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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_865/2017  
 
 
Urteil vom 4. Juni 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Schweizerische Ausgleichskasse SAK, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung 
(Altersrente; Erziehungsgutschrift), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2017 
(C-4853/2017). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
 
A.a. A.________, Vater von vier Kindern (geb. 1971, 1976, 2001 und 2005), meldete sich im Februar 2011 zum Bezug einer Altersrente der AHV an. Mit Einspracheentscheid vom 2. September 2011 sprach ihm die Schweizerische Ausgleichskasse (SAK) eine ordentliche Altersrente mit Wirkung ab 1. Februar 2006 zu. Der Rentenberechnung legte sie 19 Beitragsjahre und ein massgebendes durchschnittliches Jahreseinkommen von Fr. 25'056.- zugrunde. M it Entscheid vom 16. Dezember 2013 hob das Bundesverwaltungsgericht diesen Verwaltungsakt auf und wies die Sache im Sinne der Erwägungen zum Erlass einer neuen Verfügung an die SAK zurück.  
 
A.b. Mit Einspracheentscheid vom 6. März 2015 setzte die SAK die Altersrente neu fest. Der Berechnung legte sie u.a. Erziehungsgutschriften für 10,5 Jahre zugrunde. Die hiegegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 14. September 2016 ab, soweit es darauf eintrat. Dieses Erkenntnis hob das Bundesgericht mit Urteil 9C_726/2016 vom 17. August 2017 aus formellen Gründen auf und wies d ie Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.   
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht die in Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus dem Recht gewiesenen Eingaben des A.________ vom 20. und 22. März 2016 zu den Akten genommen hatte, wies es die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 6. März 2015 erneut ab, soweit es darauf eintrat (Entscheid vom 18. Oktober 2017). 
 
B.   
A.________ erhebt Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2017 und beantragt, dass 2002 und 2003 als Erziehungsjahre für sein 2001 geborenes Kind berücksichtigt werden. 
Die SAK ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG) Die Feststellung des Sachverhalts (durch die Vorinstanz; Art. 105 Abs. 1 BGG) kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig [wie die Beweiswürdigung willkürlich; BGE 142 II 433 E. 4.4 S. 444] ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Unter den zweiten Tatbestand fällt namentlich die unvollständige (gerichtliche) Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen (Art. 61 lit. c ATSG; BGE 135 V 23 E. 2 S. 25). 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dabei prüft es unter Berücksichtigung der Begründungspflicht der Parteien (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG sowie Art. 106 Abs. 2 BGG) nur die gerügten Rechtsverletzungen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; 134 I 313 E. 2 S. 315; 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). 
 
2.   
Streitgegenstand ist die Altersrente der AHV des Beschwerdeführers ab 1. Februar 2006. Es stellt sich einzig die Frage, ob bei der Berechnung der Rente für 2002 und 2003 Erziehungsgutschriften nach Art. 29quater lit. b und Art. 29sexies AHVG für das 2001 geborene jüngste Kind anzurechnen sind, was die Vorinstanz abgelehnt hat. 
 
3.   
Die Vorinstanz hat erwogen, sie habe im Rückweisungsentscheid vom 16. Dezember 2013 in grundsätzlich verbindlicher Weise festgehalten, dass sich der Wohnsitz des Beschwerdeführers in der Zeit von 1938 bis 1997 dauerhaft in der Schweiz befunden habe. Die Frage der Unterstellungsdauer unter die schweizerische AHV sei demnach bereits in diesem Entscheid rechtsverbindlich abgeklärt worden. Gegenstand des damaligen Beschwerdeverfahrens sei zudem auch die Anrechnung von Erziehungsgutschriften gewesen. Dabei sei sie zum Schluss gekommen, dass die Beschwerdegegnerin bei der Neuberechnung der Altersrente für die 1971 und 1976 geborenen Kinder bis zu deren 16. Altersjahr Erziehungsgutschriften zu berücksichtigen habe. Damit stehe fest, dass sie zur Frage der Anrechnung von Erziehungsgutschriften bereits abschliessend und verbindlich Stellung genommen habe. Die entsprechenden Erwägungen nähmen aufgrund des expliziten Verweises im Dispositiv an der (formellen) Rechtskraft des Entscheids vom 16. Dezember 2013 teil. Es könnten daher grundsätzlich keine weiteren Erziehungsgutschriften berücksichtigt werden, es sei denn, die Voraussetzungen der prozessualen Revision nach Art. 45 VVG wären mit Bezug auf die Eingaben vom 20. und 22. März 2016 erfüllt. Die Vorinstanz hat die Frage verneint: 
Zum einen wäre es dem Beschwerdeführer ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen, seine neu vorgebrachte Argumentation bezüglich der Wohnsitzdauer in der Schweiz (nach der Scheidung von der ersten Frau 1997 bzw. nach der Heirat mit der zweiten Frau und Mutter des 2001 geborenen Kindes) und der Anrechnung von Erziehungsgutschriften bereits im ersten Beschwerdeverfahrens vorzubringen. Zum andern begründe er in keiner Weise, inwiefern es sich bei seiner Berufung auf den geltend gemachten Wohnsitz in der Schweiz bis 2004 um eine neue Tatsache (im Sinne von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG) handeln soll; die Eingaben vom März 2016 genügten somit nicht den Anforderungen an ein Revisionsbegehren, sodass hierauf nicht einzutreten sei. Im Übrigen sei die Prozessführung des Beschwerdeführers insofern widersprüchlich, als er im ersten Beschwerdeverfahren noch behauptet habe, der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen und damit sein Wohnsitz sei im Zeitpunkt seiner zweiten Heirat 1998 nicht mehr in U.________ gewesen, während er im vorliegenden Verfahren genau das Gegenteil geltend mache. Dieses Vorgehen sei im Sinne eines "venire contra factum proprium" als rechtsmissbräuchlich zu werten und verdiene keinen Rechtsschutz. 
 
4.   
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Frage des Wohnsitzes in der Schweiz im Zeitraum von 1997 bis 2003 sei nicht Gegenstand des ersten Beschwerdeverfahrens gewesen. Sinngemäss sei dazu im Entscheid vom 16. Dezember 2013 denn auch nichts gesagt worden. Er habe mehrmals die Nicht-Gewährung von Erziehungsgutschriften für 2002 und 2003 beanstandet, erstmals im August 2014. Die Vorinstanz habe seine Darstellung des Sachverhalts formal-juristisch umschifft. 
 
5.  
 
5.1. Streitgegenstand im System der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege meint das - im Rahmen des durch die Verfügung oder den Einspracheentscheid bestimmten Anfechtungsgegenstandes - geregelte und beschwerdeweise angefochtene Rechtsverhältnis (BGE 125 V 413 E. 1b S. 414). Es wird bei Sozialversicherungsleistungen u.a. durch die versicherungsmässigen Voraussetzungen, die Bemessungsfaktoren und durch die Berechnungsgrundlagen bestimmt. Dazu gehören bei Altersrenten der AHV namentlich die Erziehungsgutschriften (Art. 29bis ff. und Art. 29sexies AHVG). Diese Elemente ("Teilaspekte") des den Streitgegenstand bildenden Rechtsverhältnisses dienen in der Regel lediglich der Begründung der Verfügung oder des Einspracheentscheids und sind daher grundsätzlich nicht selbständig anfechtbar. Sie können folgerichtig erst als rechtskräftig beurteilt und damit der richterlichen Überprüfung entzogen gelten, wenn über den Streitgegenstand insgesamt rechtskräftig entschieden worden ist (BGE 125 V 413 E. 2b S. 416).  
 
5.2.  
 
5.2.1. Die Erwägungen in Rückweisungsentscheiden von Vorinstanzen des Bundesgerichts, auf welche im Dispositiv verwiesen wird, sind für die Behörde, an welche die Sache zurückgewiesen wird, bei Nichtanfechtung verbindlich; sie haben, soweit sie zum Streitgegenstand (hier: Altersrente der AHV; E. 2) gehören, an der formellen Rechtskraft teil (BGE 113 V 159; Urteil 8C_272/2011 vom 11. November 2011 E. 1.3, nicht publ. in: BGE 137 I 327, aber in: SVR 2012 IV Nr. 26 S. 107). Diese Bindungswirkung gilt auch für die Vorinstanz selber bei erneuter Befassung mit der Sache, für das Bundesgericht hingegen nur, wenn und soweit der Entscheid selbständig anfechtbar war bzw. gewesen wäre (Urteile 9C_243/2017 vom 2. Juni 2017 E. 3.1.2 und 1C_123/2015 vom 3. Juni 2015 E. 3-4).  
 
5.2.2. Ein Rückweisungsentscheid schliesst das Verfahren nicht ab und ist grundsätzlich kein Endentscheid nach Art. 90 BGG, selbst wenn darin eine materielle Grundsatzfrage entschieden, namentlich ein das streitige Rechtsverhältnis bestimmender Teilaspekt festgelegt wird. Er ist ein Zwischenentscheid nach Art. 93 BGG, der nur unter den Voraussetzungen von Abs. 1 lit. a oder lit. b selbständig angefochten werden kann (BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481). Lediglich wenn der Rückweisungsentscheid der unteren Instanz, an welche zurückgewiesen wird, keinen Entscheidungsspielraum mehr belässt, es einzig noch um die Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten geht, handelt es sich um einen Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG (BGE 134 II 124 E. 1.3 S. 127; Urteil 9C_171/2012 vom 23. Mai 2012 E. 3.1, in: SVR 2012 AHV Nr. 15 S. 55).  
 
5.3.  
 
5.3.1. Dispositiv-Ziffer 1 des Entscheids vom 16. Dezember 2013 hob den angefochtenen Einspracheentscheid vom 2. September 2011 auf und wies die Sache im Sinne der Erwägungen zum Erlass einer neuen Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurück. Die Vorinstanz war u.a. zum Ergebnis gelangt und hielt fest (E. 3), der Beschwerdeführer habe in der Zeit von 1938 bis 1997 seinen zivilrechtlichen Wohnsitz dauernd in der Schweiz gehabt (E. 3.2); da er auch ab 1980 bei der AHV versichert gewesen sei, seien ihm Erziehungsgutschriften für die 1971 und 1976 geborenen Kinder bis zu deren 16. Altersjahr anzurechnen (E. 6.2); zusammenfassend bestehe nur hinsichtlich des im Jahr 1966 erzielten Einkommens resp. der daraus resultierenden Beitragsdauer weiterer Abklärungsbedarf (E. 9.2.5).  
 
5.3.2. Die Vorinstanz hatte sich im Entscheid vom 16. Dezember 2013 mangels diesbezüglicher Vorbringen in der Beschwerde weder zum Wohnsitz in der Schweiz im Zeitraum von 1997 bis 2003 noch zur Anrechnung von Erziehungsgutschriften für 2002 und 2003 für das 2001 geborene Kind aus zweiter Ehe geäussert. Es kann offenbleiben, ob Anlass bestanden hätte, diese Punkte in die Prüfung miteinzubeziehen (vgl. BGE 125 V 413 E. 2c S. 417). So oder anders handelt es sich beim Wohnsitz (-erfordernis) in der Schweiz und bei den Erziehungsgutschriften um Teilaspekte des Streitgegenstand bildenden Anspruchs auf eine Altersrente der AHV (E. 5.1). Als solche können sie im zweiten Umgang für das Bundesgericht nur dann verbindlich und damit einer Überprüfung entzogen sein, wenn der Rückweisungsentscheid vom 16. Dezember 2013 anfechtbar gewesen wäre (E. 5.2.2). Das ist zu verneinen:  
Zum einen hatte die Beschwerdegegnerin weitere Abklärungen betreffend das Jahr 1966 vorzunehmen, bevor sie über die Altersrente neu verfügen konnte. Es kann somit nicht gesagt werden, die Rückweisung habe ihr keinen Entscheidungsspielraum mehr belassen, sodass von einem Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG auszugehen wäre. Zum andern waren die Voraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 lit. a oder lit. b BGG nicht gegeben: Weder war der Rückweisungsentscheid für den Beschwerdeführer mit einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil verbunden noch stand ein aufwändiges Beweisverfahren bevor (vgl. auch Urteil 1C_123/2015 vom 3. Juni 2015 E. 3.1). Unter diesen Umständen kann es dem Beschwerdeführer nicht zum Nachteil gereichen, dass er erst nach dem Rückweisungsentscheid vom 16. Dezember 2013 Wohnsitz in der Schweiz im Zeitraum von 1997 bis 2003 geltend machte und die Anrechnung von Erziehungsgutschriften für 2002 und 2003 für das 2001 geborene Kind geltend machte (E. 4). 
 
5.4. Der rechtserhebliche Sachverhalt ist in Bezug auf die Frage, ob der Beschwerdeführer im Zeitraum von 1997 bis 2003 Wohnsitz in der Schweiz hatte, sowie die Anrechnung von Erziehungsgutschriften für 2002 und 2003 für das 2001 geborene Kind aus zweiter Ehe unvollständig festgestellt. Die Vorinstanz wird dies nachzuholen haben und danach neu entscheiden. In diesem Sinne ist die Beschwerde begründet.  
 
6.   
Ausgangsgemäss wird die Beschwerdegegnerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2017 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an dieses zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. Juni 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Fessler