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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.629/2002/sch 
 
Urteil vom 3. April 2003 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesgerichtsvizepräsident Nay, Bundesrichter Féraud, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, handelnd durch seine Eltern, diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stephan Rawyler, Vorstadt 18, 8200 Schaffhausen, 
 
gegen 
 
Barbara Wüthrich Frey, stellvertretende Jugendanwältin, Jugendanwaltschaft des Kantons Schaffhausen, Frauengasse 24, 8200 Schaffhausen, Beschwerdegegnerin, 
Präsident des Obergerichts des Kantons Schaffhausen, Frauengasse 17, Postfach 568, 
8201 Schaffhausen. 
 
Gegenstand 
Ausstand, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Präsidenten des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 5. November 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Barbara Wüthrich Frey ist stellvertretende Jugendanwältin des Kantons Schaffhausen. Sie führt eine jugendstrafrechtliche Untersuchung gegen X.________ (geb. 1991) wegen des Verdachts sexueller Nötigung und weiterer Delikte. X.________ wird vorgeworfen, im Sommer 2001 an der damals sechsjährigen Y.________ und der siebenjährigen Z.________ sexuelle Handlungen vorgenommen zu haben. Er habe von den beiden Mädchen Stillschweigen verlangt und gedroht, sie andernfalls umzubringen. 
 
Am 9. August 2002 wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen eine von X.________ gegen Barbara Wüthrich Frey erhobene Aufsichtsbeschwerde und ein Ablehnungsgesuch ab. Der Entscheid blieb unangefochten. 
 
Mit Eingabe vom 19. Oktober 2002 lehnte X.________ Barbara Wüthrich Frey erneut wegen Befangenheit ab. 
 
Am 5. November 2002 wies der Präsident des Obergerichts des Kantons Schaffhausen das Ausstandsgesuch ab, soweit er darauf eintrat. 
B. 
X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, den Entscheid des Obergerichtspräsidenten vom 5. November 2002 aufzuheben; Barbara Wüthrich Frey sei als befangen zu erklären; eventuell sei die Sache zum neuen Entscheid an das Obergericht zurückzuweisen. 
C. 
Der Obergerichtspräsident und Barbara Wüthrich Frey haben Vernehmlassungen eingereicht, ohne einen förmlichen Antrag zu stellen. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Ist die Ausstandspflicht der stellvertretenden Jugendanwältin streitig, entscheidet der Präsident des Obergerichtes endgültig (Art. 8 und 9 des Gesetzes des Kantons Schaffhausen über die Jugendstrafrechtspflege vom 22. April 1974 [JStPG/SH; SHR 320.300] in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 lit. d der Strafprozessordnung für den Kanton Schaffhausen vom 15. Dezember 1986 [StPO/SH; SHR 320.100]). Gegen den angefochtenen Entscheid ist somit kein kantonales Rechtsmittel gegeben. Die Beschwerde ist nach Art. 86 OG zulässig. 
 
Der angefochtene Entscheid stellt einen Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren dar. Er ist nach Art. 87 Abs. 1 OG anfechtbar. 
 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischer Natur (BGE 124 I 327 E. 4 mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdeführer mehr als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt, kann auf die Beschwerde deshalb nicht eingetreten werden. 
 
Im Übrigen ist die Beschwerde - unter Vorbehalt der hinreichenden Begründung der Rügen nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG - zulässig. Die weiteren Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, der Obergerichtspräsident hätte einen zweiten Schriftenwechsel anordnen müssen. Der Obergerichtspräsident habe in wesentlichen Punkten auf die Vernehmlassung der Beschwerdegegnerin vom 28. Oktober 2002 abgestellt. Dazu habe sich der Beschwerdeführer nicht äussern können. Zwar habe er unaufgefordert am 6. November 2002 eine Stellungnahme zur Vernehmlassung der Beschwerdegegnerin eingereicht. Einen Tag zuvor habe der Obergerichtspräsident seinen Entscheid jedoch bereits gefällt gehabt. Da der Obergerichtspräsident keinen zweiten Schriftenwechsel angeordnet habe, habe er den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verletzt. 
2.2 Nach der Rechtsprechung ergibt sich aus Art. 29 Abs. 2 BV kein allgemeines Recht, in die Vernehmlassung der Gegenpartei Einsicht zu nehmen und sich dazu zu äussern. Eine Vernehmlassung muss nur zugestellt und ein Recht zur Stellungnahme eingeräumt werden, wenn in der Vernehmlassung neue und erhebliche Gesichtspunkte geltend gemacht werden, zu denen der Betroffene noch nicht Stellung nehmen konnte (BGE 114 Ia 307 E 4b S. 314; 111 Ia 2 E. 3). 
2.3 Der Beschwerdeführer (S. 7/8) nennt verschiedene Punkte, die seiner Ansicht nach den Obergerichtspräsidenten dazu hätten veranlassen müssen, eine Stellungnahme zur Vernehmlassung einzuholen. 
2.3.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, der Obergerichtspräsident (angefochtener Entscheid S. 5) nehme unter Hinweis auf die Vernehmlassung an, die Beschwerdegegnerin schliesse die Unschuld des Beschwerdeführers nicht aus. 
 
Dabei handelt es sich um keinen neuen Gesichtspunkt. Der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin nicht von sich aus in den Ausstand getreten ist, zeigt, dass sie sich selber als unvoreingenommen ansieht und damit für sie die Schuld des Beschwerdeführers noch nicht endgültig feststeht. 
2.3.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, nach den Ausführungen des Obergerichtspräsidenten (angefochtener Entscheid S. 5) ergebe sich aus der Vernehmlassung, dass der Gutachtensauftrag nicht auf die Fragen der Massnahmebedürftigkeit, Massnahmewilligkeit und Massnahmefähigkeit beschränkt sei. 
 
Auch dieser Gesichtspunkt ist nicht neu. Dass nebst der Massnahmebedürftigkeit, -willigkeit und -fähigkeit weitere Punkte abgeklärt werden sollten, ergab sich bereits aus den Akten. So ersuchte die Beschwerdegegnerin mit Gutachtensauftrag vom 20. September 2002 Dr. med. Christian Begemann nebst den erwähnten Punkten um die Beurteilung des körperlichen Zustandes des Beschwerdeführers (Ziff. 1), seines Geisteszustandes (Ziff. 2) sowie seiner allgemeinen Persönlichkeit, ihres Aufbaus und ihrer bisherigen Entwicklung (Ziff. 3); ausserdem stellte sie Dr. Begemann die Frage, ob ihm der Gutachtensauftrag zu weiteren Feststellungen oder Bemerkungen Anlass gebe (Ziff. 6). Gleich lautete der Gutachtensauftrag vom 3. Oktober 2002 an den anstelle von Dr. Begemann neu eingesetzten Experten Dr. med. Georg Bieber (Akten der Beschwerdegegnerin, "untersuchungsrichterliche Verfügungen", act. 16 und 19). 
2.3.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, nach den Darlegungen des Obergerichtspräsidenten (angefochtener Entscheid S. 7 f.) habe die Beschwerdegegnerin unbedachterweise in ihrer Vernehmlassung eine Formulierung übernommen, die - für sich allein betrachtet - allenfalls als Zeichen dafür gedeutet werden könnte, dass sie von der Schuld des Beschwerdeführers überzeugt sei. Sie habe aber - so der Obergerichtspräsident - in der Vernehmlassung ausdrücklich vorbehalten, den Beschwerdeführer noch einmal zur Sache zu befragen. 
 
Wie im angefochtenen Entscheid (S. 7) ausgeführt wird, gab die Beschwerdegegnerin mit der "unbedachten Formulierung" wieder, was nicht nur das Obergericht, sondern auch der Beschwerdeführer selber schon so formuliert hatte. Inwiefern es sich dabei unter diesen Umständen um einen neuen und erheblichen Gesichtspunkt handeln soll, legt der Beschwerdeführer nicht klar und detailliert dar. Die Beschwerde genügt insoweit den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht, weshalb darauf nicht eingetreten werden kann. 
 
Dass sich bei einem Widerruf des Geständnisses, wie er am 30. September 2002 erfolgt ist, weitere Abklärungen aufdrängten, hatte das Obergericht bereits im Entscheid vom 9. August 2002 (S. 10) als Selbstverständlichkeit bezeichnet. Wenn die Beschwerdegegnerin dies in der Vernehmlassung noch ausdrücklich bestätigte und sich eine weitere Befragung des Beschwerdeführers zur Sache vorbehielt, so stellt das keinen neuen und erheblichen Gesichtspunkt dar. 
2.3.4 Der Beschwerdeführer macht geltend, aus der Vernehmlassung habe sich ergeben, dass die Beschwerdegegnerin offenbar zusammen mit der Jugendanwältin Denise Proff Hauser seinen Fall betreut habe. Das sei dem Beschwerdeführer bis dahin nicht bekannt gewesen. Diese neue Tatsache hätte er im Verfahren vor dem Obergerichtspräsidenten noch geltend machen können, indem er die Ablehnung auf Denise Proff Hauser hätte ausdehnen können. 
 
Wollte man annehmen, dass es sich insoweit um einen neuen Gesichtspunkt handelte, so war er jedenfalls nicht erheblich. Denn im Verfahren vor dem Obergerichtspräsidenten ging es um die Ablehnung der Beschwerdegegnerin. Inwiefern es insoweit von Bedeutung sein soll, dass sie allenfalls den Fall in Zusammenarbeit mit der Jugendanwältin Denise Proff Hauser betreut hat, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist nicht ersichtlich. Sollte Frau Denise Proff Hauser mit dem Fall befasst sein und hätte der Beschwerdeführer Anhaltspunkte, die gegen deren Unvoreingenommenheit sprechen sollten, könnte er Frau Proff Hauser in einem selbständigen Verfahren ablehnen. 
2.4 Eine Verletzung des rechtliche Gehörs liegt somit nicht vor. 
Selbst wenn man anderer Auffassung wäre, würde das dem Beschwerdeführer im Übrigen nicht helfen. Denn jedenfalls wäre keine besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs gegeben. Da die Kognition des Bundesgerichtes bei der Prüfung der Befangenheit der Beschwerdegegnerin nicht enger ist als die des Obergerichtspräsidenten (vgl. unten E. 3), wäre eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im bundesgerichtlichen Verfahren geheilt. Der Beschwerdeführer hatte die Möglichkeit, sich zu sämtlichen Ausführungen, die in der Vernehmlassung der Beschwerdegegnerin an den Obergerichtspräsidenten enthalten sind, vor Bundesgericht zu äussern. Die Rückweisung der Sache würde sich auch mit Blick auf das nach Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu beachtende Beschleunigungsgebot nicht rechtfertigen (vgl. BGE 126 I 68 E. 2 mit Hinweisen). 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Beschwerdegegnerin führe die Strafuntersuchung in einer Weise, die den Verdacht der Befangenheit begründe. Die Beschwerdegegnerin wolle ein Gutachten zur Frage der Massnahmebedürftigkeit, Massnahmewilligkeit und Massnahmefähigkeit einholen, obwohl weder Tat noch Täterschaft einigermassen klar feststünden. Dies zeige ihre Voreingenommenheit. 
 
Der Beschwerdeführer habe am 30. September 2002 sein Geständnis widerrufen. Gleichwohl habe die Beschwerdegegnerin bisher keine weiteren Untersuchungshandlungen als die Einholung des genannten Gutachtens angeordnet. Indem sie auf weitere Untersuchungshandlungen verzichte, zeige sie, dass sie den Beschwerdeführer bereits als schuldig ansehe. 
 
Zu berücksichtigen seien weitere Umstände. So habe die Beschwerdegegnerin gegen den Beschwerdeführer einen Zuführungsbefehl ausgestellt. Damit habe sie Wiederholungsgefahr unterstellt, obwohl es unstreitig seit Sommer 2001 zu keinem neuen zu untersuchenden Vorfall mehr gekommen sei. Die Beschwerdegegnerin habe sodann bei der Befragung des Beschwerdeführers vom 30. Mai 2002 eine sachgerechte Verteidigung durch einen Anwalt oder durch die in der Jugendanwaltschaft anwesenden Eltern verhindert. Hinzu komme das nicht-verbale Verhalten der Beschwerdegegnerin nach der Einvernahme vom 30. Mai 2002. Dabei habe sie ein spöttisch-verächtliches Lachen gezeigt, als der Beschwerdeführer zu seiner Mutter gesagt habe: "Mami, das stimmt nicht alles". Würdige man diese zusätzlichen Gesichtspunkte, so entstehe der Eindruck der Voreingenommenheit. Ferner habe die Beschwerdegegnerin Y.________ in der Befragung stets als "Opfer" bezeichnet. Damit habe sie andere Möglichkeiten, insbesondere harmlose "Doktorspiele", von vornherein ausgeschlossen. 
 
Bei Anwendung des Massstabes von Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 40 Abs. 1 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (UNO-Kinderrechtskonvention; SR 0.107) müsse der Beschwerdegegnerin die Unbefangenheit, welche von einem Untersuchungsbeamten verlangt werde, abgesprochen werden. Indem der Obergerichtspräsident die Voreingenommenheit verneint habe, habe er überdies den in den Verfügungen der Beschwerdegegnerin vom 23. September 2002 und 4. Oktober 2002 enthaltenen Gutachtensauftrag willkürlich ausgelegt. Ferner habe er Art. 26 StPO/SH, der sinngemäss auch für die Beschwerdegegnerin gelte, willkürlich angewandt. 
3.2 
3.2.1 Nach der in Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltenen Garantie des verfassungsmässigen Richters hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Liegen bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vor, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, so ist die Garantie verletzt. 
 
Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK sind bei der Ablehnung eines Untersuchungsrichters oder eines Vertrteters der Staatsanwaltschaft nur anwendbar, wenn diese ausnahmsweise in richterlicher Funktion tätig werden und die Rolle eines eigentlichen Richters einnehmen. Nehmen sie jedoch ihre Funktion als Strafuntersuchungs- oder Anklagebehörde wahr, ist die Ausstandspflicht ausschliesslich aufgrund von Art. 29 Abs. 1 BV zu beurteilen. 
 
Wohl darf der Gehalt von Art. 30 Abs. 1 BV nicht unbesehen auf nicht richterliche Behörden bzw. auf Art. 29 Abs. 1 BV übertragen werden. Hinsichtlich der Unparteilichkeit des Untersuchungsrichters kommt Art. 29 Abs. 1 BV allerdings ein mit Art. 30 Abs. 1 BV weitgehend übereinstimmender Gehalt zu. Ebenso wie ein Staatsanwalt kann auch 
 
ein Untersuchungsrichter abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, welche nach objektiven Gesichtspunkten geeignet sind, den Anschein der Befangenheit zu erwecken. 
 
Der Untersuchungsrichter hat den belastenden und entlastenden Umständen mit gleicher Sorgfalt nachzugehen und ist dabei zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet. Er hat auch nach Vornahme der Untersuchungshandlungen unabhängig und unparteiisch zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Anklageerhebung gegeben sind. Er darf sich vor Abschluss der Untersuchung grundsätzlich nicht darauf festlegen, dass dem Angeschuldigten ein strafbares Verhalten zur Last zu legen sei. 
 
Namentlich in Fällen mit grosser Publizität kann sich in jedem Untersuchungsstadium die Situation ergeben, dass der Untersuchungsrichter bereits vor Abschluss des Verfahrens in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht zum Gegenstand der Untersuchung Stellung nimmt und dabei unter Umständen auch seine persönliche - aufgrund des jeweiligen Verfahrensstandes vorläufig gebildete - Meinung offen legt. Dabei darf und muss, sofern nicht besondere, anders lautende Anzeichen vorhanden sind, vorausgesetzt werden, dass der Untersuchungsrichter in der Lage ist, seine Beurteilung des Prozessstoffes im Verlaufe des Verfahrens entsprechend dem jeweils neuesten Stand des Verfahrens ständig neu zu überprüfen und bei Vorliegen neuer Tatsachen und Argumente auch zu revidieren. Eine solche, jeder untersuchungsrichterlichen Tätigkeit innewohnende - vorläufige - Verarbeitung und Wertung des im betreffenden Verfahrensstadium vorhandenen Prozessstoffes vermag grundsätzlich keine Vorverurteilung oder Befangenheit zu begründen. 
 
Eine gewisse Gefahr der Befangenheit besteht insbesondere, wenn der Beschuldigte nicht geständig ist bzw. ein abgelegtes Geständnis widerruft sowie bei lang dauernden Strafuntersuchungen; in diesen Fällen sind deshalb an die Ablehnbarkeit keine hohen Anforderungen zu stellen und ist ein Ausstandsgrund anzunehmen, wenn objektive Anzeichen für eine Voreingenommenheit des Untersuchungsrichters bestehen (BGE 127 I 196 E. 2 mit Hinweisen). 
3.2.2 Gemäss Art. 3 JStPG/SH wird die Jugendstrafrechtspflege unter anderem durch die Jugendanwaltschaft ausgeübt. Nach Art. 5 JStPG/ SH übt die Jugendanwaltschaft im Verfahren gegen Kinder und 
 
 
Jugendliche die Befugnisse aus, welche im Verfahren gegen Erwachsene den Untersuchungsbehörden, der Staatsanwaltschaft und den Vollstreckungsbehörden zustehen. 
 
Führt die Jugendanwaltschaft gegen Kinder und Jugendliche eine Strafuntersuchung, so gelten für sie die gleichen Grundsätze zur Unparteilichkeit und Unbefangenheit wie für den Untersuchungsrichter im Strafverfahren gegen Erwachsene. Für eine unterschiedliche Behandlung von Jugend- und Erwachsenenstrafverfahren besteht insoweit kein Grund. Ebenso wenig wie ein Erwachsener muss es ein Kind oder Jugendlicher hinnehmen, dass die Strafuntersuchung von jemandem geführt werde, der parteilich und voreingenommen ist und damit keine Gewähr bietet, dass er den entlastenden ebenso wie den belastenden Umständen nachgeht. 
3.3 
3.3.1 Der Beschwerdeführer stützt - wie dargelegt - die Rüge der Befangenheit in erster Linie darauf, die Beschwerdegegnerin habe bereits ein Gutachten über die Massnahmebedürftigkeit, Massnahmefähigkeit und Massnahmewilligkeit eingeholt, obwohl weder Tat noch Täterschaft einigermassen klar feststünden. 
 
Dazu ist zunächst zu präzisieren, dass die Beschwerdegegnerin - wie ebenfalls bereits gesagt - den Gutachter nicht nur um die Abklärung der Massnahmebedürftigkeit, -fähigkeit und -willigkeit ersuchte, sondern auch um die Beurteilung des körperlichen Zustandes des Beschwerdeführers, seines Geisteszustandes sowie seiner allgemeinen Persönlichkeit. 
 
Zur Einholung eines solchen Gutachtens war sie gesetzlich befugt. Gemäss Art. 83 StGB stellt die zuständige Behörde den Sachverhalt fest. Soweit die Beurteilung des Kindes es erfordert, macht sie Erhebungen über das Verhalten, die Erziehung und die Lebensverhältnisse des Kindes und zieht Berichte und Gutachten über dessen körperlichen und geistigen Zustand ein. Sie kann auch die Beobachtung des Kindes während einer gewissen Zeit anordnen. Gemäss Art. 20 JStPG/ SH sind die persönlichen und erzieherischen Verhältnisse von Kindern und Jugendlichen bei der Untersuchung von Vergehen und Verbrechen durch den Jugendanwalt sorgfältig abzuklären. Dabei können neben den ordentlichen Beweismitteln Auskunftspersonen einvernommen und schriftliche Berichte eingeholt werden. 
 
Art. 83 spricht von der zuständigen Behörde und nicht - wie Art. 84 ff. StGB - von der urteilenden bzw. vollziehenden Behörde. Schon vom Wortlaut her richtet sich Art. 83 StGB somit auch an den die Strafuntersuchung führenden Jugendanwalt. Art. 20 JStPG/SH regelt ausdrücklich die Pflichten des Jugendanwaltes. 
 
Das Jugendstrafrecht ist Täterstrafrecht. Die Sanktionen des Jugendstrafrechts sind keine tatvergeltenden, auf den Ausgleich des begangenen Unrechts gerichteten Sanktionen. Sie verfolgen das Ziel, den zu beurteilenden Jugendlichen von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Um die richtige Sanktion auswählen zu können, muss die Persönlichkeit des Täters erforscht werden. Art. 83 StGB für Kinder - und der gleich lautende Art. 90 StGB für Jugendliche - schreibt dies ausdrücklich vor (Hansueli Gürber/Christoph Hug, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafgesetzbuch I, 2003, vor Art. 82 N. 6). Bei der Auswahl der Sanktionen ist stets zuerst zu prüfen, ob eine Massnahme erforderlich ist. Braucht das Kind eine besondere erzieherische Betreuung, so sieht das Gesetz die Erziehungshilfe als ambulante Unterstützung und Begleitung durch Fachpersonen vor oder die Fremdplatzierung in einer geeigneten Institution oder Familie (Art. 84 StGB). Erfordert der Zustand des Täters eine Behandlung, ist eine besondere Behandlung anzuordnen (Art. 85 StGB). Nur wenn die Abklärung der Täterpersönlichkeit ergibt, dass keine Massnahmen erforderlich sind, kommen die Strafen zur Anwendung (Art. 87 StGB; Gürber/Hug, a.a.O., N. 9). Der Grundsatz des Vorranges der Massnahmen vor den Strafen bewirkt, dass in allen Untersuchungen Abklärungen zur Person des Täters gemacht werden müssen (Gürber/Hug, a.a.O., N. 16). Die ersten Erhebungen nach Art. 83 StGB werden je nach Kanton bereits von der Polizei bzw. von Kriminalisten vorgenommen. Die weiteren Abklärungen erfolgen in der Regel durch die Organe der Jugendstrafrechtspflege, unter anderem durch Jugendanwälte (Gürber/Hug, a.a.O., Art. 83 N. 6). 
 
In Anbetracht dessen konnte sich die Beschwerdegegnerin - auch wenn seit den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Taten schon längere Zeit verstrichen war und er sich inzwischen wohl weiterentwickelt und verändert hatte - zur Einholung eines Gutachtens veranlasst sehen. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer am 30. September 2002 sein am 30. Mai 2002 abgelegtes Geständnis widerrufen hat. Denn beim derzeitigen Stand der Untersuchung kann ein Schuldspruch nicht ausgeschlossen werden. Die Einholung eines Gutachtens war auch deshalb vertretbar, weil es sich bei den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Taten um Sexualdelikte handelt, die keine blossen Bagatellen mehr darstellen. In solchen Fällen rechtfertigt sich regelmässig die Einholung eines Gutachtens (vgl. Gürber/Hug, a.a.O., Art. 83 N. 6 am Schluss; Marie Boehlen, Kommentar zum schweizerischen Jugendstrafrecht, Bern 1975, Art. 83 StGB N. 5 S. 50). 
 
War die Einholung eines Gutachtens vertretbar, so begründet dies objektiv keinen Anschein der Befangenheit. 
3.3.2 Die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers sind ebenfalls nicht geeignet, die Befangenheit der Beschwerdegegnerin darzutun. 
 
Wie sich aus der Vernehmlassung der Beschwerdegegnerin ergibt, hat diese bereits vor der Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde eine Befragung des Opfers nach den geänderten Bestimmungen des Opferhilfegesetzes vorbereitet. Es ist also nicht so, dass die Beschwerdegegnerin keine weiteren Untersuchungshandlungen mehr vornehmen würde. Der aus der angeblichen Untätigkeit der Beschwerdegegnerin hergeleitete Vorwurf, für sie stehe die Schuld des Beschwerdeführers schon fest, entbehrt daher der Grundlage. 
 
Bereits geäussert hat sich das Obergericht in seinem Entscheid vom 9. August 2002 (S. 10 ff. E. 3) zu den Einwänden, die Befangenheit der Beschwerdegegnerin ergebe sich aus der Ausstellung eines Zuführungsbefehls, aus der Verweigerung einer sachgerechten Verteidigung durch einen Anwalt oder zumindest durch die in der Jugendanwaltschaft anwesenden Eltern bei der Befragung am 30. Mai 2002 und aus dem nicht-verbalen Verhalten der Beschwerdegegnerin (spöttisch-verächtliches Lachen nach der Einvernahme). Der Beschwerdeführer hat den Entscheid des Obergerichts vom 9. August 2002 nicht angefochten. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Beschwerdeführer die vom Obergericht in jenem Entscheid bereits behandelten Einwände im vorliegenden Verfahren im Zusammenhang mit den weiteren Gesichtspunkten, auf die er die Rüge der Befangenheit stützt, erneut vorbringen könnte, ergäbe sich daraus nichts zu seinen Gunsten. Wie das Obergericht im Entscheid vom 9. August 2002 (S. 12) zutreffen erwog, begründen die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Rügen keinen Anschein der Befangenheit. Der Erlass des Zuführungsbefehls und die Befragung des Beschwerdeführers unter Ausschluss eines Verteidigers und der Eltern entsprach - bis zum Entscheid des Obergerichtes vom 9. August 2002 - der Praxis im Kanton Schaffhausen. Im Übrigen vermögen Verfahrensmassnahmen, selbst wenn sie falsch sind, grundsätzlich ohnehin keine Ablehnung wegen Befangenheit zu begründen (BGE 114 Ia 153 E. 3b/bb S. 158/9 mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Beschwerdegegnerin habe mit nicht-verbalem Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass sie von seiner Schuld überzeugt sei, handelt es sich dabei um eine nicht belegte Behauptung. Sollte sich aus dem nicht-verbalen Verhalten der Beschwerdegegnerin beim Beschwerdeführer das subjektive Empfinden der Befangenheit ergeben haben, wäre dies nach der angeführten Rechtsprechung nicht massgebend. Bei objektiver Betrachtung besteht im vorliegenden Fall kein Anschein der Befangenheit. 
 
Ein solcher Anschein ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beschwerdegegnerin Y.________ als "Opfer" bezeichnete. Wie der Obergerichtspräsident in der Vernehmlassung (S. 3) zutreffend bemerkt, darf nicht jedes Wort gleichsam auf die Goldwaage gelegt werden. Zwar wäre vor einem rechtskräftigen Schuldspruch richtigerweise vom mutmasslichen Opfer zu sprechen. Der Einfachheit halber wird das Wort "mutmasslich" jedoch häufig weggelassen. Daraus kann nicht geschlossen werden, für denjenigen, der den Begriff "Opfer" verwendet, stehe die Täterschaft schon endgültig fest. 
 
Art. 29 Abs. 1 BV ist danach nicht verletzt. 
3.3.3 Der Beschwerdeführer rügt ebenso eine Verletzung von Art. 40 Abs. 1 der UNO-Kinderrechtskonvention. Danach erkennen die Vertragsstaaten das Recht jedes Kindes an, das der Verletzung der Strafgesetze verdächtigt, beschuldigt oder überführt wird, in einer Weise behandelt zu werden, die das Gefühl des Kindes für die eigene Würde und den eigenen Wert fördert, seine Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten anderer stärkt und das Alter des Kindes sowie die Notwendigkeit berücksichtigt, seine soziale Wiedereingliederung sowie die Übernahme einer konstruktiven Rolle in der Gesellschaft durch das Kind zu fördern. 
 
Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern diese Vorschrift verletzt sein soll. Die Beschwerde genügt insoweit den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht. Darauf ist nicht einzutreten. Bei dieser Sachlage braucht nicht geprüft zu werden, ob Art. 40 Abs. 1 der UNO-Kinderrechtskonvention eine unmittelbar anwendbare Staatsvertragsbestimmung darstellt. Nur wenn dies zu bejahen wäre, könnte diese Bestimmung beim Bundesgericht als verletzt gerügt werden (vgl. BGE 124 III 90 E. 3a). 
3.3.4 Der Beschwerdeführer macht geltend, indem der Obergerichtspräsident die Voreingenommenheit der Beschwerdegegnerin verneint habe, habe er den in ihren Verfügungen vom 23. September und 4. Oktober 2002 enthaltenen Gutachtensauftrag willkürlich ausgelegt. 
 
Der Obergerichtspräsident (angefochtener Entscheid S. 5) hat angenommen, der Gutachtensauftrag sei nicht auf die Fragen der Massnahmebedürftigkeit, - willigkeit und -fähigkeit beschränkt. Damit ist er nicht in Willkür verfallen. Wie dargelegt (E. 2.3.2), wird die Auffassung des Obergerichtspräsidenten durch die Akten gestützt. 
3.3.5 Der Beschwerdeführer rügt, der angefochtene Entscheid beruhe auf einer willkürlichen Anwendung von Art. 26 StPO/SH. Auch insoweit kann dahingestellt bleiben, ob die Rüge den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügt, weil sie jedenfalls unbegründet ist. Gemäss Art. 26 StPO/SH, der nach Art. 9 JStPG/SH in Verbindung mit Art. 28 StPO/SH auch für die stellvertretende Jugendanwältin gilt, kann ein Richter abgelehnt werden und damit von der weiteren Mitwirkung am Verfahren ausgeschlossen werden, wenn Tatsachen vorliegen, die ihn als befangen erscheinen lassen und Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit erregen. Solche Tatsachen sind nach dem Gesagten hier nicht gegeben. Eine willkürliche Auslegung von Art. 26 StPO/SH liegt damit nicht vor. 
4. 
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe erst im Verfahren vor dem Obergerichtspräsidenten erfahren, dass sein Fall von der Jugendanwältin Denise Proff Hauser und der Beschwerdegegnerin gemeinsam geführt werde. Er lehne deshalb, soweit dies im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde zulässig sei, aus den gleichen Gründen wie die Beschwerdegegnerin auch Frau Proff Hauser ab. 
 
Darauf ist nicht einzutreten. Gegenstand des angefochtenen Entscheids ist die Ablehnung der Beschwerdegegnerin. Zu einer Ablehnung von Frau Proff Hauser liegt kein kantonaler Entscheid vor. Der Beschwerdeführer kann Frau Proff Hauser nicht erstmals im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde ablehnen. Wollte er die Ablehnung auch dieser Justizbeamtin verlangen, so hätte er ein selbständiges Verfahren im Kanton einzuleiten. 
5. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
Da sie aussichtslos war, kann das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 152 OG nicht bewilligt werden. Das Gesuch hätte im Übrigen auch deshalb nicht gutgeheissen werden können, weil der Beschwerdeführer seine Bedürftigkeit nicht belegt hat, wozu er verpflichtet gewesen wäre (BGE 125 IV 161 E. 4a). Nach der Rechtsprechung sind für die Bedürftigkeit eines Minderjährigen nicht nur seine eigenen Einkünfte massgebend, sondern auch die seiner Eltern (BGE 119 Ia 134 E. 4 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer hätte also zur Begründung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung die Einkommens- und Vermögensverhältnisse auch seiner Eltern darlegen müssen. 
 
Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtsgebühr (Art. 156 Abs. 1 OG). Diese wird auf Fr. 500.-- festgesetzt. 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Präsidenten des Obergerichts des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 3. April 2003 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: