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[AZA 7] 
I 71/01 Gb 
 
II. Kammer 
 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter 
Frésard; Gerichtsschreiberin Riedi Hunold 
 
Urteil vom 4. Januar 2002 
 
in Sachen 
K.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Josef Schaller, Chr.-Schnyder-Strasse 1c, 6210 Sursee, 
 
gegen 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern 
 
A.- K.________ leidet seit ihrer Geburt im Jahre 1980 am Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom. Am 1. Oktober 1997 unterzog sie sich einer Operation und ersuchte um Kostenübernahme dieser Operation sowie der notwendigen Vaginalprothesen durch die Invalidenversicherung. Mit Verfügung vom 2. Dezember 1997 sprach die IV-Stelle Luzern die notwendigen medizinischen Massnahmen zur Behandlung des Geburtsgebrechens Nr. 358 zu, lehnte es aber mit Verfügung vom 15. Januar 1998 auf Weisung des Bundesamtes für Sozialversicherung ab, für die Kosten der Vaginalprothesen aufzukommen. 
Diese Verfügungen erwuchsen unangefochten in Rechtskraft. 
Am 24. April 1998 musste sich K.________ einer Nachoperation unterziehen. Mit Anmeldung vom 15. November 1998 ersuchte sie erneut um Übernahme der Kosten für die Vaginalprothesen, was die IV-Stelle ablehnte (Verfügung vom 29. Februar 2000). 
 
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 20. Dezember 2000 ab, indem es in formeller Hinsicht die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs feststellte, diesen Mangel jedoch als geheilt und die Beschwerde materiell als unbegründet erachtete. 
 
C.- K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben, die IV-Stelle zur Übernahme der Kosten der Vaginalprothesen zu verpflichten und ihr eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren in der Höhe von Fr. 2000.- zuzüglich 7.5 % Mehrwertsteuer zuzusprechen. 
Sowohl IV-Stelle wie auch das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Streitig ist, ob die IV-Stelle für die Kosten der Vaginalprothesen aufzukommen hat. 
 
a) Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Abgabe von Hilfsmitteln (Art. 21 IVG; BGE 121 V 260 Erw. 2b mit Hinweisen) und den Begriff der Lückenfüllung (Art. 1 Abs. 2 ZGB; Häfelin/Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Aufl. , Zürich 1998, Rz. 191 ff.) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
b) aa) Die Beschwerdeführerin stützt ihren Anspruch auf Kostenübernahme darauf ab, dass es ihr nur mit diesen Vaginalprothesen möglich sei, den Geschlechtsakt zu vollziehen und somit eine Partnerschaft zu leben. Zudem würden ihr diese Prothesen, welche durchaus mit der Brust-Exo-Prothese vergleichbar seien, den Kontakt mit der Umwelt erleichtern und eine massive Verbesserung ihrer psychischen und physischen Integrität bedeuten. 
 
bb) Der Versicherte, der infolge seiner Invalidität für die Fortbewegung, für die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge kostspieliger Geräte bedarf, hat im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste ohne Rücksicht auf die Erwerbsfähigkeit Anspruch auf solche Hilfsmittel (Art. 21 Abs. 2 IVG). Ziel ist es, die Autonomie der invaliden Person zu fördern, indem sie auf Grund dieser Hilfsmittel die alltäglichen Lebensverrichtungen wie Körperpflege etc. selbstständig vornehmen und sich am gesellschaftlichen Leben beteiligen kann, etwa in Form der Ausübung einer medizinisch angezeigten und somit schützenswerten sportlichen Betätigung (ZAK 1985 S. 171 Erw. 2b), des Zugangs zur Um- und Aussenwelt (Urteil V. vom 28. November 1995, I 139/95) oder der Benützung von speziellen Kommunikationsgeräten (vgl. Ziff. 15 des HVI Anhangs; BGE 102 V 51). 
cc) Die Vaginalprothesen finden sich nicht auf der Liste der Hilfsmittel. Zu prüfen bleibt, ob sie darin aufzunehmen sind. 
 
Die Vaginalprothesen dienen unbestrittenermassen nicht der Fortbewegung. Auch gehören sie nicht zu den Hilfsmitteln der Selbstsorge, ist doch die Versicherte autonom und ohne weiteres in der Lage, sich selbst zu versorgen. Zwar mag das Wissen darum, in der Lage zu sein, eine geschlechtliche Beziehung unterhalten zu können, das Selbstwertgefühl der Beschwerdeführerin zu heben. Dies geht jedoch über die Aufnahme und den Unterhalt von Kontakten mit der Umwelt hinaus. Zudem ist der von der Versicherten angeführte Vergleich mit der Brust-Exo-Prothese nicht stichhaltig, geht es doch bei dieser Art der Prothese wie auch bei Perücken darum, dass die Behinderung äusserlich sichtbar ist und anhand des Hilfsmittels kaschiert wird. Dies ist beim Geburtsgebrechen der Versicherten, das nach aussen nicht in Erscheinung tritt, nicht notwendig. Nachdem die Invalidenversicherung nur für die im Rahmen der Eingliederung in die Gesellschaft notwendigen, nicht aber für jegliche nützlichen, das Leben der betroffenen Person erleichternden Hilfsmittel aufzukommen hat (BGE 121 V 260 Erw. 2c mit Hinweisen), hat die Vorinstanz somit zutreffend dargelegt, dass die Vaginalprothese den gesetzlichen Vorgaben nicht entspricht und auch keine Lücke in der Hilfsmittelliste angenommen werden muss, welche vom Gericht zu ergänzen wäre. 
 
c) aa) Daran ändert auch die Berufung auf die Rechtsgleichheit nichts. Nach der Rechtsprechung geht der Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung in der Regel der Rücksicht auf die gleichmässige Rechtsanwendung vor. Der Umstand, dass das Gesetz in anderen Fällen nicht oder nicht richtig angewendet worden ist, gibt dem Bürger und der Bürgerin grundsätzlich keinen Anspruch darauf, ebenfalls abweichend vom Gesetz behandelt zu werden. Das gilt jedoch nur, wenn lediglich in einem einzigen oder in einigen wenigen Fällen eine abweichende Behandlung dargetan ist. Wenn dagegen die Behörde die Aufgabe der in anderen Fällen geübten gesetzwidrigen Praxis ablehnt, kann der Bürger oder die Bürgerin verlangen, dass die gesetzwidrige Begünstigung, die den Dritten zuteil wird, auch ihm bzw. ihr gewährt werde, soweit dies nicht andere legitime Interessen verletzt. 
Die Anwendung der Gleichbehandlung im Unrecht setzt als Vorbedingung voraus, dass die zu beurteilenden Sachverhalte identisch oder zumindest ähnlich sind (BGE 126 V 392 Erw. 6a mit Hinweisen). 
 
bb) Nachdem die Beschwerdeführerin lediglich einen Fall geltend zu machen vermag, dieser zudem eine andere Behörde betrifft und kein Festhalten an der gesetzwidrigen Praxis belegt ist, hat die Versicherte keinen Anspruch darauf, ebenfalls abweichend vom Gesetz behandelt zu werden. 
Dabei kann offen bleiben, ob anhand der eingereichten Belege die Übernahme der Prothesenkosten tatsächlich ausgewiesen ist. 
 
2.- a) Die Vorinstanz hat die von der Versicherten gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die IV-Stelle bejaht, diesen Mangel jedoch als geheilt betrachtet. 
Die Beschwerdeführerin macht nun in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend, der Grundsatz von Treu und Glauben gebiete, dass ihr aus der Verletzung des rechtlichen Gehörs keine Nachteile entstünden; es sei ihr deshalb für das kantonale Verfahren eine Parteientschädigung zuzusprechen. 
 
b) Bei der Frage des Anspruchs auf Parteientschädigung im Zusammenhang mit der Verletzung des rechtlichen Gehörs handelt es sich nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat demnach nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
 
c) Mit Beschwerde vom 30. März 2000 liess die Versicherte die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügen und gestützt darauf die Aufhebung der Verwaltungsverfügung beantragen; für den Fall, dass das kantonale Gericht zur Ansicht gelange, der Mangel würde im Rahmen des doppelten Schriftenwechsels geheilt, werde auf die zusätzlichen Rechtsverletzungen (rechtswidrige Auslegung, Verletzung der Rechtsgleichheit) verwiesen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der IV-Stelle. In ihrer Replik vom 24. Juli 2000 machte die Beschwerdeführerin geltend, dass ihr rechtliches Gehör verletzt sei, was ohne weiteres zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung, auf jeden Fall, sollte der Mangel im Verfahren geheilt werden, zur entsprechenden Kostengutsprache betreffend Parteientschädigung und Kostenübernahme durch die Beschwerdegegnerin führe. 
 
d) Das Eidgenössische Versicherungsgericht entscheidet nur über Fragen, zu welchen die Verwaltung bzw. die Vorinstanz vorgängig in Form einer Verfügung Stellung genommen hat; andernfalls fehlt es an einer Sachurteilsvoraussetzung (BGE 125 V 414 Erw. 1a mit Hinweisen). 
Das kantonale Gericht hat sich nicht über die Frage der Parteientschädigung geäussert. Es kann höchstens von einer konkludenten Verneinung dieses Anspruchs ausgegangen werden. Dies genügt angesichts der speziellen Ausgangslage und der im Rahmen des Schriftenwechsels ausdrücklich gestellten Forderung nach einer Parteientschädigung auch bei Heilung des Mangels jedoch nicht. Die Sache ist deshalb an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese über einen allfälligen Anspruch auf eine Parteientschädigung der anwaltlich vertretenen Versicherten entscheide. 
3.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens steht der Beschwerdeführerin eine reduzierte Parteientschädigung zu (Art. 156 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne 
gutgeheissen, dass die Sache an das Verwaltungsgericht 
des Kantons Luzern zurückgewiesen wird, damit es über 
den Antrag auf eine Parteientschädigung für das vorinstanzliche 
Verfahren entscheide. Im Übrigen wird die 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Die IV-Stelle hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1000.-- (einschliesslich 
 
 
Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse Luzern und dem 
 
 
Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 4. Januar 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: