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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 3/05 
 
Urteil vom 3. August 2005 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiberin Hofer 
 
Parteien 
Staatssekretariat für Wirtschaft, Direktion, Arbeitsmarkt/Arbeitslosenversicherung, Effingerstrasse 31, 3003 Bern, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
K.________, Beschwerdegegner, 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 30. November 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1968 geborene K.________ war gemäss Arbeitsvertrag vom 25. Juni 2002 ab dem 1. Oktober 2002 bei der Firma S.________ AG als A.________ angestellt. Am 26. November 2002 wurde über die Firma der Konkurs eröffnet. Daraufhin stellte der Versicherte am 2. Dezember 2002 Antrag auf Insolvenzentschädigung. Die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich anerkannte zunächst den Leistungsanspruch für die Zeit vom 1. Oktober bis 12. November 2002 für Lohn und Anteil 13. Monatslohn im Betrag von Fr. 3'228.25. Nachdem die in der Folge getätigten Abklärungen ergeben hatten, dass der Versicherte in den Monaten Oktober und November 2002 an gewissen Tagen bei der Firma M.________ Arbeit auf Abruf geleistet hatte, brachte sie die entsprechende Entschädigung in Abzug. Zudem befristete sie die Insolvenzentschädigung gestützt auf eine Weisung des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), wonach Angestellte der Firma S.________ AG längstens bis 8. November 2002 anspruchsberechtigt seien. Den bereits ausgerichteten Mehrbetrag forderte die Kasse mit Verfügung vom 2. September 2003 zurück. Für die Zeit vom 9. bis 26. November 2002 verneinte sie den Leistungsanspruch. Die vom Versicherten dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Einspracheentscheid vom 13. Januar 2004 ab. 
B. 
Beschwerdeweise beantragte K.________ die Ausrichtung von Insolvenzentschädigung für die Zeit vom 1. Oktober bis 26. November 2002. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 30. November 2004 gut mit der Feststellung, dass der Versicherte für die Zeit bis 26. November 2002 Anspruch auf Insolvenzentschädigung hat. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das seco, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben, und der Anspruch auf Insolvenzentschädigung für die Zeit vom 9. bis 26. November 2002 sei zu verneinen. 
K.________ schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Arbeitslosenkasse beantragt deren Gutheissung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Arbeitslosenversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitllicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar (BGE 129 V 4 Erw. 2.1). 
2. 
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen über den Anspruch auf Insolvenzentschädigung (Art. 51 Abs. 1 lit. a AVIG) und deren zeitliche Bemessung (Art. 52 Abs. 1 AVIG in der vom 1. September 1999 bis 30. Juni 2003 gültig gewesenen Fassung) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
3. 
3.1 Das kantonale Gericht hat erwogen, aufgrund der Akten bestünden erhebliche Zweifel daran, dass die Firma S.________ AG das mit 7. November 2002 datierte Kündigungsschreiben am genannten Tag unterzeichnet und versandt habe. Zumindest lasse sich die erfolgte Zustellung nicht belegen. Aufgrund der Verteilung der Beweislast sei davon auszugehen, dass dieses dem Versicherten erst auf sein telefonisches Nachfragen hin im Dezember 2002 übermittelt worden sei mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis nicht als durch die Arbeitgeberin auf den 15. November 2002 aufgelöst zu betrachten sei. Dieser Punkt ist im vorliegenden Verfahren zu Recht nicht mehr streitig. 
3.2 Mangels Nachweises einer vor der Konkurseröffnung erfolgten Kündigung kam die Vorinstanz zum Schluss, dass der Versicherte bis 26. November 2002 Anspruch auf Lohnzahlung respektive Insolvenzentschädigung hat. Aufgrund des Rechtsbegehrens des seco ist die grundsätzliche Anspruchsberechtigung des Beschwerdegegners auf Insolvenzentschädigung nicht streitig, sondern lediglich deren Zusprechung für die Dauer vom 9. bis 26. November 2002, wobei insbesondere hinsichtlich des Zeitpunktes, ab welchem der Versicherte dem Arbeitsmarkt faktisch zur Verfügung stehen konnte, unterschiedliche Standpunkte vertreten werden. 
3.2.1 Das Beschwerde führende Bundesamt macht im Wesentlichen geltend, der Versicherte habe gegen die ihm obliegende Schadenminderungspflicht verstossen. Nach Ansicht des seco hätte dieser angesichts der chaotischen Verhältnisse im Betrieb den Arbeitsvertrag, den er nie habe erfüllen können, während der Probezeit kündigen und sich aktiv um eine andere Stelle bemühen müssen. Es frage sich daher, ob die Insolvenzentschädigung länger als die Kündigungsfrist von einer Woche, mithin über den 8. Oktober 2002 hinaus geschuldet sei. Abgesehen davon sei sowohl in der Arbeitgeberbescheinigung vom 18. November 2002 als auch in der Arbeitsbestätigung vom 12. November 2002 die Beendigung des Arbeitsverhältnisses per 15. November 2002 vermerkt. Da der Versicherte während der fraglichen Zeit faktisch nicht bei der Firma S.________ AG gearbeitet habe, habe er sich in einer ähnlichen Lage befunden wie ein freigestellter oder fristlos entlassener Arbeitnehmer, welcher nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts in der fraglichen Periode vermittlungsfähig ist und die Kontrollvorschriften befolgen kann. Auf keinen Fall könne die Insolvenzentschädigung jedoch über den 8. November 2002 hinaus entrichtet werden, da ab diesem Zeitpunkt definitiv keine Arbeitsleistungen mehr für die Firma S.________ AG erfolgt seien. 
3.2.2 Der Beschwerdegegner macht geltend, während seiner von Januar bis November 2001 dauernden Tätigkeit bei der Firma X.________ sei er an einzelnen dienstfreien Tagen auf Abruf bei der Firma M.________ tätig gewesen. Dies habe er auch während der Anstellung bei der Firma S.________ AG so handhaben wollen. Im Sommer 2002 und bis zur Konkurseröffnung habe er auf eine gute Wende in der Geschichte dieser Gesellschaft hoffen und darauf vertrauen können, dass die Firma einen Ausweg aus der kritischen Finanzlage finden werde. Solange diesbezüglich keine zuverlässigen Informationen vorgelegen hätten, habe für ihn keine Veranlassung bestanden, den Arbeitsvertrag zu kündigen, zumal er angesichts der unübersichtlichen Situation nicht habe beurteilen können, welche Nachteile ihm daraus erwachsen würden. Im November 2002 habe er sich zudem ans Arbeitsgericht gewandt. 
4. 
4.1 Im Urteil N. vom 15. April 2005 (C 214/04), einen Linienpiloten der Firma S.________ AG betreffend, welchem mit Schreiben vom 26. September 2002 auf den 31. Dezember 2002 gekündigt worden war, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht erwogen, der Arbeitnehmer könne zwar gemäss Art. 337a OR das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig werde, sofern ihm für seine Forderung aus dem Arbeitsverhältnis nicht innert angemessener Frist Sicherheit geleistet werde. Er sei dazu indessen nicht verpflichtet, und es existiere im Arbeitslosenversicherungsgesetz auch keine Sanktion für eine nicht bestehende Pflicht. Dem Arbeitnehmer stehe mit der obigen Bestimmung die Möglichkeit offen zu verhindern, dass er dem Arbeitgeber auf unbestimmte Zeit Kredit gewährt und das Risiko trägt, die Gegenleistung nicht zu erhalten. Es könne von ihm jedoch nicht unter dem Titel der Schadenminderungspflicht (BGE 129 V 463 Erw. 4.2, 123 V 233 Erw. 3c mit Hinweisen) verlangt werden, diesen Schritt zu machen. Ob der Schaden der Arbeitslosenversicherung damit überhaupt gemindert würde, sei fraglich. Zwar sei die Arbeitslosenentschädigung (Taggelder gemäss Art. 22 AVIG) tiefer als die Insolvenzentschädigung, doch entstünden der Verwaltung aus der Vermittlungstätigkeit ebenfalls Kosten. Könnten Lohnansprüche während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht erhältlich gemacht werden, bedeute dies zudem noch nicht, dass dies auch im Konkursverfahren der Fall sein werde. Weder Arbeitslosenversicherung noch Arbeitnehmer vermöchten in der Regel die wirtschaftliche Lage und die Sanierungsmöglichkeiten einer sich in finanziellen Schwierigkeiten befindenden Gesellschaft zuverlässig zu beurteilen, zumal wenn die Arbeitgeberin mit dem Hinweis auf Redimensionierungsbemühungen die Lage als weniger dramatisch erscheinen lasse, als sie in Wirklichkeit sei. Es sei für einen Versicherten in einer solchen Situation daher äusserst schwierig zu beurteilen, ab wann er sich der Arbeitslosenversicherung zur Verfügung zu stellen habe, ohne selber Nachteile zu gewärtigen (vgl. auch Urteile H. [C 217/04], S. [C 215/04] und S. [C 218/04] vom 15. April 2005). 
4.2 Dies hat auch mit Bezug auf den Beschwerdegegner zu gelten. Das vom seco angeführte Präjudiz (C 167/99), wonach Ansprüche des Arbeitnehmers wegen vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht durch die Insolvenzentschädigung gedeckt werden, ist nicht einschlägig, da in jenem Fall das Arbeitsverhältnis nicht mehr bestand und die Vermittlungsfähigkeit zu bejahen war. Aufgrund der fristlos erfolgten Entlassung lag es auf der Hand, dass die versicherte Person ab jenem Zeitpunkt der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt hätte zur Verfügung stehen und nicht Insolvenzentschädigung, sondern Arbeitslosenentschädigung hätte beziehen können. Im vorliegenden Fall konnte keine vor der Konkurseröffnung ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses, geschweige denn eine Freistellung des Arbeitnehmers nach erfolgter Kündigung oder eine fristlose Entlassung nachgewiesen werden. Dass der Versicherte von der Firma S.________ AG überhaupt nie eine Lohnzahlung erhalten hat, vermag nichts zu ändern. 
4.3 Um zu verhindern, dass der Arbeitnehmer beliebig lange ohne Lohn beim bisherigen Arbeitgeber bleibt, - so das Eidgenössische Versicherungsgericht im oben erwähnten Urteil N. weiter - habe der Gesetzgeber in Art. 52 Abs. 1 AVIG eine zeitliche Limite für die Bezugsdauer der Insolvenzentschädigung gesetzt. Spätestens nach vier Monaten ohne Lohn sei es dem Arbeitnehmer demnach aus arbeitslosenversicherungsrechtlicher Sicht nicht mehr zumutbar, beim insolventen Arbeitgeber zu verbleiben. Dem Schutzzweck der Insolvenzentschädigung entsprechend sollten nicht Unternehmensrisiken abgedeckt, sondern soziale Härten der Arbeitnehmer vermieden werden (Urs Burgherr, Die Insolvenzentschädigung, Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers als versichertes Risiko, Diss. Zürich 2004, S. 120). 
4.4 Dauert der Annahmeverzug an, und kann der Arbeitnehmer in guten Treuen nicht mehr mit einer Arbeitszuweisung rechnen, kann man sich fragen, ob das Geltendmachen von Insolvenzentschädigung ab jenem Zeitpunkt als rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB zu betrachten ist (vgl. Urs Burgherr, a.a.o., S. 94). In BGE 111 V 271 Erw. 3 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht einen knappen Monat nicht als rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Anspruchs auf Insolvenzentschädigung betrachtet. In SVR 1996 ALV Nr. 59 S. 181 lag zwischen der konkursamtlichen Siegelung des Betriebes und der Nachlassstundung ebenfalls weniger als ein Monat. Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht im erwähnten Urteil N. vom 15. April 2005 ausgeführt hat, ist mit Bezug auf die Angestellten der Firma S.________ AG jener Zeitpunkt ausschlaggebend, als alle oder die meisten Arbeitnehmer im Besitze des Kündigungsschreibens waren und daraus geschlossen werden konnte, dass die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin hoffnungslos war. Davon ging auch das seco aus. Spätestens Ende Oktober sei allen Mitarbeitenden klar gewesen, dass sie nicht mehr für die Firma S.________ AG würden arbeiten können. Im vorliegenden Fall war der Oktoberlohn ausstehend, und die Konkurseröffnung fand am 26. November 2002 statt, weshalb auch hier nicht von einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung der Insolvenzentschädigung auszugehen ist. Der Umstand, dass sich der Beschwerdegegner noch in der Probezeit befand, rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise. 
5. 
Die Vorinstanz hat in Erwägung 3.1 ausgeführt, zu prüfen sei der Anspruch auf Insolvenzentschädigung für die Zeit vom 9. bis zum 26. November 2002. Dispositivmässig hat sie den angefochtenen Einspracheentscheid in Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit der Feststellung aufgehoben, dass der Versicherte für die Zeit bis 26. November 2002 Anspruch auf Insolvenzentschädigung habe. Nachdem der Beginn des Arbeitsverhältnisses auf den 1. Oktober 2002 festgelegt worden war und der Beschwerdegegner überhaupt keinen Lohn erhalten hat, hat er rückwärts gerechnet für die ganze Dauer des Lohnausstandes bis zum 26. November 2002 Anspruch auf Insolvenzentschädigung. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich und dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, zugestellt. 
Luzern, 3. August 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: