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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_503/2012 
 
Urteil vom 3. August 2012 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
I.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Biedermann, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 15. Mai 2012. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
I.________, geboren 1961, war am 29. Januar 1996 bei ihrer Tätigkeit als Produktionsmitarbeiterin bei der T.________ AG gestürzt und klagte seither über anhaltende Beschwerden am ganzen Körper. Gestützt auf ein Gutachten des Instituts X.________ vom 28. Mai 2001, wonach sie wegen eines schweren depressiven Zustandsbildes gänzlich arbeitsunfähig sei, hatte ihr die IV-Stelle Bern am 21. November 2001 eine ganze Invalidenrente zugesprochen. Im Zuge eines von Amtes wegen eingeleiteten Revisionsverfahrens holte sie erneut ein Gutachten des Instituts X.________ (vom 11. April 2011) ein und stellte die Invalidenrente in der Folge mit Verfügung vom 13. September 2011 ein. 
 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 15. Mai 2012 ab. 
 
C. 
I.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihr eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. 
 
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f., 134 V 250 E. 1.2 S. 252, je mit Hinweisen). Unter Berücksichtigung der Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es indessen nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind, und ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 134 I 313 E. 2 S. 315, 65 E. 1.3 S. 67 f., je mit Hinweisen). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 135 V 194 E. 3 S. 196 ff.). Neue Begehren sind unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG). 
 
2. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zu den Begriffen der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und der Invalidität (Art. 8 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 IVG), zur Ermittlung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG), zur Rentenrevision (Art. 17 ATSG; BGE 133 V 108; 130 V 343; 130 V 71 E. 3.2.3 S. 75 f.) sowie zur Aufgabe des Arztes im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 132 V 93 E. 4 S. 99; 125 V 256 E. 4 S. 261 f.; vgl. auch AHI 2002 S. 62, I 82/01 E. 4b/cc) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass eine rentenerhebliche Verbesserung des Gesundheitszustandes gestützt auf das Gutachten des Instituts X.________ vom 11. April 2011 nicht ausgewiesen sei. 
 
4. 
Was zunächst die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit in somatischer Hinsicht betrifft, lässt sich anhand der Vorbringen der Beschwerdeführerin eine offensichtliche Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Feststellungen nicht begründen. So ist es für die Beschwerdeführerin unverständlich, weshalb sie heute (insgesamt) zu 80% arbeitsfähig sein soll, obwohl sich ihr körperlicher Zustand nicht verbessert habe. Indessen hatten die Gutachter des Instituts X.________ aus somatischer Sicht schon bei der ursprünglichen Rentenzusprechung eine Arbeitsfähigkeit von mindestens 70% bescheinigt; damals stand jedoch das schwere psychiatrische Zustandsbild im Vordergrund. Gemäss dem neuen Gutachten war die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben im Alltag deutlich aktiver und es konnte auch aufgrund der erhobenen Befunde keine zeitliche oder leistungsmässige Einschränkung mehr attestiert werden. Dass die Gutachter dementsprechend eine deutliche Verbesserung angenommen haben, ist nicht zu beanstanden. Der behandelnde Arzt Dr. med. Z.________, Orthopädische Chirurgie FMH, auf welchen sich die Beschwerdeführerin beruft, äusserte sich in seiner Stellungnahme vom 10. März 2012 nicht zur Arbeitsfähigkeit, weshalb diese keine konkreten Indizien gegen die Zuverlässigkeit des versicherungsexternen Gutachtens zu begründen vermag (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 469 f.). Dies gilt aus dem gleichen Grund auch hinsichtlich der Rüge, dass die Beschwerdeführerin im Institut X.________ nicht durch einen Orthopäden begutachtet worden sei. 
 
5. 
Was das psychische Leiden betrifft, ist nach Auffassung der Versicherten ebenfalls nicht nachvollziehbar, weshalb eine Rentenaufhebung gerechtfertigt sei. Es liege heute weiterhin das gleiche Beschwerdebild vor, welches gemäss gutachtlicher Einschätzung damals zu einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit geführt habe, im neuen Gutachten jedoch anders diagnostiziert werde. Diesem Einwand kann ebenfalls nicht gefolgt werden. 
 
Entscheidwesentlich ist, dass bei der ursprünglichen Rentenzusprechung unter Diagnostizierung einer chronifizierten depressiven Episode von mittelgradiger Schwere (ICD 10 F32.1) und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD 10 F45.4) sämtliche Gutachter von einem schweren depressiven Zustandsbild mit vollständiger Arbeitsunfähigkeit ausgingen. Es wurde beschrieben, dass die Versicherte mit der kurzzeitigen Belastung, die sie durch den objektiv nicht als schwer zu taxierenden Unfall erlitten habe, nicht habe umgehen können und sich rasch eine Fehlverarbeitung eingestellt habe. Ihre Ressourcen seien erschöpft und sie könne sich mit eigenem Willen nicht von den Symptomen befreien. Auch bestehe eine erhebliche Beeinträchtigung der allgemeinen sozialen und privaten Funktionsbereiche, indem sie nur noch marginal funktioniere. Damals wurde der Haushalt der Versicherten, welche vormals mit vollem Pensum bei der T.________ AG tätig gewesen war, zweimal pro Woche im Reinigungsdienst gearbeitet und zudem drei Kinder (geboren 1983, 1986 und 1995) zu versorgen hatte, vorwiegend von der ältesten Tochter erledigt. Die Versicherte selber gab an, gar nichts mehr zu tun, nicht mehr zu kochen und selbst kleine Verrichtungen nicht mehr ausführen zu können; sie sei nur noch mit sich und ihren Problemen beschäftigt. Nach den Schilderungen des begutachtenden Psychiaters litt sie unter einem Interessenverlust in allen Lebensbereichen. Die Versicherte fühlte sich dauernd unwohl, war unruhig, gereizt und aggressiv, ertrug ihre Familie nur schlecht, fand an nichts mehr Freude und zog sich vollkommen zurück. 
 
Gemäss dem aktuellen Gutachten hingegen gab die Versicherte zwar an, sich zu langweilen und dass sie im Haushalt auf die Hilfe von Ehemann und Kindern angewiesen sei bei der Wäsche, beim Bügeln, beim Staubsaugen und beim Einkaufen. Sie koche jedoch selber, vor allem das Mittagessen, erledige kleine Einkäufe und leichtere Hausarbeiten, gehe spazieren, schwimmen und in die Sauna. Seit dem Jahr 2000 war sie nicht mehr in psychotherapeutischer Behandlung gewesen und sie erhielt auch keine Psychopharmaka mehr. 
 
Die Annahme der Gutachter des Instituts X.________, dass sich im Verlauf der letzten zehn Jahre seit ihrer ersten Untersuchung eine erhebliche Verbesserung des psychischen Gesundheitszustandes eingestellt habe, ist unter diesen Umständen nicht zu beanstanden. Sie gingen nunmehr von einer leichten depressiven Episode (ICD 10 F32.0) sowie einer undifferenzierten Somatisierungsstörung (ICD 10 F45.1) aus, welche eine mehr als 20%ige Arbeitsunfähigkeit (bei ganztägigem Pensum) nicht zu begründen vermöge. 
 
Dass sich die Beschwerdeführerin erst nach der rentenaufhebenden Verfügung der IV-Stelle in psychiatrische Behandlung begeben hat und im Frühjahr 2012 eine mittelschwere depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung und Chronifizierung diagnostiziert wurde (ICD 10 F33.1 und F34.8), lässt mit Blick auf den Zeitpunkt des Verfügungserlasses am 13. September 2011, welcher für die richterliche Überprüfungsbefugnis massgebend ist (BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S. 220; 129 V 167 E. 1 S. 169), und anhand der auszugsweise dargelegten eingehenden gutachtlichen Erörterungen keine andere Beurteilung zu, zumal auch der Psychiater Dr. med. H.________ sich zur Arbeitsfähigkeit nicht äussert, sondern ausdrücklich darauf hinweist, dass diese in der Regel im Rahmen eines multidisziplinären Gutachtens zu bestimmen sei (Bericht vom 24. April 2012). 
 
6. 
Damit ist mit dem kantonalen Gericht gestützt auf das Gutachten des Instituts X.________ vom 11. April 2011 von einer zumutbaren Arbeitsfähigkeit von 80% auszugehen. Gemäss gutachtlicher Einschätzung kann die Versicherte ein Ganztagespensum ausüben, wobei die Leistungsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht bei erhöhtem Pausenbedarf um 20% reduziert ist. 
 
7. 
Hinsichtlich der erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens hat das kantonale Gericht erwogen, dass die Beschwerdeführerin als Gesunde insgesamt mit ihrer Tätigkeit bei der T.________ AG sowie mit der Nebentätigkeit als Reinigungskraft Fr. 58'802.50 verdienen würde und sich das gestützt auf die Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) ermittelte Invalideneinkommen entsprechend einer Arbeitsfähigkeit von 80% auf Fr. 42'182.40 belaufen würde. Es resultierte daraus ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 28%. 
 
Beschwerdeweise wird einzig geltend gemacht, dass kein leidensbedingter Abzug gewährt worden sei, wobei auf die vormalige schwere Arbeit und die nunmehr nur noch zumutbare Teilzeittätigkeit hingewiesen wird. Indessen rechtfertigt der Umstand, dass eine grundsätzlich vollzeitlich arbeitsfähige versicherte Person krankheitsbedingt lediglich reduziert leistungsfähig ist, keinen über die Berücksichtigung der eingeschränkten Leistungsfähigkeit und damit des Rendements hinaus gehenden Abzug (Urteil 8C_20/2012 vom 4. April 2012 E. 3.2 u. 3.3). Bei teilzeitlich beschäftigten Frauen ist unter dem Titel Beschäftigungsgrad ebenfalls kein leidens- oder behinderungsbedingter Abzug vom auf tabellarischer Grundlage ermittelten Invalideneinkommen vorzunehmen, weil sie anders als Männer bei praktisch allen nach Beschäftigungsgrad und Anforderungsniveau differenzierten Konstellationen höhere Lohnansätze als vollzeitlich angestellte erreichen (SVR 2012 IV Nr. 17 S. 78, 8C_379/2011 E. 4.2.2 u. 4.2.3). Dass die Beschwerdeführerin als Gesunde körperliche Schwerarbeit verrichtet habe (BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481; 126 V 75 E. 5 S. 78 ff.), findet in den Akten keine Bestätigung. Sie war mit der Reinigung von Glasplatten beschäftigt. Auch wenn diese in der Regel 7kg wogen, zudem zu zweit mit Arbeitskollegen etwa 40mal pro Woche auch 50kg schwere Glasplatten gehoben werden mussten, kann die Tätigkeit nicht als körperliche Schwerarbeit qualifiziert werden, welche einen entsprechenden Abzug vom Tabellenlohn rechtfertigen würde. Dass die Vorinstanz die geltend gemachten Gründe nicht berücksichtigt hat, ist daher nicht zu beanstanden. Auch andere invaliditätsfremde Gründe fielen nach den Erwägungen des kantonalen Gerichts nicht in Betracht. 
 
Im Übrigen wird der vorinstanzliche Einkommensvergleich nicht beanstandet und gibt keinen Anlass zu Weiterungen. 
 
8. 
Die Beschwerde kann ohne Durchführung des Schriftenwechsels (Art. 102 Abs. 1 BGG) erledigt werden. 
 
9. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 3. August 2012 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Ursprung 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo