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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
8C_457/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 4. September 2013  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin, 
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiberin Fleischanderl. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,  
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
G.________, vertreten durch 
Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des 
Kantonsgerichts Luzern vom 6. Mai 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Dem 1963 geborenen G.________ wurde auf Grund der Folgen eines am 18. September 1995 erlittenen Auffahrunfalles (Schleudertrauma der Halswirbelsäule mit mittelschwerem zervikozephalem Schmerzsyndrom) mit Verfügung der IV-Stelle Luzern vom 27. Januar 1998 rückwirkend ab 1. September 1996 eine ganze Invalidenrente zugesprochen. Nach zwei unveränderte Verhältnisse feststellenden Rentenrevisionsverfahren (Mitteilungen vom 14. Februar 2006 und 10. November 2008) leitete die Verwaltung Ende Oktober 2011 erneut eine Überprüfung ein. Unter Hinweis auf lit. a Abs. 1 der per 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen der Änderung des IVG vom 18. März 2011 (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket [AS 2011 5659; BBl 2011 2723 und 2010 1817]; nachfolgend: SchlB IVG) wurde die bisherige Rente am 2. Juli 2012 nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verfügungsweise auf 1. September 2012 eingestellt. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern (heute: Kantonsgericht Luzern) mit Entscheid vom 6. Mai 2013 dahin gehend gut, dass es die angefochtene Verfügung aufhob und die IV-Stelle verpflichtete, G.________ weiterhin eine ganze Rente auszurichten. 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und ersucht um Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids. Ferner sei dem Rechtsmittel die aufschiebende Wirkung zu erteilen. 
 
Das erstinstanzliche Gericht und G.________ schliessen auf Abweisung der Beschwerde Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist auf Grund der Vorbringen in der Beschwerde an das Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG; vgl. dazu BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 II 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft es - unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) - grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254 mit Hinweisen).  
 
2.   
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdegegner weiterhin Anspruch auf eine Invalidenrente hat. Dies wird seitens der Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf lit. a Abs. 1 SchlB IVG verneint.  
 
2.2. Gemäss lit. a Abs. 1 SchlB IVG, gültig seit 1. Januar 2012, werden Renten, die bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage (sog. PÄUSBONOG; Urteil [des Bundesgerichts] 8C_1014/2012 vom 3. Juli 2013 E. 7.2.1; vgl. auch Rumo-Jungo/Holzer, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Unfallversicherung, 4. Aufl. 2012, S. 132) gesprochen wurden, innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Änderung überprüft. Sind die Voraussetzungen nach Art. 7 ATSG nicht erfüllt, so wird die Rente herabgesetzt oder aufgehoben, auch wenn die Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 1 ATSG nicht erfüllt sind. Abs. 4 der Bestimmung präzisiert, dass Abs. 1 keine Anwendung findet auf Personen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung das 55. Altersjahr zurückgelegt haben oder im Zeitpunkt, in dem die Überprüfung eingeleitet wird, seit mehr als 15 Jahren eine Rente der Invalidenversicherung beziehen.  
 
3.   
 
3.1. Zu beurteilen ist auf Grund des Wortlauts von lit. a Abs. 4 SchlB IVG, ob massgeblicher Anknüpfungspunkt für den Tatbestand, wonach Abs. 1 der Norm nicht für Personen gilt, die seit mehr als 15 Jahren eine Rente der Invalidenversicherung beziehen, der Beginn des Rentenanspruchs oder der Zeitpunkt des Verfügungserlasses bildet.  
 
3.2.   
 
3.2.1. Das Bundesgericht hat sich im zur Publikation vorgesehenen Urteil 8C_324/2013 vom 23. August 2013 (E. 4) eingehend mit dieser Frage befasst. Es ist dabei als Ergebnis einer insbesondere das historische/geltungszeitliche sowie teleologische Element berücksichtigenden Auslegung der fraglichen Bestimmung zum Schluss gelangt, dass einzig das Abstellen auf den Anspruchsbeginn dem Kernanliegen der darin verankerten Besitzstandsgarantie - Gewährleistung von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz sowie Vermeidung aussichtsloser Eingliederungsversuche - Rechnung trage. Es handle sich dabei um einen klar terminierten Fixpunkt, welcher die effektive Anspruchsbegründung markiere und damit das alleinige taugliche Anknüpfungskriterium darstelle. Nur dieser vermöge die lange währende, auf 15 Jahre bezifferte Absenz vom Arbeitsmarkt und die sich daraus ergebende faktische Aussichtslosigkeit von (Wieder-) Eingliederungsmassnahmen zu belegen. Dem von diversen Faktoren abhängigen, zufälligen Verfügungszeitpunkt hafte demgegenüber stets etwas Willkürliches an.  
 
3.2.2. Diese Überlegungen treffen auch auf den vorliegenden Fall zu. Es sind keine Argumente ersichtlich, welche eine andere Sichtweise als überzeugender erscheinen liessen. Da der Beschwerdegegner seit 1. September 1996 eine Rente der Invalidenversicherung bezieht, fällt eine Aufhebung im Sinne von lit. a Abs. 1 SchlB IVG gestützt auf Abs. 4 der Bestimmung folglich ausser Betracht. Anzumerken gilt es, dass, was den in lit. a Abs. 4 SchlB erwähnten Zeitpunkt der Einleitung der Überprüfung anbelangt ("... oder im  Zeitpunkt, in dem die Überprüfung eingeleitet wird, seit mehr als 15 Jahren eine Rente der Invalidenversicherung bezieht."), die Voraussetzung des 15-jährigen Rentenbezugs mit der Vorinstanz gegeben ist sowohl für den Fall, dass diesbezüglich auf die Einleitung des Revisionsverfahrens Ende Oktober 2011 abgestellt würde, wie auch für die Annahme der dem Beschwerdegegner erst mit Vorbescheid vom 18. Mai 2012 zur Kenntnis gebrachten Überprüfung der laufenden Rente gemäss lit. a Abs. 1 SchlB IVG.  
 
4.   
 
4.1. Zu keinem anderen Resultat führt sodann der Einwand der Beschwerdeführerin, die Tatsache, wonach der Beschwerdegegner seit 1994 zumindest teilzeitlich eine berufliche Aufgabe wahrgenommen habe, verdeutliche, dass er im Zeitpunkt der Einleitung der Revision gemäss SchlB IVG noch nicht über 15 Jahre aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden gewesen sei.  
 
4.2. Im erwähnten Urteil 8C_324/2013 (E. 5) hat sich das Bundesgericht auch zu dieser Problematik geäussert und festgestellt, dass lit. a Abs. 4 SchlB IVG einen kategorischen Ausschluss derjenigen Personen vorsehe, die über 15 Jahre Rentenleistungen bezogen hätten. Aus diesem Umstand allein sei zu schliessen, dass allfällige Wiedereingliederungsversuche faktisch zwecklos seien. Weitere Anforderungen an die Eingliederungsunwirksamkeit, insbesondere ein vollständiges Fernbleiben vom Arbeitsmarkt über den gesamten Zeitraum, würden nicht gestellt. Als eingliederungsunwirksam werde vom Gesetzgeber somit offenbar nicht nur der Versuch gewertet, jemanden nach 15 Jahren vollständigen Ausscheidens aus dem Arbeitsprozess wieder einzugliedern, sondern auch jener, bei teilweiser Absenz das Pensum nach eben dieser Dauer wieder aufzustocken. Der Invaliditätsgrad, auf Grund dessen die Bezüger eine Rente erhielten - und damit die Höhe der Leistung -, stelle mithin kein taugliches Kriterium dar, das ein Abweichen vom klaren Wortlaut erlaubte. Das Instrument der eingliederungsorientierten Rentenrevision, welches mit dem Inkrafttreten der 6. IVG-Revision zu greifen begonnen habe und mit dem die Wiedereingliederung aktiv gefördert werde, indem Rentenbezügerinnen und -bezüger mit Eingliederungspotenzial durch persönliche Beratung, Begleitung und weitere spezifische Massnahmen gezielt auf eine Wiedereingliederung vorbereitet würden (Urteil [des Bundesgerichts] 9C_228/2010 vom 26. April 2011 E. 3.3 in fine mit Hinweisen, in: SVR 2011 IV Nr. 73 S. 220), erweise sich daher bei der generellen - losgelöst von den in Art. 17 Abs. 1 ATSG festgehaltenen Revisionsvoraussetzungen statthaften - Überprüfung von Renten gemäss lit. a Abs. 1 SchlB IVG als unbehelflich, sofern eines der beiden Abgrenzungskriterien nach Abs. 4 der Norm gegeben sei.  
 
Es hat damit beim vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden. 
 
5.   
Mit dem Entscheid in der Hauptsache ist die Frage der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegenstandslos (Urteil [des Bundesgerichts] 9C_922/2008 vom 16. Januar 2009 E. 5 mit Hinweis). 
 
6.   
Die Gerichtskosten sind von der unterliegenden Beschwerdeführerin zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Sie hat dem anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner ferner eine dem letztinstanzlichen Arbeitsaufwand entsprechende Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. September 2013 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Leuzinger 
 
Die Gerichtsschreiberin: Fleischanderl