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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_265/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 3. Dezember 2015  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt Gossau,  
Sonnenstrasse 4a, 9201 Gossau SG, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Monika Brenner, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Verwahrung (Art. 64 Abs. 1 lit. a StGB), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 8. Mai 2013/5. Januar 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Gemäss Anklage erschoss X.________ am Freitag, 25. März 2011, kurz vor 11:00 Uhr A.________ vor dem ehemaligen B.________-Gebäude auf dem Areal der C.________-Strasse in D.________ mit einer Ladung Postenschrot. 
 
B.  
Das Kreisgericht See-Gaster verurteilte X.________ am 7. Juni 2012 wegen vorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 17 Jahren (unter Anrechnung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft von 440 Tagen) und ordnete eine ambulante vollzugsbegleitende Massnahme an. 
Gegen dieses Urteil erklärten sowohl X.________ als auch die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen Berufung. Anlässlich der Berufungsverhandlung vom 8. Mai 2013 wurden X.________ befragt und die Parteivorträge angehört. Das Kantonsgericht St. Gallen beschloss, X.________ ein weiteres Mal psychiatrisch begutachten zu lassen. 
Das Gutachten von Prof. Dr. med. E.________ und Dr. med. F.________ datiert vom 9. Juli 2014 und ging am 10. Juli 2014 beim Kantonsgericht ein. 
Nachdem die Parteien zum Gutachten Stellung genommen hatten, fand am 5. Januar 2015 die Urteilsberatung ohne weitere mündliche Verhandlung statt. Das Kantonsgericht hob das Urteil des Kreisgerichts auf (Dispositivziffer 1) und sprach X.________ des Mordes schuldig (Dispositivziffer 2). Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 18 Jahren unter Anrechnung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft von insgesamt 1'382 Tagen (Dispositivziffer 3). Von der Anordnung einer Massnahme beziehungsweise einer Verwahrung sah es ab. Es auferlegte X.________ die Kosten des Untersuchungs- und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens (Dispositivziffer 7). Die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegte es ihm im Umfang von fünf Sechsteln. Einen Sechstel dieser Kosten nahm es auf den Staat (Dispositivziffer 8). 
 
C.  
Sowohl X.________ (Verfahren 6B_300/2015) als auch die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Verfahren 6B_265/2015) wenden sich mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. 
Die Staatsanwaltschaft beantragt, es sei die Strafsache zur Anordnung der Verwahrung von X.________ an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dispositivziffer 8 des Entscheids sei aufzuheben, soweit die Kosten dem Staat auferlegt worden seien. 
 
D.  
Das Kantonsgericht St. Gallen schliesst in seiner Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde. X.________ beantragt, auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Legitimation zur Beschwerde in Strafsachen richtet sich nach Art. 81 BGG. Der Staatsanwaltschaft steht das Beschwerderecht in Strafsachen grundsätzlich ohne Einschränkungen zu (BGE 134 IV 36 E. 1.4; Urteil 6B_950/2013 vom 10. Dezember 2013 E. 3.1). Im Kanton St. Gallen besteht weder eine für den ganzen Kanton zuständige Oberstaatsanwaltschaft noch eine vergleichbare Behörde (vgl. Urteil 6B_949/2013 vom 3. Februar 2014 E. 2.2 mit Hinweis; Art. 9-11 des Einführungsgesetzes des Kantons St. Gallen vom 3. August 2010 zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung; THOMAS HANSJAKOB, in: Organisation der kantonalen und eidgenössischen Strafbehörden, Arn/Saurer/Kuhn [Hrsg.], 2011, S. 424 N. 22, wonach der Erste Staatsanwalt die Staatsanwaltschaft bloss gegen aussen leitet und der Konferenz der Leitenden Staatsanwälte und des Leitenden Jugendanwalts vorsteht, diesen gegenüber aber über kein Weisungsrecht verfügt). Der Leitende Staatsanwalt des Untersuchungsamts Gossau ist befugt, Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht zu erheben (vgl. Urteil 6B_909/2013 vom 12. Februar 2014 E. 2). 
 
2.  
Nicht einzutreten ist auf den Antrag der Beschwerdeführerin zum Kostenpunkt. Sie begründet ihren Antrag mit keinem Wort und befasst sich diesbezüglich auch nicht mit den Erwägungen im angefochtenen Entscheid (S. 31). 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz prüft im angefochtenen Entscheid, ob eine vollzugsbegleitende ambulante Massnahme, eine stationäre therapeutische Behandlung oder eine Verwahrung über den Beschwerdegegner anzuordnen ist (Entscheid, S. 24 ff.). Sie stützt sich auf das psychiatrische Gutachten von "Prof. Dr. med. E.________ und Dr. med. F.________" vom 9. Juli 2014, welches sie als rechtsgenügende Entscheidgrundlage im Sinne von Art. 56 Abs. 3 StGB qualifiziert (Entscheid, S. 24). Gestützt auf das Gutachten schliesst die Vorinstanz sowohl therapeutische Massnahmen nach Art. 63 und Art. 59 StGB als auch eine Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1 lit. a oder b StGB aus.  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin rügt eine willkürliche Würdigung des psychiatrischen Gutachtens vom 9. Juli 2014 durch die Vorinstanz. Die Feststellung im angefochtenen Entscheid (S. 24), im Gutachten seien keine inhaltlichen Widersprüche auszumachen, sei aktenwidrig und willkürlich. Überdies erachtet die Beschwerdeführerin den Verzicht auf eine Verwahrung nach Art. 64 Abs. 1 lit. a StGB im vorliegenden Fall als bundesrechtswidrig (Beschwerde, S. 6 ff.).  
 
3.3. Der Beschwerdegegner macht vor Bundesgericht wie zumindest ansatzweise bereits im Verfahren vor Vorinstanz geltend, das Gutachten vom 9. Juli 2014 sei nicht verwertbar. Der ernannte Sachverständige Prof. Dr. med. E.________ habe die Begutachtung nicht persönlich vorgenommen, sondern grossmehrheitlich durch eine andere Person, eine "Assistentin", durchführen lassen. Eine derartige Delegation bzw. eine solche Team- oder Kollektivbegutachtung sei mit dem konkreten Gutachterauftrag nicht zu vereinbaren. Dieser enthalte keine Ermächtigung zum Beizug einer weiteren begutachtenden Person oder Hilfsperson. Die Vorinstanz hätte eine derartige Prozessrechtsverletzung von Amtes wegen feststellen müssen (Stellungnahme zur Beschwerde, act. 11, S. 4 ff. mit Hinweis auf kantonale Akten, act. B/65).  
 
4.  
 
4.1.  
 
4.1.1. Gutachten sind im Massnahmenrecht nach Art. 56 ff. StGB unabdingbar. Sie werden vom Gesetzgeber und auch vom Bundesgericht in konstanter Praxis als zwingende Entscheidgrundlage bezeichnet, sofern die Indikation einer Massnahme, sei diese therapeutisch oder sichernd, zu beurteilen ist. Art. 56 Abs. 3 StGB schreibt vor, dass sich das Gericht beim Entscheid über die Anordnung einer Massnahme nach den Artikeln 59-61, 63 und 64 StGB sowie bei der Änderung der Sanktion nach Artikel 65 StGB auf eine sachverständige Begutachtung stützt (BGE 134 IV 246 E. 4, 315 E. 4.3.1). An die Person des Sachverständigen und den Inhalt des Gutachtens werden dabei hohe Anforderungen gestellt. Die in der StPO diesbezüglich enthaltenen Grundsätze gemäss Art. 182 ff. StPO gelangen vorbehaltlos zur Anwendung (vgl. MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Band I, 3. Aufl. 2013, N. 38 zu Art. 56 StGB).  
 
4.1.2. Bei der Auftragserteilung stehen die Person des Sachverständigen und das damit verbundene Vertrauen in deren Fachkompetenz und Unabhängigkeit im Vordergrund. Wird ein bestimmter Sachverständiger - im Einvernehmen mit den Parteien - bestellt und mit der Begutachtung betraut, hat er den Auftrag grundsätzlich persönlich auszuführen (NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 1 zu Art. 183 sowie N. 4 zu Art. 187 StPO; ANDREAS DONATSCH, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 185 StPO; MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 9 zu Art. 183 StPO). Eine Delegation seiner Aufgabe und seiner Verantwortung an Dritte ist nicht zulässig (Delegationsverbot). Hingegen ist der bestellte Sachverständige nicht verpflichtet, sämtliche für die Begutachtung notwendigen Tätigkeiten selber vorzunehmen. Er kann für untergeordnete Arbeiten Hilfspersonen heranziehen (HERR, a.a.O., N. 8 und 10 zu Art. 183 StPO). Der Sachverständige kann darüber hinaus für die Ausarbeitung des Gutachtens weitere Personen unter seiner Verantwortung einsetzen (Art. 184 Abs. 2 lit. b StPO; DONATSCH, a.a.O., N. 2 und 3 zu Art. 185 StPO; SCHMID, a.a.O., N. 6 zu Art. 183 StPO). Zu denken ist etwa an den Einsatz eines/einer qualifizierten Mitarbeiters/Mitarbeiterin zur selbständigen Bearbeitung gewisser Teilaspekte des Gutachtens (SCHMID, a.a.O., N. 7 zu Art. 183 StPO). Eine solche Weitergabe der gutachterlichen (Kern-) Aufgaben steht allerdings einerseits unter dem Vorbehalt der Ermächtigung durch die auftraggebende Strafbehörde und ist andererseits im Gutachten transparent zu machen. Funktion sowie Art und Inhalt der Mitwirkung der eingesetzten Personen sind offenzulegen (Art. 187 Abs. 1 StPO; HEER, a.a.O., N. 9 zu Art. 187 sowie N. 11 zu Art. 183 StPO; Schmid, a.a.O., N. 6 zu Art. 184 StPO). An der Pflicht zur persönlichen Erstattung des Gutachtens durch den bestellten Sachverständigen und dessen uneingeschränkten Gesamtverantwortung für den Inhalt des Gutachtens ändert dies allerdings nichts (siehe zum Ganzen auch Urteil 6B_884/2014 vom 8. April 2015 E. 3.3).  
 
4.1.3. Inhaltlich hat sich ein Gutachten nach Art. 56 Abs. 3 StGB über alle entscheidrelevanten Fragen aus fachärztlicher Sicht schlüssig und klar auszusprechen. Es muss insbesondere zur Notwendigkeit und zu den Erfolgsaussichten einer Behandlung des Täters, Art und Wahrscheinlichkeit weiterer möglicher Straftaten und zu den Möglichkeiten des Vollzugs der Massnahme Stellung nehmen (so schon BGE 127 IV 1 E. 2a; Urteil des Bundesgerichts 6S.258/2005 vom 24. September 2005 E. 2.3; siehe insbesondere auch HEER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Band I, 3. Aufl. 2013, N. 50 zu Art. 56 StGB).  
 
4.2. Wie alle Beweismittel sind auch Gutachten grundsätzlich frei zu würdigen. In Fachfragen darf das Gericht allerdings nicht ohne triftige Gründe von ihnen abweichen und muss es Abweichungen begründen. Das Abstellen auf ein nicht schlüssiges Gutachten kann Art. 9 BV verletzen, wenn gewichtige, zuverlässig begründete Tatsachen oder Indizien die Überzeugungskraft des Gutachtens ernstlich erschüttern (BGE 138 III 193 E. 4.3.1; 129 I 49 E. 4; 118 Ia 144 E. 1c; 101 IV 129 E. 3a).  
 
5.  
 
5.1. Die Vorinstanz stützt ihren Entscheid, von einer Massnahme, insbesondere einer Verwahrung, abzusehen, auf das psychiatrische Gutachten von "Prof. Dr. med. E.________ und Dr. med. F.________ " vom 9. Juli 2014 (kantonale Akten, act. B/72, Gutachten). Sie spricht dabei im angefochtenen Entscheid mehrfach von "den Sachverständigen".  
 
5.2. Im fraglichen Gutachten wird darauf hingewiesen, zur bisherigen Lebensgeschichte des Beschwerdegegners lägen nur rudimentäre Informationen vor. Dessen Persönlichkeit und typische Verhaltensweisen hätten im Gespräch herausgearbeitet werden müssen. Dabei sei primär klar geworden, dass sich dieser nicht in die Karten blicken lassen wolle. Seine selektiv präsentierten Angaben, die zahlreiche Widersprüche enthielten und deren Wahrheitsgehalt fraglich sei, hätten trotz entsprechender Bemühungen nicht objektiviert werden können. Überprüfbare Quellen fehlten fast ausnahmslos. Der Interaktionsstil des Beschwerdegegners sei Ausdruck eines zentralen Persönlichkeitsmerkmals. Es gehe dem Beschwerdegegner namentlich darum, möglichst keine Spuren zu hinterlassen, permanent einen möglichst grossen Spielraum aufrecht zu erhalten und (grossartige) Selbstdarstellungen sowie Interpretationen von - angeblichen - Geschehnissen so zu präsentieren, dass sie weder überprüft noch widerlegt werden könnten. In seinen Angaben falle weiter auf, dass er Regeln und Gesetzen wenig Bedeutung beimesse, sich im Vergleich zu andern Menschen für aussergewöhnlich halte, in der Regel freundlich und kompetent auftrete, jedoch gegenüber vielen Personen abwertende Gedanken habe und Wut verspüre (Gutachten, S. 104 ff.).  
 
5.3. Im Wesentlichen vor diesem Hintergrund kommt das Gutachten aufgrund der aktuell vorhandenen Informationen zum Schluss, dass beim Beschwerdegegner eine als dissozial und narzisstisch zu bezeichnende Persönlichkeitsakzentuierung vorliege, die Diagnose einer psychiatrischen Erkrankung im engeren Sinn aber nicht gestellt werden könne. Das Gutachten führt aus, die Persönlichkeitseigenheiten des Beschwerdegegners könnten zwar grundsätzlich Ausdruck einer Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 sein (Gutachten, S. 110). Es hält in der Folge jedoch fest, dass die diesbezüglichen Eingangskriterien trotz der festgestellten auffälligen Persönlichkeitseigenheiten nicht erfüllt "erscheinen", und weist in diesem Zusammenhang namentlich darauf hin, dass insbesondere eine jahrelange erfolgreiche Arbeitstätigkeit mit einer Persönlichkeitsstörung nicht vereinbar sei. Daneben seien beim Beschwerdegegner auch eine deutliche Unausgeglichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in mehreren Funktionsbereichen nicht erkennbar (Gutachten, S. 110 f.).  
 
5.4. Die Risikoeinschätzung wird im Gutachten anhand von Prognoseinstrumenten, insbesondere FOTRES, im Rahmen einer Einzelfallbeurteilung vorgenommen. Das Risiko für ein weiteres Tötungsdelikt sei "moderat bis deutlich". In speziellen Lebenssituationen seien durchaus Gewalt- bis hin zu Tötungsdelikten möglich. Rückfallfreiheit sei aber ebenfalls möglich, weil auch situative Faktoren eine Rolle spielten. Der Beschwerdegegner hätte das Delikt vermutlich nicht begangen, wenn er sich nicht in einer verzweifelten persönlichen Situation befunden oder er die Möglichkeit gehabt hätte, der provokativ erlebten Konfrontation mit dem Opfer auszuweichen. Die situativen Konstellationen bestünden in einem massiven Kränkungserleben, welchem sich der Beschwerdegegner nicht unter Wahrung seines grossartigen Selbstbildes entziehen könne. Solche situativen Konstellationen seien nicht so unwahrscheinlich, dass von einem insgesamt geringen Rückfallrisiko gesprochen werden könne. Das Risiko sei gesamthaft geringer als 50%, weil der Beschwerdegegner kein Mensch mit einer primären Gewaltproblematik sei. Er werde voraussichtlich erst in einem fortgeschrittenen Lebensalter aus dem Strafvollzug entlassen. Der unspezifische Alterseffekt sollte tendenziell zusätzlich risikosenkend wirken. Das Risiko sei aufgrund der grundsätzlich begünstigenden Persönlichkeitsdisposition aber gegenüber dem Risiko der Normalbevölkerung so deutlich erhöht, dass von einem relevant ausgeprägten Risiko für die Begehung schwerer Gewaltverbrechen zu sprechen sei, auch wenn langfristige Deliktfreiheit möglich und sogar wahrscheinlicher sei als einschlägige Rückfälligkeit (Gutachten, S. 119 ff., 133 ff., S. 136).  
 
6.  
 
6.1. Die Fragen, ob die Vorinstanz das psychiatrische Gutachten vom 9. Juli 2014 in vertretbarer Weise gewürdigt und gestützt darauf zu Recht auf eine Massnahmenanordnung verzichtet hat, können vorliegend offenbleiben, weil das Gutachten aus den nachstehenden, formellen und inhaltlichen Gründen keine rechtsgenügende Entscheidgrundlage im Sinne von Art. 56 Abs. 3 StGB darstellt.  
 
6.2.  
 
6.2.1. Die Verfahrensleitung der Vorinstanz beauftragte am 23. Juli 2013 Prof. Dr. med. E.________ mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens (Art. 184 Abs. 1 StPO). Sie richtete ihren Auftrag an den Psychiatrisch-Psychologischen Dienst (PPD) des Amts für Justizvollzug des Kantons Zürich und damit an Prof. Dr. med. E.________ in seiner Eigenschaft und Funktion als Leiter und Chefarzt des PPD Zürich (vgl. kantonale Akten, Auftragsvergabe, act. B/48). Prof. Dr. med. E.________ nahm den Auftrag indessen nicht in seiner Funktion als Leiter und Chefarzt des PPD an, sondern als privat bzw. nebenberuflich tätiger Gutachter (vgl. Briefkopf des Gutachtens vom 9. Juli 2014). Darüber hätte er die Verfahrensleitung einschliesslich die Parteien grundsätzlich aufklären müssen. Dass er dies getan hätte, ist den Akten, soweit ersichtlich, nicht zu entnehmen.  
 
6.2.2. Das in Auftrag gegebene Gutachten vom 9. Juli 2014 wurde in der Folge zu wesentlichen Teilen, wenn nicht gar überwiegend, durch Dr. med. F.________ erstellt. Der Beschwerdegegner wurde in insgesamt sechs Gesprächen vom 26. Februar 2014 (120 Min.), vom 19. März 2014 (10 Min.), vom 9. April 2014 (60 Min.), vom 23. April 2014 (150 Min.), vom 1. Mai 2014 (90 und 150 Min.) sowie vom 21. Mai 2014 (80 Min.) im Umfang von insgesamt 11 Stunden untersucht (Gutachten, S. 3). Die Exploration erfolgte zur Hauptsache alleine durch Dr. med. F.________. Prof. Dr. med. E.________ wirkte nur an den Gesprächen vom 9. April 2014 (60 Min.) und vom 21. Mai 2014 (80 Min.) mit bzw. explorierte den Beschwerdeführer nur bei dieser Gelegenheit. Im Gutachten heisst es denn auch, Dr. med. F.________ habe - "allerdings durchgehend unter supervisorischer Kontrolle des gesamtverantwortlichen Unterzeichners" - "wesentliche Arbeitsschritte weitgehend selbstständig" durchgeführt. Das Gutachten sei "in Zusammenarbeit" mit ihr erstellt worden (Gutachen, S. 2). Weiter wird darin festgehalten, das Kantonsgericht habe sie, also Dr. med. F.________ und Prof. Dr. med E.________ ("uns"), mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt (Gutachten, S. 1). Unterzeichnet wird es mit "Dr. med. F.________" und "Prof. Dr. med. E.________" (Gutachten, S. 137).  
 
6.2.3. Die Mitwirkung von Dr. med. F.________ an der Ausarbeitung des Gutachtens geht über einen an sich formlos zulässigen Einsatz einer blossen Hilfsperson weit hinaus. Dr. med. F.________ hat mit ihrem massgeblichen Beitrag die eigentliche Begutachtung des Beschwerdegegners vorgenommen. Dass im Gutachten darauf hingewiesen wird, Prof. Dr. med. E.________ übernehme bei Aktenkenntnis und eigenständiger Urteilsbildung die Gesamtverantwortung hierfür, ändert daran nichts. Das Gutachten kann nicht mehr als die Expertise des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. med. E.________ angesehen werden. Eine Weitergabe der wesentlichen gutachterlichen Aufgaben durch den ernannten Sachverständigen an eine Drittperson, wie sie hier vorliegt, ist mit der persönlichen Leistungspflicht des beauftragten Sachverständigen nicht (mehr) vereinbar und ohne ausdrückliche vorgängige Ermächtigung durch den Auftraggeber nicht zulässig (vorstehend E. 4.1.2). Die in einem solchen Umfang an der Ausarbeitung des Gutachtens beteiligten Personen sind gemäss den Vorgaben in der StPO durch die auftraggebende Behörde vorgängig zu ermächtigen, sollten überdies - wie der bestellte Sachverständige - im Auftrag genannt werden und sind wie dieser in Pflicht zu nehmen, zumal auch für sie Art. 183 Abs. 3 bzw. Art. 56 StPO gelten (SCHMID, a.a.O., N. 7 zu Art. 184 StPO; HEER, N. 9 zu Art. 183 StPO). Diese formalen Anforderungen wurden in Bezug auf Dr. med. F.________ nicht eingehalten (vgl. kantonale Akten, Auftragsvergabe, act. B/48). Das Gutachten leidet insofern an einem wesentlichen Mangel.  
 
6.3.  
 
6.3.1. Das Gutachten vom 9. Juli 2014 vermag auch inhaltlich nicht zu überzeugen. Mit Rücksicht darauf, dass die Begutachtung von Persönlichkeitsstörungen schwierig und die Abgrenzung zwischen Persönlichkeitsakzentuierungen und bereits als pathologisch zu bezeichnenden Persönlichkeitsauffälligkeiten problematisch ist (vgl. NORBERT NEDOPIL, Forensische Psychiatrie, 3. Aufl. 2007, Stuttgart, S. 190 Ziff. 12.8.5), fallen die gutachterlichen Ausführungen, mit welchen die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung verneint werden, ausserordentlich knapp aus. Das Gutachten gibt zwar die theoretischen Grundlagen bzw. die Eingangskriterien wieder, die nach ICD-10 erfüllt sein müssen, um eine Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren (vgl. Gutachten, S. 110 f.). Im Gutachten wird anschliessend jedoch nicht diskutiert, dass und weshalb diese Eingangskriterien gemäss ICD-10 beim Beschwerdegegner nicht gegeben sein sollen. Die fraglichen Kriterien werden vielmehr ohne jegliche weiterführende Begründung pauschal verneint ("Diese Kriterien erscheinen im Falle des Exploranden trotz der vorstehend genannten Persönlichkeitseigenheiten nicht erfüllt"; vgl. Gutachten, S. 110). Eine vertiefte Auseinandersetzung fehlt vollständig. Die gedanklich vorgenommenen Prüfschritte werden nicht erörtert. Es ist weder nachvollziehbar noch überprüfbar, auf welchem Weg und auf welcher wissenschaftlichen Grundlage die Gutachter zu ihrer abschliessenden Beurteilung gelangen, beim Beschwerdegegner liege keine psychiatrische Erkrankung oder Störung im engeren Sinn vor. Darüber hinaus leidet das Gutachten auch an einem inhaltlichen Widerspruch insofern, als die Gutachter im Zusammenhang mit der pauschalen Verneinung der Eingangskriterien nach ICD-10 anmerken, dass insbesondere "eine jahrelange erfolgreiche Arbeitstätigkeit mit einer Persönlichkeitsstörung i.d.R. schwer vereinbar sei" (Gutachten, S. 110). Wie die Gutachter auf diese Zuschreibung einer "jahrelangen erfolgreichen Arbeitstätigkeit" kommen, bleibt unerfindlich, zumal sie im Gutachten selber darauf hinweisen, dass es an gesicherten Daten über das Leben des Beschwerdegegners über weite Strecken fehlt. Die Beschwerdeführerin hält in ihrer Beschwerde denn auch zutreffend fest, dass es keinen (einzigen) objektiven und damit verlässlichen Hinweis auf eine "jahrelange erfolgreiche Arbeitstätigkeit" des Beschwerdegegners gebe. Was dieser im Zeitraum nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug im Jahre 1994 bis zum 26. März 2011 (Tag seiner Verhaftung im aktuellen Strafverfahren) beruflich gemacht hat, bleibt im Dunkeln. Das Gutachten erweist sich unter diesen Umständen als ungenügend und fehlerhaft.  
 
6.3.2. Ebenso wenig vermag die gutachterliche Prognoseeinschätzung zur Rückfallgefahr zu überzeugen. Zusammenfassend schätzen die Gutachter das Risiko für die Begehung eines weiteren Tötungsdelikts als "moderat bis deutlich" bzw. "gesamthaft geringer als 50%" ein (Gutachten, S. 133 f.). Das konkret angegebene Risikospektrum für die Begehung eines weiteren Gewaltverbrechens ist damit gutachterlich sehr weit gefasst, der Spielraum für diesbezügliche mögliche Interpretationen dementsprechend gross. Das Gutachten erlaubt mit andern Worten sehr unterschiedliche Auslegungen in Bezug auf die Höhe der Rückfallgefahr, je nachdem welche Aspekte der gutachterlichen Gefährlichkeits- und Risikobeurteilung als entscheidrelevant in den Vordergrund gestellt werden. So erscheint der vorinstanzliche Standpunkt einer insgesamt nur moderaten Rückfallgefahr für ein weiteres Tötungsdelikt nicht von vornherein als ausgeschlossen, wenn die im Gutachten genannten Umstände betont werden, der Beschwerdegegner sei kein Mensch mit einer primären Gewaltproblematik, der Alterseffekt wirke tendenziell zusätzlich risikosenkend und dessen Lebenssituation dürfte im Zeitpunkt seiner Entlassung aus dem Strafvollzug eine andere sein (vorstehend E. 5.4; Gutachten, S. 119 ff., 133 ff., S. 136). Werden demgegenüber die grundsätzlich deliktsbegünstigende Persönlichkeitsdisposition des Beschwerdegegners für Gewaltdelikte, deren praktische Unveränderbarkeit und der Umstand, dass die für den Deliktsmechanismus situativ bestimmenden Faktoren nicht derart unwahrscheinlich sind, dass sie sich nicht wiederholen könnten, als entscheidwesentlich ins Zentrum gerückt, erscheint auch die von der Beschwerdeführerin vertretene Annahme einer deutlichen Rückfallgefahr für ein weiteres schweres Gewaltverbrechen als nicht unvertretbar (Gutachten, S. 119 ff., 133 ff., S. 136). Erlaubt ein Gutachten in Bezug auf die Rückfallgefahr betreffend die Begehung einer schweren Gewaltstraftat im Sinne eines Tötungsdelikts aber derart weit auseinander liegende Interpretationen, kann letztlich aus juristischer Sicht nicht mehr von einer hinreichend bestimmten gutacherlichen Entscheidgrundlage im Sinne von Art. 56 Abs. 3 StGB gesprochen werden. Auch wenn die prognostische Risikobeurteilung schwierig ist und sich menschliches Verhalten wohl kaum je abschliessend voraussagen lässt, hat sich der Sachverständige doch hinreichend fassbar dazu zu äussern, ob und allenfalls welche Delikte mit wie hoher Wahrscheinlichkeit künftig zu erwarten sind (vgl. HEER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Band I, 3. Aufl. 2013, N. 60 ff. sowie 64 ff. zu Art. 64 StGB; eingehend BOETTICHER/KRÖBER/MÜLLER-ISBERNER ET AL., Mindestanforderungen für Prognosegutachten, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht, NStZ, 26. Jahrgang 2006, S. 537 ff., S. 539). Es bedarf insofern unter Ausschöpfung der Prognosemöglichkeiten einer hinreichend bestimmten Entscheidung über die Gefährlichkeit eines Betroffenen. Dieser Anforderung wird das Gutachten nicht gerecht.  
 
6.4. Nach dem Gesagten erweist sich das Gutachten vom 9. Juli 2014 zusammengefasst in verschiedener Hinsicht sowohl formell als auch inhaltlich als mangelhaft. Im Ergebnis bildet es keine rechtsgenügende Entscheidgrundlage im Sinne von Art. 56 Abs. 3 StGB. Für die Frage, ob von einer Massnahme bzw. einer Verwahrung abgesehen werden kann oder eine solche anzuordnen ist, kann darauf nicht abgestellt werden.  
 
7.  
Die Beschwerde ist damit im Sinne der Erwägungen gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Angelegenheit ist zur Einholung eines rechtsgenügenden Gutachtens im Sinne von Art. 56 Abs. 3 StGB und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Auf die weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin ist nicht einzutreten. 
Dem Kanton St. Gallen sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege kann bewilligt werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Die Rechtsvertreterin des Beschwerdegegners, Rechtsanwältin Dr. Monika Brenner, ist aus der Bundesgerichtskasse angemessen zu entschädigen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, der angefochtene Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 8. Mai 2013/5. Januar 2015 aufgehoben und die Angelegenheit zur Einholung eines Gutachtens und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird bewilligt. 
 
3.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.   
Die Rechtsvertreterin des Beschwerdegegners, Rechtsanwältin Dr. Monika Brenner, wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 3'000.-- entschädigt. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Dezember 2015 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill