Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_554/2010 
 
Urteil vom 4. August 2010 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Leuzinger, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiberin Hofer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
P.________, vertreten durch 
Rechtsanwalt Urs Hochstrasser, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 19. Mai 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Verfügung vom 27. November 2009 stellte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) die an P.________ zuvor für die Folgen eines bei einer Auffahrkollision erlittenen Schleudertraumas der Halswirbelsäule erbrachten Versicherungsleistungen auf den 30. November 2009 hin ein, da die noch geklagten Beschwerden organisch nicht hinreichend nachweisbar seien und nach Prüfung der massgebenden Kriterien die Adäquanz zu verneinen sei. Die Verfügung wurde dem Rechtsvertreter der Versicherten am 3. Dezember 2009 zugestellt. Mit Schreiben vom 21. Januar 2010 ersuchte dieser die SUVA um Wiederherstellung der Einsprachefrist. Zur Begründung führte er an, dass er wegen einer Grippe vom 14. bis 20. Januar 2010 vollständig arbeitsunfähig gewesen und daher unverschuldetermassen davon abgehalten worden sei, die am 18. Januar 2010 abgelaufene Einsprachefrist einzuhalten. Mit Eingabe vom 2. Februar 2010 reichte er der SUVA ein Zeugnis seines behandelnden Arztes nach. Daraufhin erhob er am 17. Februar 2010 für seine Mandantin Einsprache und ergänzte sein Fristwiederherstellungsgesuch. Mit Einspracheentscheid vom 24. Februar 2010 wies die SUVA das Fristwiederherstellungsgesuch ab und trat auf die Einsprache nicht ein. 
 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 19. Mai 2010 ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde lässt P.________ beantragen, dem Fristwiederherstellungsgesuch sei stattzugeben, und die SUVA sei zu verpflichten, auf die Einsprache vom 7. (recte: 17.) Februar 2010 einzutreten. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Im Rahmen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist die Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts in tatsächlicher Hinsicht dahingehend eingeschränkt, dass es die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen kann, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 lit. a und b BGG prüft das Bundesgericht demgegenüber grundsätzlich frei. Die ausnahmsweise uneingeschränkte bundesgerichtliche Sachverhaltskontrolle gemäss Art. 97 Abs. 2 BGG (vgl. auch Art. 105 Abs. 3 BGG) gelangt in casu nicht zur Anwendung, betrifft die vorliegende Rechtsstreitigkeit doch zwar grundsätzlich den Sozialversicherungszweig der Unfallversicherung nach UVG, erfasst aber nicht die - für eine Anwendung der Ausnahmeregelung erforderliche - "Zusprechung oder Verweigerung" von Geldleistungen (SVR 2009 UV Nr. 25 S. 90, 8C_767/2008 E. 2). 
 
2. 
Im angefochtenen Entscheid wird Art. 41 ATSG, wonach eine Frist wieder herzustellen ist, wenn die gesuchstellende Person oder ihre Vertretung unverschuldeterweise abgehalten worden ist, binnen Frist zu handeln und sofern sie unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung nachholt, sowie die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 112 V 255; SVR 2009 UV Nr. 25 S. 90, 8C_767/2008 E. 5.3.1; 2C_401/2007 E. 3.3) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3. 
Nach den Feststellungen des kantonalen Gerichts hat der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin am 12. Januar 2010 einen Fieberschub mit Temperaturen von über 38 Grad verbunden mit Schüttelfrost erlitten und daraufhin einen Arzt aufsuchen müssen. Dieser habe mit Zeugnis vom 21. Januar 2010 für die Dauer vom 14. bis 20. Januar 2010 eine 100 prozentige Arbeitsunfähigkeit attestiert, ohne indessen Angaben zur Art der Erkrankung und zur konkreten krankheitsbedingten Leistungseinschränkung mit Blick auf eine fristwahrende Handlung zu machen. Nach Angaben des Rechtsanwalts habe es sich um eine akute Magen-Darm-Infektion gehandelt. Weiter hat das kantonale Gericht erwogen, es sei nicht belegt, dass während der fraglichen Zeit gänzliche Handlungsunfähigkeit bestanden habe oder es nicht möglich gewesen wäre, die nötigen fristwahrenden Rechtshandlungen vorzunehmen oder wenigstens eine Hilfsperson damit zu betrauen, zumal sich die Erkrankung bereits am 12. Januar 2010 - und somit vor der ärztlich bescheinigten vollständigen Arbeitsunfähigkeit - angekündigt habe. 
 
4. 
4.1 Inwieweit der angefochtene Entscheid auf einem offensichtlich unrichtig oder in Verletzung von Bundesrecht festgestellten Sachverhalt beruhen soll, wird von der Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar dargetan. Eine Verletzung von Art. 97 und 105 BGG ist daher nicht ersichtlich. 
 
4.2 Der Beschwerdeführerin ist darin beizupflichten, dass eine Magen-Darm-Infektion geeignet sein kann, eine Arbeitsunfähigkeit zu indizieren und es der davon betroffenen Person zu verunmöglichen, selber Rechtshandlungen vorzunehmen. Ein Krankheitszustand bildet jedoch nur dann ein unverschuldetes, zur Wiederherstellung führendes Hindernis, wenn und solange er jegliches auf die Fristwahrung gerichtetes Handeln verunmöglicht. Die Erkrankung muss derart sein, dass der Rechtsuchende durch sie davon abgehalten wird, selber innert Frist zu handeln oder eine Drittperson mit der Vornahme der Prozesshandlung zu betrauen. Dass es sich so verhält, muss mit einschlägigen Arztzeugnissen belegt werden, wobei die blosse Bestätigung eines Krankheitszustandes und regelmässig selbst einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit zur Anerkennung eines Hindernisses nicht genügt (Urteil 6B_230/2010 vom 15. Juli 2010 E. 2.2). Dies gilt auch mit Bezug auf die vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin erlittene Magen-Darmgrippe, welche zu keiner ärztlich attestierten, gänzlichen Handlungsunfähigkeit geführt hat (in diesem Sinne auch die Urteile 9C_226/2010 vom 9. April 2010 und SVR 2009 UV Nr. 25 S. 90, 8C_767/2008 E. 5.3.2). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin besteht kein Anlass, die Gerichtspraxis zu Art. 41 ATSG zu präzisieren oder zu entschärfen. Auch ein Rechtsvertreter, der seine Anwaltspraxis alleine führt, muss sich so organisieren, dass die Fristen im Falle einer Verhinderung gewahrt bleiben. 
 
4.3 Nach Meinung der Beschwerdeführerin verstösst die Vorgehensweise der Beschwerdegegnerin gegen das Vertrauensprinzip (Art. 5 und 9 BV), den Vertrauensschutz gemäss Art. 27 ATSG und das Fairnessprinzip gemäss Art. 6 EMRK. Gestützt auf das Telefonat vom 2. Februar 2010 mit dem Anwalt der SUVA und die entsprechenden Korrespondenzen habe ihr Rechtsvertreter davon ausgehen können, dass die Frist wiederhergestellt werde. Mit diesem bereits vor Vorinstanz vorgebrachten Einwand habe sich das kantonale Gericht nicht auseinandergesetzt. Dies trifft jedoch nicht zu, hat doch das Versicherungsgericht ausdrücklich festgehalten, Weiterungen zu diesem Punkt würden sich erübrigen, da es am Kausalzusammenhang zwischen dem Fristversäumnis und der erst nach Fristablauf ergangenen Auskunft und damit an den Voraussetzungen für einen Vertrauensschutz fehle. Auf die schlüssigen Ausführungen im angefochtenen Entscheid kann verwiesen werden. 
 
4.4 Damit ergibt sich, dass die Vorinstanz mit der Ablehnung der Wiederherstellung der Einsprachefrist wegen Krankheit des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin kein Bundesrecht verletzt hat. 
 
5. 
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. Bei diesem Ergebnis hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 4. August 2010 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Leuzinger Hofer