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[AZA 0/2] 
5P.183/2001/min 
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G ******************************** 
 
 
Beschluss vom 3. August 2001 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung, 
Bundesrichter Meyer, Ersatzrichter Zünd und 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
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In Sachen 
 
1. A.________, 
2. B.________, gesetzlich vertreten durch die Mutter A.________, Beschwerdeführerinnen, beide vertreten durch Rechtsanwalt Jakob Ackermann, Jonerhof, Postfach 2050, 8645 Jona, 
 
gegen 
Obergericht (II. Kammer) des Kantons Luzern, 
betreffend 
 
Art. 9 BV (Kindesschutz, Zuständigkeit), 
wird festgestellt und in Erwägung gezogen: 
 
1.- a) Die Vormundschaftsbehörde X.________ hob am 1. Juli 1999 die elterliche Obhut von A.________ über die Tochter B.________ (geb. am 25. Juni 1993) auf und wies das Kind zu Pflege und Erziehung einer Pflegefamilie zu. Der Gemeinderat X.________ bestätigte unter anderem gestützt auf ein durch ihn veranlasstes Gutachten des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes des Kantons Luzern am 25. Oktober 2000 unter Neuregelung des Besuchsrechts die am 1. Juli 1999 beschlossenen Kindesschutzmassnahmen, insbesondere die angeordnete Aufhebung der elterlichen Obhut. 
Gegen diesen Entscheid erhob A.________ für sich und die Tochter beim Regierungsstatthalter des Amtes Y.________ Beschwerde und verlangte im Wesentlichen, dass das Kind wieder unter ihre Obhut gestellt werde. Mit Entscheid vom 22. März 2001 hiess der Regierungsstatthalter die Beschwerde teilweise gut und hob den gegenüber A.________ betreffend die Tochter B.________ verfügten Obhutsentzug per 31. Juli 2001 auf, verpflichtete A.________ allerdings, B.________ ab Beginn des Schuljahres 2001/2002 im Wocheninternat des Schul- und Wohnzentrums Z.________ unterzubringen; bis 31. Juli 2001 solle B.________ weiterhin bei der Pflegefamilie verbleiben. 
 
Gegen diesen Entscheid des Regierungsstatthalters erhob A.________ für sich und B.________ am 3. April 2001 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Luzern, wobei sie namentlich verlangte, dass ihr die Obhut umgehend wieder erteilt werde und von einer Verpflichtung zum Besuch des Wocheninternats abgesehen werde. 
 
Das Obergericht des Kantons Luzern überwies am 26. April 2001 die Akten zuständigkeitshalber dem kantonalen Verwaltungsgericht. 
Dieses fällte sein Urteil am 21. Juni 2001. Es führte darin aus, dass es sich bei der Verpflichtung zum Besuch des Wocheninternats um eine fürsorgerische Freiheitsentziehung handle, über welche nach kantonalem Recht nicht das Obergericht, sondern das Verwaltungsgericht entscheide. Hingegen falle die Beurteilung über die Wiedererteilung der elterlichen Obhut losgelöst von einer Anstaltseinweisung nicht in die verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit, weshalb auf den Antrag, die Obhut der Kindsmutter sofort, und nicht erst per 31. Juli 2001 wieder zu erteilen, nicht eingetreten werden könne (Urteil des Verwaltungsgerichts, E. 1b in fine). Im Weiteren führte das Verwaltungsgericht aus, die Einweisung in das Internat sei notwendig mit einem Obhutsentzug verbunden; es sei rechtlich nicht möglich, die Obhut der Kindsmutter wieder zu erteilen und zugleich eine Einweisung anzuordnen. Deshalb hob das Verwaltungsgericht den Entscheid des Regierungsstatthalters auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an diesen zurück. 
 
b) A.________ hatte schon mit Eingabe vom 25. Mai 2001 für sich und das Kind B.________ staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht wegen Rechtsverweigerung erhoben, die damit begründet wurde, dass für die Beurteilung der Frage des Obhutsentzugs das kantonale Obergericht zuständig sei. 
 
Unter Hinweis auf das inzwischen ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts verzichtete das Obergericht am 6. Juli 2001 auf Erstattung einer Vernehmlassung. Die kantonalen Akten gingen beim Bundesgericht am 18. Juli 2001 ein. 
 
2.- a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 88 OG muss die beschwerdeführende Person grundsätzlich ein aktuelles praktisches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids bzw. an der Überprüfung der von ihm erhobenen Rügen haben, damit auf die Beschwerde eingetreten werden kann (BGE 125 I 394 E. 4a S. 397; 116 Ia 359 E. 2a S. 363; 114 Ia 88 E. 5b S. 90). 
Fällt das Interesse im Verlaufe des Verfahrens dahin, erklärt das Gericht den Rechtsstreit als erledigt (BGE 123 II 285 E. 4 S. 286), wobei es mit summarischer Begründung über die Prozesskosten aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes entscheidet (Art. 72 BZP i.V.m. Art. 40 OG; BGE 123 II 285 E. 5 S. 288). 
 
b) Das Verwaltungsgericht hat sich für die Beurteilung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung ab 1. August 2001 und den damit verbundenen Obhutsentzug als zuständig erachtet (vgl. 
nicht amtlich publ. Urteil des Bundesgerichts vom 7. Mai 2001 [5C. 84/2001], E. 1a, betreffend die Unzulässigkeit getrennter Überprüfung beider Massnahmen [Art. 310 und 314a ZGB]). Es hat es aber abgelehnt, das Begehren um Wiedererteilung der Obhut, losgelöst vom Freiheitsentzug, d.h. für die Zeit bis 31. Juli 2001, mitzubeurteilen. Für den Zeitraum danach hat das Verwaltungsgericht das Rechtsmittel der Beschwerdeführerinnen gutgeheissen; die Sache ist diesbezüglich wieder beim Regierungsstatthalter Y.________ hängig. Am unbeurteilt gebliebenen Obhutsentzug bis 31. Juli 2001 vermöchte im heutigen Zeitpunkt eine Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde nichts mehr zu ändern. 
Das Obergericht käme nicht mehr in die Lage, die bei ihm eingereichte Beschwerde diesbezüglich noch rechtzeitig zu behandeln. 
Das aktuelle Interesse an der Beurteilung der staatsrechtlichen Beschwerde ist damit dahingefallen, weshalb diese wegen Wegfalls des Interesses als erledigt zu erklären ist. 
 
3.- Was die Kosten des Verfahrens betrifft, so ist bei summarischer Prüfung der Rechtslage anzunehmen, dass die staatsrechtliche Beschwerde wohl gutzuheissen gewesen wäre, denn es liegt eine Rechtsverweigerung vor (BGE 117 Ia 116 E. 3a S. 117), wenn sich keines der beiden höchsten kantonalen Gerichte für zuständig erachtet, das Begehren um Wiedererteilung der Obhut zu beurteilen, bzw. das Obergericht das Eintreten verweigert, obwohl es zuständig ist. 
 
Für das bundesgerichtliche Verfahren sind demnach keine Kosten zu erheben (Art. 156 Abs. 1 und 2 OG), und der Kanton Luzern ist zu verpflichten, die Beschwerdeführerinnen für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG). 
Für die Bemessung des Honorars ist dem eher geringen Arbeitsaufwand des Anwalts Rechnung zu tragen (Art. 6 Abs. 2 des Tarifs über die Entschädigungen an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem Bundesgericht, SR 173. 119.1). 
 
Demnach beschliesst das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 72 BZP i.V.m. Art. 40 OG
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird infolge Gegenstandslosigkeit abgeschrieben. 
 
2.- Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben. 
 
3.- Der Kanton Luzern wird verpflichtet, die Beschwerdeführerinnen für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 600.-- zu entschädigen. 
 
4.- Dieser Beschluss wird den Beschwerdeführerinnen und dem Obergericht (II. Kammer) des Kantons Luzern schriftlich mitgeteilt. 
_____________ 
Lausanne, 3. August 2001 
 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: