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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_534/2012 
 
Urteil vom 4. Februar 2013 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin, 
Bundesrichter Ursprung, Maillard, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Generali Allgemeine Versicherungen AG, Avenue Perdtemps 23, 1260 Nyon, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
O.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Simon Krauter, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 22. Mai 2012. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1945 geborene O.________ war als Sekretärin der Produktionsfirma X.________ bei der Generali Allgemeine Versicherungen AG (nachstehend: Generali) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als sie sich am 6. Juli 2006 bei einem Treppensturz an der linken Schulter verletzte. Die Generali anerkannte ihre Leistungspflicht für die Folgen dieses Ereignisses und erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung vom 11. November 2008 und Einspracheentscheid vom 26. Mai 2011 sprach die Generali der Versicherten eine Integritätsentschädigung aufgrund einer Integritätseinbusse von 20 % zu, verneinte aber gleichzeitig einen Anspruch auf weitergehende Leistungen. 
 
B. 
Die von O.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 22. Mai 2012 gut und sprach der Versicherten ab 1. Dezember 2008 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 13 % zu. 
 
C. 
Mit Beschwerde beantragt die Generali, es sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides ihr Einspracheentscheid vom 26. Mai 2011 zu bestätigen. 
Während O.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung. 
 
D. 
Mit Verfügung vom 24. Oktober 2012 erkannte die Instruktionsrichterin der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). 
 
1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Versicherte infolge des Unfalles vom 6. Juli 2006 Anspruch auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung hat. 
 
3. 
Ist eine versicherte Person infolge des Unfalles mindestens zu 10 Prozent invalid, so hat sie gemäss Art. 18 Abs. 1 UVG Anspruch auf eine Invalidenrente. Zur Bestimmung des Invaliditätsgrades wird gemäss Art. 16 ATSG das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der unfallbedingten Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (sog. Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (sog. Valideneinkommen). 
 
4. 
4.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass der Versicherten auch nach dem Unfall die Ausübung ihrer angestammten Tätigkeit als Sekretärin medizinisch-theoretisch grundsätzlich noch zumutbar ist, dass sie aber keine Archivierungsarbeiten mehr ausführen kann sowie einen erhöhten Pausenbedarf hat. Streitig sind jedoch die erwerblichen Auswirkungen dieser Einschränkung. 
 
4.2 Das kantonale Gericht hat erwogen, aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer Berufserfahrung erfülle die Beschwerdegegnerin in ihrer Arbeit als Sekretärin die Voraussetzungen "Berufs- und Fachkenntnisse vorausgesetzt" des Anforderungsniveaus 3 der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE). Zur Bemessung des Invalideneinkommens sei von einem entsprechenden Lohn auszugehen. Gleichzeitig sei jedoch festzuhalten, dass sie in ihrer bisherigen Arbeit stark unterdurchschnittlich verdient habe, weshalb zu einer "Parallelisierung" der Vergleichseinkommen im Sinne von BGE 135 V 297 E. 5 S. 301 f. zu schreiten sei. Insgesamt errechnete die Vorinstanz einen Invaliditätsgrad von 13 %. 
 
4.3 Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Beschwerdegegnerin sei Schweizerin und arbeite schon lange in ihrem Beruf. Hätte sie das Gefühl gehabt, sie würde unterdurchschnittlich verdienen, so hätte es an ihr gelegen, sich eine besser bezahlte Tätigkeit zu suchen. Es sei daher davon auszugehen, die Versicherte habe sich aus freien Stücken mit einem geringen Verdienst begnügt, so dass auf eine "Parallelisierung" der Vergleichseinkommen zu verzichten sein. 
Die Beschwerdegegnerin bestreitet, freiwillig auf ein höheres Gehalt verzichtet zu haben. Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten entsprächen auch für Sekretariatsarbeiten nicht dem Anforderungsniveau 3, sondern bloss dem Anforderungsniveau 4 "einfache und repetitive Tätigkeiten" der LSE. Werde für das Invalideneinkommen auf das Niveau 3 abgestellt, müsse eine "Parallelisierung" erfolgen, bemesse man das Invalideneinkommen demgegenüber aufgrund des Niveaus 4, so könne auf eine solche "Parallelisierung" verzichtet werden. 
 
4.4 Unbestritten ist das Valideneinkommen von Fr. 60'791.-. Bei der Frage, ob ein Einkommen unterdurchschnittlich ist, ist auf die branchenspezifischen, gesamtschweizerischen Zahlen abzustellen (vgl. Urteil 8C_683/2009 vom 26. Februar 2010). Die Versicherte arbeitete seit 1. März 2000 als Sekretärin der Produktionsfirma X.________. Dabei handelt es sich um einen der grössten Produzenten von Y.________. Gemäss der TA1 der LSE 2008, Zeile 15, "Herst. v. Nahrungsmitteln u. Getränken" beträgt der Zentralwert des monatlichen Bruttolohnes für Frauen im Anforderungsniveau 3 Fr. 4'754.-. Umgerechnet auf ein Jahresgehalt und angespasst an die im Jahre 2008 übliche Arbeitszeit von 41.6 Stunden (vgl. die Tabelle B 9.2 in: Die Volkswirtschaft 9/2010, S. 98) ergibt sich somit ein durchschnittliches Einkommen von Fr. 59'330.-. Das Einkommen der Beschwerdegegnerin war somit selbst dann, wenn man vom Anforderungsniveau 3 ausgeht, nicht unterdurchschnittlich. 
 
4.5 Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, ist zur Ermittlung des Invalideneinkommens auf die Tabellenlöhne der LSE abzustellen. Auch die Wahl der Tabelle TA7 dieser Zusammenstellung und die Berücksichtigung einer wegen erhöhtem Pausenbedarf um 12,5 % reduzierten Leistungsfähigkeit ist nicht zu beanstanden. Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz ist der Beschwerdegegnerin jedoch kein zusätzlicher Abzug vom Tabellenlohn im Sinne von BGE 126 V 75 E. 5 S. 78 ff. einzuräumen: Wenn überhaupt, wirkte sich das fortgeschrittene Alter eher lohnfördernd aus (vgl. Urteil 8C_20/2011 vom 9. Juni 2011 E. 4.4). Gemäss bundesgerichtlicher Praxis ist im Weiteren kein solcher Abzug zu gewähren aufgrund des Umstandes, dass eine grundsätzlich vollzeitlich arbeitsfähige Person krankheitsbedingt lediglich reduziert leistungsfähig ist (Urteil 8C_20/2012 vom 4. April 2012 E. 3). Ein geringerer Verdienst als der Tabellenlohn ist schliesslich auch nicht aufgrund der Tatsache zu erwarten, dass die Versicherte als Bürokraft keine Überkopfarbeiten mehr erledigen kann. 
 
4.6 Nicht abschliessend geprüft zu werden braucht die von der Beschwerdegegnerin aufgeworfene Frage, ob ihre Kenntnisse für Sekretariatsarbeiten ausreichen, um einen Lohn gemäss dem Anforderungsniveau 3 der LSE zu erzielen: Selbst wenn man zu ihren Gunsten vom Anforderungsniveau 4 ausgehen würde, so ergäbe sich kein Invaliditätsgrad von mindestens 10 %: Der Ausgangslohn für das Jahr 2008 betrüge diesfalls Fr. 5'285.- pro Monat, mithin Fr. 63'420.- pro Jahr. Umgerechnet auf die im Jahre 2008 übliche Arbeitszeit von 41.6 Stunden und angepasst an eine 87,5%ige Leistungsfähigkeit ergäbe sich ein Invalideneinkommen von Fr. 57'772.20. Vergleicht man diesen Wert mit dem Valideneinkommen von Fr. 60'791.-, so resultiert eine Erwerbseinbusse von Fr. 3'078.80, mithin von rund 5 % des Valideneinkommens. Somit kann auch die Frage offenbleiben, ob eine allfällige Invalidenrente in Anwendung von Art. 36 Abs. 2 UVG wegen einer vorbestehenden Gesundheitsschädigung zu kürzen wäre. 
 
4.7 Da die Versicherte somit nicht zu mindestens 10 % invalid ist, hat sie keinen Anspruch auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung. Die Beschwerde der Generali ist demnach gutzuheissen und der kantonale Entscheid ist aufzuheben. 
 
5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Als unterliegende Partei hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 22. Mai 2012 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Generali Allgemeine Versicherungen AG vom 26. Mai 2011 bestätigt. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 4. Februar 2013 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Leuzinger 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold