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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_341/2007 
 
Urteil vom 4. April 2008 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Parteien 
Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 78, 5000 Aarau, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
F.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 5. Juni 2007. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1980 geborene F.________ meldete sich am 1. Juni 2006 zum Leistungsbezug bei der Arbeitslosenversicherung an. Am 2. August 2006 begann er bei der Firma H.________ AG eine Aushilfstätigkeit im Zwischenverdienst. Dieses unbefristete Arbeitsverhältnis auf Abruf kündigte er am 11. August 2006 per sofort. Die öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau stellte ihn deswegen mit Verfügung vom 20. September 2006 ab 12. August 2006 für die Dauer von 45 Tagen in der Anspruchsberechtigung ein. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 23. November 2006). 
 
B. 
In Gutheissung der hiegegen geführten Beschwerde hob das Versicherungsgericht des Kantons Aargau den Einspracheentscheid vom 23. November 2006 auf (Entscheid vom 5. Juni 2007). 
 
C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Arbeitslosenkasse Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids vom 5. Juni 2007. 
Staatssekretariat für Wirtschaft und F.________ haben auf eine Stellungnahme verzichtet. 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung stellt eine vom Bundesgericht ebenfalls zu korrigierende Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar (Seiler/von Werdt/Güngerich, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007 N 24 zu Art. 97). 
 
2. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über die Pflichten des Versicherten (Art. 17 und 16 AVIG), die Voraussetzungen der Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (Art. 30 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 44 Abs. 1 lit. b AVIV), insbesondere bei Aufgabe eines Zwischenverdienstes (Art. 24 AVIG; vgl. ARV 1998 Nr. 9 S. 41, C 104/02) und die verschuldensabhängige Dauer der Einstellung (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG, Art. 45 Abs. 2 AVIV) korrekt dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3. 
3.1 Die Vorinstanz hat im Wesentlichen erwogen, es müsse davon ausgegangen werden, dass die Sachverhaltsdarstellung des Versicherten zutreffe, wonach er am vierten und fünften Arbeitstag aufgrund fehlender Arbeit nach Hause geschickt worden sei. Diese Angaben würden von der ehemaligen Arbeitgeberin insofern bestätigt, als der von ihr zu Handen der Arbeitslosenkasse ausgestellten Zwischenverdienstbescheinigung vom 4. September 2006 zu entnehmen sei, dass der Beschwerdegegner seit 5. August 2006 nicht mehr gearbeitet und am 11. August 2006 per sofort gekündigt habe. Damit wurde gemäss vorinstanzlicher Schlussfolgerung das Arbeitsverhältnis nicht durch den Versicherten mittels fristloser Kündigung am 11. August 2006, sondern mangels Beschäftigungsmöglichkeit beendet, woraus ihm kein Verschulden erwachse. 
 
3.2 Die Beschwerdeführerin stellt sich dementgegen auf den Standpunkt, das Gericht habe den rechtserheblichen Sachverhalt unvollständig festgestellt und falsch gewürdigt, da aus der genannten Bescheinigung über den Zwischenverdienst vom 4. September 2006 hervorgehe, dass der Beschwerdegegner vom 7. bis 11. August 2006 krankheitsbedingt arbeitsunfähig gewesen war. Die Vorinstanz wäre verpflichtet gewesen, sich in Nachachtung des Untersuchungsgrundsatzes die Sachverhaltsschilderung des Versicherten im kantonalen Beschwerdeverfahren von der Arbeitgeberin bestätigen zu lassen, weshalb die Arbeitslosenkasse dies nachträglich abgeklärt habe. Laut Antwortschreiben der Firma H.________ AG vom 20. Juni 2007 habe der Versicherte, nachdem er bis Freitag, 4. August 2006 gearbeitet habe, am Montag, 7. August 2006 auf Nachfrage der Arbeitgeberin telefonisch mitgeteilt, er könne infolge Krankheit nicht arbeiten. Ein Arztzeugnis hätte er nicht vorlegen können. Daraufhin sei die schriftliche Kündigung vom 11. August 2006 bei der Unternehmung eingegangen. Mit Sicherheit sei der Beschwerdegegner nicht mangels Arbeit nach Hause geschickt worden; an den genannten Tagen sei er in der Firma nicht erschienen, vielmehr habe man aufgrund des grossen Produktionsdrucks vom Leiter des entsprechenden Produkte-Centers den Auftrag erhalten, sich über den Verbleib des Versicherten zu erkundigen. Es sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit der Möglichkeit einer späteren Festanstellung vereinbart worden. 
 
3.3 Die letztinstanzlichen Einwände sind stichhaltig und geeignet, die Sachverhaltsfeststellung des kantonalen Gerichts als eindeutig und somit zweifellos unrichtig erscheinen zu lassen (vgl. Ulrich Meyer, in: Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Basel 2008, N 57 zu Art. 105 BGG). Ob die letztinstanzlich neu eingereichte Stellungnahme der Arbeitgeberin vom 20. Juni 2007 als Novum zulässig ist, weil erst der vorinstanzliche Entscheid im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG Anlass dazu gegeben hat, kann dabei offen bleiben. Selbst wenn dieses neue Aktenstück nicht in die Beurteilung miteinbezogen werden könnte, würde sich am Ergebnis nichts ändern. Denn aus der gesamten Aktenlage geht eindeutig hervor, dass der Versicherte nicht wegen des geltend gemachten Arbeitsmangels seine Tätigkeit verloren hat. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob er krankheitsbedingt oder aus anderen Gründen der Arbeit fern geblieben war. Im Kündigungsschreiben vom 11. August 2006 führte der Versicherte Folgendes aus: "Wie sie sicher schon bemerkt haben, falle ich wegen Krankheit aus. Mittlerweilen bin ich aber wieder gesund. Da sich aber für mich kurzfristig eine neue berufliche Möglichkeit ergeben hat, die meinen Wünschen und Qualifikationen besser entspricht als die Tätigkeit bei Ihnen und ich dort durch den Vertrag auch deutlich besser abgesichert bin (....) kündige ich mit sofortiger Wirkung". Dies deckt sich mit seinen Angaben im Fragebogen der Arbeitslosenkasse vom 12. September 2006. Zur Frage nach den Gründen für die Auflösung der Zwischenverdiensttätigkeit führte der Beschwerdegegner sinngemäss aus, der Arbeitsvertrag habe nicht den anlässlich des Vorstellungsgesprächs gemachten Zusagen entsprochen. Es sei von einem höheren Stundenlohn die Rede gewesen, wie auch von einer Festanstellung. Auch werde das Salär der Aushilfskräfte verzögert ausbezahlt. Das Verbleiben an diesem Arbeitsplatz bis zum Finden einer neuen Anstellung sei nicht zumutbar gewesen, da die Tätigkeit nicht seinen Fähigkeiten und Produktekenntnissen entsprochen habe. Ein neuer Arbeitgeber hätte ihm ausserdem unter der Bedingung der sofortigen Verfügbarkeit ein mündliches Vorstellungsgespräch zugesagt, was ein weiterer Kündigungsgrund gewesen sei. Ein besser qualifizierter Bewerber habe dann die Stelle bekommen. Diese Schilderungen fügen sich insofern nahtlos in das übrige von den Akten vermittelte Bild ein, als der Beschwerdegegner im Formular "Angaben der versicherten Person für den Monat August 2006" vermerkte, vom 7. bis 11. August 2006 krank gewesen zu sein; beim selbst ausgestellten Arztzeugnis zu Handen der Arbeitslosenkasse (vom 12. September 2006) gab er sodann an, die krankheitsbedingte Abwesenheit ginge zu seinen Lasten. Er habe die Firma informiert, dass er nicht beim Arzt gewesen sei, weshalb der Lohnausfall vereinbarungsgemäss von ihm zu tragen gewesen sei. Dementsprechend begründete auch die Arbeitgeberin in der "Bescheinigung über den Zwischenverdienst" im Monat August 2006 die Absenzen vom 7. bis 11. August 2006 mit seiner Krankheit und nannte als Grund für die Vertragsauflösung - übereinstimmend mit den Angaben im Kündigungsschreiben -, der Beschwerdegegner habe kurzfristig eine ihm besser zusagende Stelle gefunden. Selbst im Einspracheverfahren rechtfertigte der Versicherte die Kündigung nicht mit fehlender Arbeit, sondern mit mangelnder Eignung für die branchenfremde Aushilfstätigkeit und der Aussicht auf ein weiteres Vorstellungsgespräch. Ausserdem hielt er den langen Arbeitsweg, der zwar innerhalb der arbeitslosenversicherungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze von zwei Stunden liege, aus ökologischer Sicht nicht für vertretbar. Im Weiteren wurde nochmals auf die um einen Monat verzögerte Lohnauszahlung bei Aushilfskräften sowie auf das arbeitgeberseitige Versprechen einer späteren Festanstellung hingewiesen und abschliessend bei (teilweiser) Schuldanerkennung ein geringeres Sanktionsmass gefordert. Im Lichte dieser widerspruchsfreien Aktenlage ist der späte, erst im vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren vorgebrachte Einwand, er habe keine Arbeit mehr zugewiesen erhalten, sodass er zweimal vergebens zur Arbeitsstelle gefahren sei, worauf ihm der zuständige RAV-Berater zur Vertragsauflösung geraten habe, nach der Beweismaxime der sogenannten "Aussage der ersten Stunde" (vgl. BGE 121 V 45 E. 2a S. 47 mit Hinweisen) unglaubwürdig und mit der gesamten Aktenlage nicht in Einklang zu bringen. Wenn das kantonale Gericht bei dieser klaren Sachlage einzig gestützt auf die Vorbringen in der vorinstanzlichen Beschwerde zum Schluss kam, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei nicht auf die Kündigung des Versicherten, sondern auf die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit zurückzuführen gewesen, weshalb ihn kein Verschulden treffe, ist seine Sachverhaltsfeststellung und der daraus gezogene rechtliche Schluss offensichtlich unrichtig, weshalb das Bundesgericht daran nicht gebunden ist (E. 1). Unzumutbarkeitsgründe nach Art. 16 Abs. 2 AVIG liegen sodann keine vor. Mit Blick auf die dem Versicherten obliegende Schadenminderungspflicht war das Arbeitsverhältnis auf Abruf als Zwischenverdienst durchaus zumutbar gewesen (vgl. hiezu: ARV 1997 Nr. 38 S. 209; zur Zulässigkeit der Arbeit auf Abruf: BGE 124 III 249 E. 2a S. 250), ebenso hätten die ihm nach Art. 24 AVIG allenfalls zustehenden Kompensationsleistungen der Arbeitslosenversicherung einen Minderverdienst ausgeglichen. Selbst wenn sich der Versicherte hinsichtlich der neuen Tätigkeit inkompetent gefühlt hat, hätte dies die Zwischenverdiensttätigkeit nicht unzumutbar gemacht. Mit der verschuldeten Auflösung derselben hat der Beschwerdegegner seine in Art. 17 Abs. 1 AVIG statuierte Schadenminderungspflicht verletzt, was grundsätzlich eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG in Verbindung mit Art. 44 lit. b AVIV zur Folge hat. Die von der Arbeitslosenkasse unter der Annahme eines schweren Verschuldens auf 45 Tagen festgelegte Einstellungsdauer ist nicht zu beanstanden, da sie damit weder ihr Ermessen missbraucht, noch unter- oder überschritten hat. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 5. Juni 2007 aufgehoben. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Aargau und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt. 
Luzern, 4. April 2008 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Polla