Gesellschaftereigenschaft zumindest unter der Herrschaft des bis Ende 2007 geltenden Rechts nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Sie ist vielmehr anhand der konkreten Gegebenheiten zu ermitteln. Eine andere Frage ist, ob in beweisrechtlicher Hinsicht der Umstand, dass eine Person im Handelsregister und damit formal im Aussenverhältnis als Geschäftsführer (mit Einzelzeichnungsbefugnis oder Kollektivunterschrift) in Erscheinung tritt, nicht zu einer Umkehr der Beweislast führt. Dies braucht vorliegend aber nicht beantwortet zu werden, hat die Vorinstanz doch in tatsächlicher Hinsicht in für das Bundesgericht verbindlicher, vom Beschwerdeführer nicht beanstandeter Weise (Art. 105 Abs. 2 BGG), festgestellt, dass der Beschwerdegegner auf Grund der gesamten Umstände nicht als dem obersten betrieblichen Entscheidungsgremium zugehörig zu betrachten ist, womit er vom in Art. 51 Abs. 1 lit. c AVIG vorgesehenen Ausschluss vom Anspruch auf Insolvenzentschädigung nicht erfasst ist. 
 
3. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens steht dem berufsmässig vertretenen Beschwerdegegner eine Parteientschädigung zu Lasten des Beschwerdeführers zu (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3. 
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 3. März 2009 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Ursprung Grünvogel