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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_26/2008/bnm 
 
Urteil 4. Februar 2008 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichter Marazzi, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Steiner, 
 
gegen 
 
Präsidenten 3 des Bezirksgerichts Baden, 
5400 Baden. 
 
Gegenstand 
Unentgeltliche Rechtspflege (Scheidung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer, vom 12. November 2007. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ (Gesuchsteller) reichte am 10. April 2007 beim Bezirksgericht Baden Scheidungsklage ein und beantragte die unentgeltliche Rechtspflege, welche ihm der Präsident des Bezirksgerichts Baden am 31. August 2007 mit der Begründung verweigerte, das Scheidungsverfahren sei aussichtslos, da er den Beweis für die zweijährige Trennungsfrist nicht erbracht habe. 
 
B. 
Das Obergericht des Kantons Aargau wies eine Beschwerde des Gesuchstellers gegen diesen Entscheid am 12. November 2007 ab. Es hielt dafür, das Gesuch könne nicht wegen Aussichtslosigkeit des Verfahrens abgewiesen werden. Der Gesuchsteller habe jedoch seine Behauptung, er beziehe seit Dezember 2006 nur noch Sozialhilfe, nicht belegt, womit seine Bedürftigkeit nicht ausgewiesen und dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege aus diesem Grund nicht zu entsprechen sei. 
 
C. 
Der Gesuchsteller gelangt mit Beschwerde an das Bundesgericht und beantragt, den Entscheid des Obergerichts vom 12. November 2007 aufzuheben, ihm die unentgeltliche Rechtspflege für das Scheidungsverfahren zu bewilligen und einen amtlichen Rechtsbeistand zu bestimmen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht er ebenso um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
Das Obergericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG), mit dem die unentgeltliche Rechtspflege verweigert worden ist. Dabei handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 129 I 129 E. 1.1), dessen ungeachtet, ob er während des Hauptverfahrens, zusammen mit dessen Endentscheid oder nach diesem ergangen ist (Urteil 5A_108/2007 vom 11. Mai 2007, E. 1.2). 
 
1.2 Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache. Diese betrifft ein Scheidungsverfahren. Da somit nicht ausschliesslich finanzielle Belange zur Diskussion stehen, unterliegt die Beschwerde in der Hauptsache nicht dem Streitwerterfordernis (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG; vgl. dazu: Urteil 5A_108/2007 vom 11. Mai 2007, E. 1.2 und Urteil 5D_60/2007 vom 9. August 2007, E. 1.2). Ist die Beschwerde gegen die Hauptsache zulässig, kann sie auch gegen den angefochtenen Zwischenentscheid erhoben werden. Mit ihr kann eine Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), zu dem laut der Begriffsbestimmung des BGG auch das Verfassungsrecht gehört. Beanstandet werden kann ferner eine Verletzung des Völkerrechts (Art. 95 lit. b BGG). 
 
2. 
Der Umfang des Anspruches auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung bestimmt sich nach den Vorschriften des kantonalen Rechts, ergibt sich aber auch direkt aus Art. 29 Abs. 3 BV. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern ihm das kantonale Recht einen über Art. 29 Abs. 3 BV hinausgehenden Rechtsanspruch gewährt. Allein im Lichte der Verfassungsnorm ist somit zu prüfen, ob die Beschwerde bezüglich der unentgeltlichen Rechtspflege begründet ist (BGE 124 I 1 E. 2). 
 
3. 
Nach Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und deren Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anrecht auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. 
 
3.1 Als bedürftig gilt, wer die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne die Mittel anzugreifen, deren er zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes für sich und seine Familie bedarf. Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs. Dazu gehören einerseits sämtliche finanziellen Verpflichtungen, anderseits die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181; 124 I 1 E. 2a S. 2, je mit Hinweisen). Bei der Ermittlung des notwendigen Lebensunterhaltes soll nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt, sondern den individuellen Umständen Rechnung getragen werden. Ein allfälliger Überschuss zwischen dem zur Verfügung stehenden Einkommen und dem Zwangsbedarf der Gesuch stellenden Partei ist mit den für den konkreten Fall zu erwartenden Gerichts- und Anwaltskosten in Beziehung zu setzen (BGE 118 Ia 369 E. 4a S. 370 f.); dabei sollte es der monatliche Überschuss ihr ermöglichen, die Prozesskosten bei weniger aufwendigen Prozessen innert eines Jahres, bei anderen innert zweier Jahre zu tilgen. Entscheidend ist zudem, ob die Gesuch stellende Partei mit dem ihr verbleibenden Überschuss in der Lage ist, die anfallenden Gerichts- und Anwaltskostenvorschüsse innert absehbarer Zeit zu leisten (BGE 109 Ia 5 E. 3a S. 9 mit Hinweisen; 118 Ia 369 E. 4a S. 370). 
 
3.2 Für die Feststellung der wirtschaftlichen Situation des Gesuchstellers darf die entscheidende Behörde zwar die Beweismittel nicht formalistisch beschränken und etwa einseitig nur einen amtlichen Beleg über dessen finanzielle Verhältnisse zulassen (BGE 119 III 28 E. 3B S. 31). Sie hat allenfalls unbeholfene Rechtsuchende auch auf die Angaben hinzuweisen, die sie zur Beurteilung des Gesuches benötigt. Grundsätzlich aber obliegt dem Gesuchsteller, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzustellen und soweit möglich auch zu belegen (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181; 123 III 328 E. 3 S. 329; 124 V 234 E. 4b/bb S. 239). Da Ausgaben nur dann in die Bedarfsrechnung aufzunehmen sind, wenn sie wirklich getätigt werden (vgl. dazu: BGE 121 III 20 E. 3b S. 22 f.; Urteil 5P.333/1999 vom 8. November 1999, E. 3; Bühler, Die Prozessarmut, in: Gerichtskosten, Parteikosten, Prozesskaution, unentgeltliche Prozessführung, 2001, S. 162), hat der Gesuchsteller insbesondere nachzuweisen, dass er den geltend gemachten finanziellen Verpflichtungen auch tatsächlich nachkommt. Verweigert er die zur Beurteilung seiner aktuellen Gesamtsituation erforderlichen Angaben oder Belege, so kann die Bedürftigkeit ohne Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV verneint werden (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 182). 
 
3.3 Das Bundesgericht prüft frei, ob die Kriterien zur Bestimmung der Bedürftigkeit zutreffend gewählt worden sind (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn die für den Verfahrensausgang entscheidenden Feststellungen offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (Art. 9 BV) sind (BGE 133 II 249 E. 1.2.2) oder auf einer anderen Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. 
 
4. 
4.1 Das Obergericht begründet seinen, die Bedürftigkeit und damit den Rechtsanspruch auf unentgeltliche Rechtspflege verneinenden Entscheid damit, der Beschwerdeführer habe sich zu seinen finanziellen Verhältnissen in der Klage dahingehend geäussert, er habe kein Vermögen; von Juni 2006 bis Oktober 2006 habe er keine Arbeit gehabt; seit Dezember 2006 bestehe sein Einkommen nur noch aus Sozialhilfebezügen; zudem habe er Schulden von über Fr. 40'000.--. Er habe indes seine Behauptung, seit Dezember 2006 nur noch Sozialhilfe zu beziehen, in keiner Weise belegt. Es lägen lediglich Budgets für Dezember 2006 und Januar 2007 vor, wobei Letzteres weder datiert noch unterzeichnet sei. Für weitere Monate, welche für das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege von Relevanz wären, fehlten entsprechende Unterlagen. Dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer sei keine Nachfrist zur Einreichung dieser Belege zu setzen, müsse er doch wissen, dass für alle Behauptungen unaufgefordert Belege einzureichen seien. Der Beschwerdeführer habe seine Mitwirkungspflicht verletzt, womit sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mangels Substanziierung abzuweisen sei. 
 
4.2 Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Behauptung des Obergerichts seien nicht nur Sozialhilfebudgets von Dezember 2006 und Januar 2007 eingereicht worden. Er habe mit Eingabe vom 11. Mai 2007 dem Bezirksgericht noch den Amtsbericht der Gemeinde nachgereicht, welcher im Kanton Aargau notwendige Grundlage für die Beurteilung der Prozessarmut darstelle. In diesem Amtsbericht vom 6. Mai 2007 sei von Sozialhilfe keine Rede, sondern es werde festgehalten, dass er arbeitslos sei. Das habe das Obergericht übersehen und damit die Bedürftigkeit in willkürlicher Weise als nicht nachgewiesen erachtet. 
 
4.3 Die Beschwerde erweist sich insoweit als begründet: Der Beschwerdeführer hat in der Tat bereits am 11. Mai 2007 dem Bezirksgericht das § 128 Abs. 2 ZPO/AG entsprechende Zeugnis des Gemeinderates über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse vom 6. Mai 2007 nachgereicht. Daraus ergibt sich, dass er zur Zeit arbeitslos ist, über keine Einnahmen verfügt, von seiner Ehefrau lebt und Schulden in der Höhe von Fr. 50'000.-- auszuweisen hat. Damit kann dem Beschwerdeführer nicht ohne Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben vorgeworfen werden, er habe seiner Mitwirkungspflicht nicht genügt. Daran vermag auch der Hinweis auf das nicht publizierte Urteil 4C.41/2003 vom 25. März 2003, E. 2.3 nichts zu ändern. Unter den gegebenen Umständen hätte es am Obergericht gelegen, den Beschwerdeführer zur Einreichung weiterer Unterlagen bezüglich der Bedürftigkeit anzuhalten, falls es das eingereichte Zeugnis als ungenügend erachtete. Dem obergerichtlichen Entscheid lässt sich denn auch nicht entnehmen, dass diese Angaben als ungenügend erachtet worden wären, äussert sich doch der angefochtene Entscheid gar nicht zu dieser Beilage. In Anbetracht des von der Gemeinde ausgestellten Zeugnisses aber erweist sich der Schluss des Obergerichts, die Bedürftigkeit sei nicht nachgewiesen, als willkürlich. 
 
4.4 Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen und der obergerichtliche Entscheid aufzuheben. Das Obergericht hat überdies bereits im angefochtenen Entscheid festgehalten, dass das Scheidungsverfahren nicht aussichtslos sei, womit die verfassungsmässigen Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege erfüllt sind. Da dem rechtsunkundigen Beschwerdeführer die selbstständige Prozessführung nicht zugemutet werden kann und die Ehefrau ihrerseits einen Anwalt mit der Wahrung ihrer Interessen beauftragt hat, ist ihm überdies ein amtlicher Anwalt beizugeben (zu den Voraussetzungen für die Bestellung eines amtlichen Anwalts: BGE 128 I 225 E. 2.5.2 S. 232; 122 I 49 E. 2c/bb S. 51, 275 E. 3a S. 276; 120 Ia 43 E. 2a S. 44 f. mit Hinweisen). 
 
5. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Demgegenüber hat der Kanton Aargau den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
6. 
Mit der vorliegenden Kosten- und Entschädigungsregelung wird das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid aufgehoben. Dem Beschwerdeführer wird für das Scheidungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und ihm Rechtsanwalt Dr. Peter Steiner als amtlicher Rechtsbeistand bestellt. 
 
2. 
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
 
3. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4. 
Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
5. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Präsidenten 3 des Bezirksgerichts Baden und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 4. Februar 2008 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Raselli Zbinden