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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_996/2008/sst 
 
Urteil vom 4. Februar 2009 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Ferrari, Mathys, 
Gerichtsschreiber Monn. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Erdös, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Josef Jacober, 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Angriff (Art. 134 StGB), Willkür, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 19. September 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am frühen Morgen des 7. Januar 2002 kam es in einer Discothek in Zürich zu einer Auseinandersetzung zwischen Y.________ und einem anderen Gast, worauf Sicherheitsangestellte der Discothek eingriffen. Nach erfolgter Wegweisung der beiden Gäste stürzten sich X.________ und ein weiterer Sicherheitsangestellter auf Y.________, der in eine Seitengasse geflüchtet war, und misshandelten ihn mit Fusstritten und einer Stahlrute. Dabei wurde sein linker Vorderarmknochen gebrochen. Dann schleppten sie ihn vom Ort des Geschehens weg. Dort brach ihm der andere Sicherheitsangestellte auch noch das rechte Ellbogengelenk (angefochtener Entscheid S. 7/8, 41). 
 
B. 
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ mit Urteil vom 19. September 2008 im Berufungsverfahren des Angriffs im Sinne von Art. 134 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 50.--, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren. 
 
C. 
X.________ führt Beschwerde beim Bundesgericht und beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und er freizusprechen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe den Sachverhalt offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 BGG festgestellt bzw. die Beweise willkürlich im Sinne von Art. 9 BV gewürdigt und den Grundsatz in dubio pro reo gemäss Art. 32 BV nicht berücksichtigt (Beschwerde S. 3 Ziff. 8). 
Der Grundsatz in dubio pro reo als Beweiswürdigungsregel besagt, dass sich der Strafrichter nicht von einem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Bei der Frage, ob angesichts des willkürfreien Beweisergebnisses erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel hätten bejaht werden müssen, steht der Vorinstanz ein weiter Spielraum des Ermessens zu. Willkür - bzw. eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG - liegt einzig vor, wenn die Vorinstanz in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen (BGE 133 I 149 E. 3.1; 132 I 13 E. 5.1; 127 I 54 E. 2b). Dass diese qualifizierte Mangelhaftigkeit vorliegt, hat der Beschwerdeführer darzulegen (Art. 106 Abs. 2 BGG; 134 II 244 E. 2.2; 130 I 258 E. 1.3). Appellatorische Kritik ist im Verfahren vor Bundesgericht unzulässig. 
Der Beschwerdeführer zitiert zunächst ausführlich die verschiedenen im Verlauf des Verfahrens getätigten Aussagen der Beteiligten und Auskunftspersonen (Beschwerde S. 4 - 17). Anschliessend würdigt er diese Aussagen so, wie er es vor einer Instanz mit voller Kognition tun könnte (Beschwerde S. 17 - 24). Soweit er sich überhaupt auf den angefochtenen Entscheid bezieht, wie er es gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG tun müsste, ergibt sich aus seinen Ausführungen nicht, dass und inwieweit die Vorinstanz in Willkür im oben umschriebenen Sinn verfallen sein könnte. So hat sie sich zum Beispiel einlässlich mit den Aussagen eines zweiten Geschädigten befasst (angefochtener Entscheid S. 30/31). Der Beschwerdeführer bezieht sich auf diese Stelle im angefochtenen Entscheid und macht geltend, entgegen der Vorinstanz stimmten die Aussagen des Geschädigten "in praktisch keinen Teilen" mit jenen des Beschwerdegegners überein (Beschwerde S. 19). Dies besagt jedoch noch nicht, das die Vorinstanz in Willkür verfallen wäre, als sie feststellte, "in einigen wesentlichen Punkten" habe der Geschädigte die Darstellung des Beschwerdegegners bestätigt (angefochtener Entscheid S. 31 oben). 
Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 31 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich geltend macht, die Vorinstanz sei den entlastenden Beweisen nicht genügend nachgegangen (Beschwerde S. 24), geht es ebenfalls um die Beweiswürdigung. Die Beschwerde beschränkt sich indessen auch in diesem Punkt auf unzulässige appellatorische Kritik. Folglich ergibt sich daraus von vornherein nicht, dass die Vorinstanz die erwähnte Bestimmung der Strafprozessordnung willkürlich angewendet hätte. 
Soweit sich der Beschwerdeführer auf den Grundsatz in dubio pro reo bezieht (Beschwerde S. 24 - 26), verweist er zur Hauptsache auf das früher Gesagte. Soweit er zudem den Fall eines freigesprochenen Mitangeschuldigten erwähnt (Beschwerde S. 26), geht der Hinweis bereits deshalb an der Sache vorbei, weil dieser Mitangeschuldige durch die erste Instanz rechtskräftig freigesprochen worden ist, so dass sich die Vorinstanz mit diesem Freispruch nicht mehr zu befassen hatte. Es ist deshalb von vornherein nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer gestützt auf diesen Freispruch hätte "unweigerlich" ebenfalls freigesprochen werden müssen. 
Unter dem Titel "Rechtliche Würdigung" macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, die Ursache der Verletzungen des Beschwerdegegners sowie sein eigener Vorsatz seien nicht erstellt (Beschwerde S. 26/27). Diese Vorbringen betreffen nicht die rechtliche Würdigung, sondern den Sachverhalt, ohne dass sich aus der Beschwerde ergäbe, dass dieser willkürlich festgestellt worden wäre. 
Was der Beschwerdeführer zu den Aussagen von zwei Zeugen vorbringt, die seiner Ansicht nach als Angeschuldigte oder Auskunftspersonen hätten einvernommen werden müssen (Beschwerde S. 27), geht an der Sache vorbei. Die Vorinstanz stellt fest, die Aussagen dieser beiden Personen hätten den Beschwerdeführer nicht belastet (angefochtener Entscheid S. 16 bzw. 17). Dass diese entscheidende Feststellung nicht zuträfe, behauptet der Beschwerdeführer nicht. 
Ebenfalls an der Sache vorbei geht die Rüge des Beschwerdeführers, er sei zu einer Einvernahme vom 20. April 2006 nicht eingeladen worden und habe deshalb keine Ergänzungsfragen stellen können (Beschwerde S. 27/28). Dazu führt die Vorinstanz aus, in der einzigen Aussage vom 20. April 2006, die sich zu Lasten des Beschwerdeführers auswirken konnte, habe der Geschädigte lediglich das bestätigt, was der Beschwerdeführer selber stets zu Protokoll gegeben habe (angefochtener Entscheid S. 16). Dies wird vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt. Er erwähnt nur einen Widerspruch, zu dem er hätte Ergänzungsfragen stellen wollen (Beschwerde S. 28 oben). Der behauptete Widerspruch findet sich an der vom Beschwerdeführer angeführten Stelle im angefochtenen Entscheid indessen nicht (angefochtener Entscheid S. 16). 
In Bezug auf den Sachverhalt und die rechtliche Würdigung ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. 
 
2. 
In Bezug auf die Strafzumessung macht der Beschwerdeführer geltend, die Vorinstanz habe das Fehlverhalten des Beschwerdegegners nicht berücksichtigt (Beschwerde S. 28). Dazu führt die Vorinstanz zu Recht aus, nachdem die Wegweisung erfolgt war, habe es für den Beschwerdeführer und seinen Kollegen keinen Anlass mehr gegeben, dem Beschwerdegegner nachzurennen und ihn spitalreif zu schlagen. Zudem gehöre es zu den Pflichten von Sicherheitsangestellten, im Umgang mit problematischen Gästen einen kühlen Kopf zu bewahren (angefochtener Entscheid S. 42). Dem ist zuzustimmen, und das vorgängige Fehlverhalten des Beschwerdegegners musste bei der Strafzumessung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt werden. 
Die Vorinstanz hat entgegen der Angabe des Beschwerdeführers (Beschwerde S. 28) berücksichtigt, dass er einen einwandfreien Leumund hat (angefochtener Entscheid S. 45). 
Inwieweit der Strafrichter die "Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters" (Beschwerde S. 28) im Falle einer bedingten Geldstrafe berücksichtigen müsste, ist nicht ersichtlich. 
Die reformatio in peius untersagt eine strengere Bestrafung durch die obere Instanz. Die Vorinstanz hat die Strafe bestätigt, die das Bezirksgericht ausgefällt hatte. Dass sie demgegenüber die Strafe trotz der langen Verfahrensdauer nicht herabgesetzt hat (angefochtener Entscheid S. 46), ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers (Beschwerde S. 28) nicht zu beanstanden, weil die Vorinstanz als Berufungsinstanz nicht verpflichtet war, die durch das Bezirksgericht ausgefällte Strafe als Ausgangspunkt für ihre Strafzumessung zu nehmen (BGE 80 IV 156 E. 8). 
In Bezug auf die Strafzumessung ist die Beschwerde abzuweisen. 
 
3. 
Die Kostenauflage und Prozessentschädigung für den Beschwerdegegner richten sich nach dem kantonalen Recht. Der Beschwerdeführer könnte geltend machen, die Vorinstanz habe das kantonale Recht willkürlich angewendet. Eine solche Rüge erhebt er indessen nicht (Beschwerde S. 28/29). Insoweit genügt die Beschwerde den Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG nicht. 
Das Vorbringen, die Vorinstanz sei auf eine Rüge nicht eingetreten (Beschwerde S. 29 oben), ist unbegründet. Nachdem das Bezirksgericht in Bezug auf die Prozessentschädigung für den Beschwerdegegner festgestellt hatte, der geltend gemachte Aufwand sei ausgewiesen (Urteil Bezirksgericht S. 135 oben), beantragte der Beschwerdeführer an der von ihm zitierten Stelle, es sei eine tiefere Prozessentschädigung festzulegen (Plädoyer S. 2 Ziff. 7). Eine Begründung enthielt der Antrag jedenfalls an der vom Beschwerdeführer zitierten Stelle nicht. Unter diesen Umständen musste sich die Vorinstanz mit der Höhe des Aufwands des Vertreters des Beschwerdegegners nicht ausdrücklich befassen, sondern konnte sich sinngemäss der Feststellung des Bezirksgerichts, der Aufwand sei ausgewiesen, anschliessen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. 
In Bezug auf die Kosten- und Entschädigungsregelung ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
4. 
Da der Beschwerdeführer nach dem Gesagten nicht freigesprochen wird, ist sein Antrag auf eine Genugtuung gegenstandslos (Beschwerde S. 29/30). 
 
5. 
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist durch eine herabgesetzte Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). Dem Beschwerdegegner ist keine Entschädigung auszurichten, weil er vor Bundesgericht keine Umtriebe hatte. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 4. Februar 2009 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Favre Monn