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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1C_54/2013 
 
Urteil vom 3. April 2013 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Päsident, 
Bundesrichter Karlen, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Fürsprecher Werner Spirig, 
 
gegen 
 
Bundesamt für Migration, Abteilung Bürgerrecht, Quellenweg 6, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Nichtigerklärung erleichterte Einbürgerung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 23. November 2012 des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung III. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 24. November 2000 heiratete der Libanese X.________ (Jg. 1974) die Schweizerin Y.________ (Jg. 1975). 
Am 18. Mai 2005 stellte X.________ ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung, welches vom Bundesamt für Migration (BFM) am 10. Februar 2006 gutgeheissen wurde. 
Am 23. November 2006 erhielt das BFM davon Kenntnis, dass die Eheleute X.-Y.________ den gemeinsamen Haushalt aufgelöst hatten. Am 16. Juni 2009 wurde die Ehe geschieden. Am 20. Oktober 2009 eröffnete das BFM das Verfahren auf Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung. 
Am 4. Februar 2011 erklärte das BFM die erleichterte Einbürgerung von X.________ für nichtig. 
Am 23. November 2012 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde von X.________ gegen diese Verfügung des BFM ab. 
 
B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________, dieser Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts sowie die Verfügung des BFM aufzuheben. 
 
C. 
Das BFM beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten des Bundesverwaltungsgerichts (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG). Die Ausnahme der ordentlichen Einbürgerungen nach Art. 83 lit. b BGG erstreckt sich nicht auf die Nichtigerklärung der Einbürgerung. Es liegt auch keine der übrigen Ausnahmen von Art. 83 BGG vor. Der Beschwerdeführer hat sich am Verfahren vor der Vorinstanz beteiligt und ist beschwerdelegitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2. 
2.1 Gemäss Art. 27 Abs. 1 BüG kann ein Ausländer nach der Eheschliessung mit einer Schweizer Bürgerin ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn er insgesamt fünf Jahre in der Schweiz gewohnt hat, seit einem Jahr hier wohnt und seit drei Jahren in ehelicher Gemeinschaft mit der Schweizer Bürgerin lebt. Eine eheliche Gemeinschaft im Sinne von Art. 27 BüG setzt nicht nur das formelle Bestehen einer Ehe, sondern eine tatsächliche Lebensgemeinschaft voraus. Eine solche Gemeinschaft kann nur bejaht werden, wenn der gemeinsame Wille zu einer ehelichen Gemeinschaft intakt ist (BGE 130 II 169 E. 2.3.1 S. 172). Gemäss konstanter Praxis muss sowohl im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung als auch im Zeitpunkt des Einbürgerungsentscheids eine tatsächliche Lebensgemeinschaft bestehen, die Gewähr für die Stabilität der Ehe bietet. Zweifel bezüglich eines solchen Willens sind angebracht, wenn kurze Zeit nach der erleichterten Einbürgerung die Trennung erfolgt oder die Scheidung eingeleitet wird. Der Gesetzgeber wollte dem ausländischen Ehegatten einer Schweizer Bürgerin die erleichterte Einbürgerung ermöglichen, um die Einheit des Bürgerrechts der Ehegatten im Hinblick auf ihre gemeinsame Zukunft zu fördern (BGE 135 II 161 E. 2 S. 165; 130 II 482 E. 2 S. 484). 
 
2.2 Nach Art. 41 Abs. 1 BüG (in der hier anwendbaren, bis Ende Februar 2011 geltenden Fassung) kann die Einbürgerung vom BFM mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons innert fünf Jahren nichtig erklärt werden, wenn sie durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist. Das blosse Fehlen der Einbürgerungsvoraussetzungen genügt nicht. Die Nichtigerklärung der Einbürgerung setzt vielmehr voraus, dass diese "erschlichen", d.h. mit einem unlauteren und täuschenden Verhalten erwirkt worden ist (BGE 132 II 113 E. 3.1 S. 115). Arglist im Sinne des strafrechtlichen Betrugstatbestands ist nicht erforderlich, wohl aber, dass der Betroffene bezüglich erheblicher Tatsachen bewusst falsche Angaben macht bzw. die Behörde bewusst in einem falschen Glauben lässt und so den Vorwurf auf sich zieht, es unterlassen zu haben, die Behörde über eine erhebliche Tatsache zu informieren (BGE 135 II 161 E. 2 S. 165; 132 II 113 E. 3.1 S. 115 mit Hinweisen). 
Bei der Nichtigerklärung einer erleichterten Einbürgerung ist deshalb von der Behörde zu untersuchen, ob die Ehe im massgeblichen Zeitpunkt der Gesuchseinreichung und der Einbürgerung tatsächlich gelebt wurde. Im Wesentlichen geht es dabei um innere Vorgänge, die der Behörde oft nicht bekannt und schwierig zu beweisen sind. Sie kann sich daher veranlasst sehen, von bekannten Tatsachen (Vermutungsbasis) auf unbekannte (Vermutungsfolge) zu schliessen. Es handelt sich dabei um Wahrscheinlichkeitsfolgerungen, die aufgrund der Lebenserfahrung gezogen werden (BGE 130 II 482 E. 3.2 S. 485 f.). Der Betroffene ist bei der Sachverhaltsabklärung mitwirkungspflichtig (BGE 135 II 161 E. 2 S. 166; 130 II 482 E. 3.2 S. 486). 
 
2.3 Die tatsächliche Vermutung betrifft die Beweiswürdigung und bewirkt keine Umkehrung der Beweislast (BGE 130 II 482 E. 3.2 S. 486). Begründet die kurze Zeitspanne zwischen der erleichterten Einbürgerung einerseits und der Trennung oder Einleitung einer Scheidung andererseits die tatsächliche Vermutung, es habe schon bei der Einbürgerung keine stabile eheliche Gemeinschaft mehr bestanden, so muss der Betroffene deshalb nicht das Gegenteil beweisen. Es genügt, wenn er einen Grund anführt, der es als plausibel erscheinen lässt, dass er bei der Erklärung, wonach er mit seiner Schweizer Ehepartnerin in einer stabilen ehelichen Gemeinschaft lebt, nicht gelogen hat. Bei diesem Grund kann es sich um ein ausserordentliches, nach der Einbürgerung eingetretenes Ereignis handeln, welches zum raschen Scheitern der Ehe führte, oder um das fehlende Bewusstsein des Gesuchstellers bezüglich bestehender Eheprobleme im Zeitpunkt der Einbürgerung (BGE 135 II 161 E. 2 S. 166 mit Hinweisen). 
 
3. 
3.1 Der angefochtene Entscheid geht von folgendem, unbestrittenem Sachverhalt aus: 
Der Beschwerdeführer reiste zweimal als Asylbewerber in die Schweiz ein und wurde, nach erfolglos verlaufenen Asylverfahren, 1991 und 1997 wieder ausgeschafft. 1997 reiste er mit einer spanischen Freundin wiederum in die Schweiz ein; ob er mit ihr rechtsgültig verheiratet war und welchen Aufenthaltsstatus er in der Schweiz hatte, ist nicht geklärt. 
1999 oder 2000 lernte der Beschwerdeführer Y.________ kennen. Die beiden heirateten am 24. November 2000. 
Am 24. November 2003 stellte der Beschwerdeführer ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung, welches am 10. Juni 2004 wegen nicht erfüllter gesetzlicher Erfordernisse (Steuerausstände, offene Betreibungen, eine ungelöschte Vorstrafe) als gegenstandslos abgeschrieben wurde. 
Am 18. Mai 2005 stellte der Beschwerdeführer ein zweites Gesuch um erleichterte Einbürgerung. 
Am 21. Januar 2006 unterzeichneten die Ehegatten gemeinsam die "Erklärung betreffend eheliche Gemeinschaft", worin beide bestätigten, in einer tatsächlichen, ungetrennten und stabilen ehelichen Gemeinschaft an derselben Adresse zusammenzuleben und keine Trennungs- oder Scheidungsabsichten zu hegen. 
Am 10. Februar 2006 wurde der Beschwerdeführer eingebürgert. Am 1. August 2006 hoben die Eheleute den gemeinsamen Haushalt auf. Am 13. April 2007 ermächtigte die Ehefrau ihren Anwalt zur Einleitung des Scheidungsverfahrens, welches am 16. Juni 2009 mit der Scheidung abgeschlossen wurde. 
 
3.2 Für das Bundesverwaltungsgericht (angefochtener Entscheid E. 7.2 S. 10 f.) begründet die Chronologie dieser Ereignisse - erleichterte Einbürgerung nach 5 ¼ Jahre Ehedauer, Trennung knapp 6 Monate später - die tatsächliche Vermutung, dass bereits im massgeblichen Zeitpunkt des Einbürgerungsverfahrens keine stabile, auf die Zukunft gerichtete eheliche Gemeinschaft mehr bestand und die Einbürgerung erschlichen wurde. Es kommt zudem zum Schluss, dass diese Vermutung durch die Vorbringen des Beschwerdeführers nicht erschüttert, sondern durch die Fakten - insbesondere die Angaben der Ehefrau, aber auch des Beschwerdeführers selber - zur Gewissheit verdichtet werde. 
Das Bundesverwaltungsgericht (angefochtener Entscheid E. 8 S. 11 ff.) hält für erstellt, dass zwischen den Eheleuten spätestens ab 2005 zunehmend starke Spannungen auftraten, vor allem wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die Familienplanung - die Ehefrau wollte erst nach ihrer Weiterbildung Kinder, nach deren Abschluss wollte der Beschwerdeführer keine mehr -, über finanzielle Fragen - der Beschwerdeführer arbeitete über längere Zeit hinweg bloss sporadisch als Hilfsarbeiter, seine Frau warf ihm eine mangelnde Arbeitseinstellung vor, er strenge sich zu wenig an, um Arbeit zu finden und seinen Teil an den Unterhalt der Familie beizutragen - sowie Differenzen bei Fragen des Zusammenlebens - die Eheleute lebten zunehmend aneinander vorbei, verbrachten während des Einbürgerungsverfahrens die Ferien getrennt, besuchten an Weihnachten 2005 nicht wie sonst gemeinsam Verwandte und feierten Silvester 2005/2006 getrennt. Gestützt auf die Darstellung der Ehefrau im Scheidungsverfahren und einem Schreiben vom 19. Mai 2010 ans BFM geht das Bundesverwaltungsgericht zudem davon aus, dass sie dem Beschwerdeführer "nach nervenaufreibenden Verhaltensweisen" im Februar 2006 eröffnete, sie wolle sich scheiden lassen, um ihm im März 2006 doch noch "eine letzte Chance" einzuräumen. 
 
3.3 Der Beschwerdeführer bringt vor, er und seine Ehefrau hätten 2005 zwar durchaus Meinungsverschiedenheiten gehabt, welche aber den Fortbestand der Ehe nicht in Frage gestellt hätten. Seine Ehefrau habe dies im Schreiben vom 19. Mai 2010 ans BFM deutlich zum Ausdruck gebracht: "Mein Ex-Mann war mit der Situation zufrieden, ich nicht. Ich habe fast alles versucht, weil ich meinen Ex-Mann liebte. Ich habe meinem Ex-Mann im März 2006 noch eine letzte Chance gegeben, die er nicht genutzt hat". Er sei aus allen Wolken gefallen, als ihn seine Ehefrau im Sommer 2006 verlassen habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe daher willkürlich angenommen, die Ehe sei bereits vor der gemeinsamen Abgabe der "Erklärung betreffend eheliche Gemeinschaft" zerrüttet bzw. zerstört gewesen. Wenn die Ehefrau dem Ehemann eine "letzte Chance" einräume, sein Verhalten zu ändern, um die Beziehung wieder ins Gleichgewicht zu bringen, so sei die Ehe in diesem Zeitpunkt nicht zerrüttet, sondern in einer überwindbaren Krise. Ihre Ehe sei jedenfalls im Januar 2006 noch intakt gewesen. Die Ehefrau habe zwar im Februar 2006 eine Scheidungsdrohung ausgestossen; auch dies sei kein Indiz dafür, dass die Ehe in diesem Zeitpunkt bereits zerrüttet gewesen sei. Eine Scheidungsdrohung könne man einsetzen, um den Partner zu einer Änderung von gewissen Verhaltensweisen zu bewegen, derartige Äusserungen dürfe man nicht auf die Goldwaage legen. Die Ehegatten hätten das BFM in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 21. Januar 2006 daher keineswegs getäuscht. 
 
3.4 Diese Einwände überzeugen nicht. Nach den grundsätzlich unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichts haben sich der Beschwerdeführer und seine Ehefrau zumindest seit Anfang 2005 zunehmend auseinandergelebt und entfremdet. Wenn die Ehefrau darlegt, sie habe aus Liebe fast alles versucht, um die Ehe zu retten, so lässt dies darauf schliessen, dass sie die ehelichen Schwierigkeiten thematisiert und ihren Mann auf die aus ihrer Sicht bestehenden Missstände aufmerksam gemacht hat. Da sie versuchte, ihre Ehe zu retten, kann davon ausgegangen werden, dass sie ihm erst dann die Scheidung androhte, als ihn ihre wiederholten Bemühungen unbeeindruckt liessen. Das zeigt auch ihre Formulierung, sie habe ihm im März 2006 "eine letzte Chance" eingeräumt; auch daraus ergibt sich, dass sie ihn in der Vergangenheit bereits wiederholt, aber ohne Erfolg, aufgefordert hatte, sein Verhalten zu ändern, um eine erfolgreiche Fortsetzung der Ehe zu ermöglichen. Es ist denn auch weder dargetan noch ersichtlich, dass nach dem 21. Januar 2006 ein gravierenden Ereignis - z.B. ein Ehebruch oder eine eskalierte Auseinandersetzung - eingetreten wäre, das die zuvor intakte Ehe zerstört haben könnte. Insgesamt ergibt sich somit, dass die Ehe des Beschwerdeführers und seiner Frau über das ganze Jahr 2005 zunehmend Auflösungserscheinungen zeigte und sich am 21. Januar 2006 jedenfalls in einer schweren, existenzbedrohenden Krise befand. Dies konnte auch dem Beschwerdeführer nicht entgangen sein, auch wenn er versucht haben sollte, die schwelenden Probleme zu verdrängen. Ihre gemeinsame Erklärung, in einer stabilen, auf die Zukunft gerichteten Ehe zusammenzuleben und keine Trennungs- oder Scheidungsabsichten zu hegen, entsprach somit nicht den Tatsachen und war irreführend, die entsprechende Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts ist vertretbar. Die Rüge, die Vorinstanz habe den Sachverhalt unzutreffend festgestellt und Art. 41 BüG falsch angewandt, ist unbegründet. 
 
4. 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Migration und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 3. April 2013 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi