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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_495/2012  
   
   
 
 
 
Urteil vom 4. Oktober 2012  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Borella, Kernen, 
Gerichtsschreiber Scartazzini. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Walter A. Stöckli, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Uri, 
Dätwylerstrasse 11, 6460 Altdorf, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Obergerichts des Kantons Uri 
vom 4. Mai 2012. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Nachdem das Obergericht des Kantons Uri eine Ablehnungsverfügung der IV-Stelle Uri vom 23. Januar 2007 aufgehoben und die Sache zur Aktenergänzung an das Durchführungsorgan zurückgewiesen hatte (Entscheid vom 25. Januar 2008), verneinte die Durchführungsstelle nach Einholung eines MEDAS-Gutachtens vom 15. Februar 2011 erneut einen Rentenanspruch der 1969 geborenen A.________ (Verfügung vom 31. August 2011). 
 
B.   
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht, nach Durchführung einer mündlichen Schlussverhandlung, mit Entscheid vom 4. Mai 2012 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, es sei ihr eine - in der Eventualabfolge - ganze, Dreiviertels-, halbe oder Viertels-Invalidenrente zuzusprechen, dies unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides. 
Während Obergericht und Durchführungsstelle auf Abweisung der Beschwerde schliessen, hat das Bundesamt für Sozialversicherungen von einer Vernehmlassung abgesehen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Kognition des Bundesgerichts ist in Streitigkeiten um Leistungen der Invalidenversicherung auf eine Rechtskontrolle beschränkt (Art. 95 lit. a BGG). Würdigung und Feststellung der dem streitigen Leistungsanspruch zu Grunde liegenden Tatsachen, wie z.B. die Entscheidung über die Arbeits (un) fähigkeit (BGE 132 V 393), können vom Bundesgericht nur auf Unvollständigkeit oder offensichtliche Unrichtigkeit (Unhaltbarkeit, Willkür; vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG sowie BGE 135 II 145 E. 8.1 S. 153; 135 III 127 E. 1.5 S. 130; 134 V 53 E. 4.3 S. 62, 129 I 8 E. 2.1 S. 9; 120 Ia 31 E. 4b S. 40) geprüft werden. 
 
2.  
 
2.1. Im Lichte dieser kognitionsrechtlichen Grundsätze ist allein zu prüfen, ob das kantonale Gericht zur Beurteilung und definitiven Verneinung des Rentenanspruches abschliessend auf das interdisziplinäre MEDAS-Gutachten vom 15. Februar 2011 abstellen durfte. Während das kantonale Gericht dies im Rahmen einer als solche nicht bundesrechtswidrigen Beweiswürdigung, insbesondere auch unter Berücksichtigung der ergangenen RAD-Stellungnahmen, bejaht hat, bestreitet dies die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf eine Stellungnahme des Dr. med. F.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 16. August 2011 zum MEDAS-Gutachten sowie weiterer Einwendungen, welche dieser Arzt, in seiner Eigenschaft als Parteigutachter, zum MEDAS-Gutachten und den RAD-Stellungnahmen verfasst hat (vgl. seine Eingaben an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin vom 5. und 29. September 2011).  
 
2.2. Mit BGE 137 V 210 hat das Bundesgericht die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Einholung von MEDAS-Gutachten durch die Invalidenversicherung neu konkretisiert.  In casu wurde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 21. Mai 2010 zur MEDAS-Begutachtung aufgeboten, deren psychiatrisch-psychologische, neurologische und rheumatologische Untersuchungen am 3., 17. und 24. Juni 2010 erfolgten; das Gutachten seinerseits datiert vom 15. Februar 2011. In Anbetracht dieses Verfahrensablaufs konnten die Mitwirkungsrechte der versicherten Person nach der neuen Rechtsprechung (BGE 137 V 210 E. 3.4.2.6 S. 256 und E. 3.4.2.9 S. 258) demnach noch nicht zum Tragen kommen. Zwar führt dieser Umstand, wie die Vorinstanz an sich zu Recht festgehalten hat (angefochtener Entscheid S. 16 E. 6e, f), nicht zwangsläufig zu einer neuen Begutachtung; denn es wäre unverhältnismässig, wenn nach den alten Regeln eingeholte Gutachten ungeachtet ihrer jeweiligen Überzeugungskraft den Beweiswert einbüssten (BGE 137 V 210 E. 6 Ingress S. 266).  
 
2.3. Allerdings ist dem Umstand, dass ein nach altem Standard in Auftrag gegebenes Gutachten eine massgebende Entscheidungsgrundlage bildet, bei der Beweiswürdigung Rechnung zu tragen (Urteile 9C_942/2011 vom 6. Juli 2012 E. 5.2 und 9C_776/2010 vom 20. Dezember 2011 E. 3.3). In dieser Übergangssituation lässt sich die beweisrechtliche Situation der versicherten Person mit derjenigen bei versicherungsinternen medizinischen Entscheidungsgrundlagen vergleichen (BGE 135 V 465 E. 4 S. 467), wo selbst schon relativ geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der ärztlichen Feststellungen genügen, um eine neue Begutachtung anzuordnen.  
 
2.4. Der Fall der Beschwerdeführerin zeigt in exemplarischer Weise auf, wie ungesichert und umstritten die diagnostische Einordnung von Schmerzstörungen - namentlich auch unter dem Blickwinkel des neuen Diagnosecodes F 45.41 - ist, ganz abgesehen von der seitens der Sachverständigen höchst kontrovers eingeschätzten Schwere der Symptomatik und der Folgenabschätzung für die Arbeits (un) fähigkeit. Die Diskrepanzen sind hier eklatant. Wenn auch abweichende Auffassungen behandelnder Ärzte oder von Parteigutachtern regelmässig keinen Grund bilden, von den Ergebnissen der Administrativbegutachtung abzuweichen (BGE 124 I 170 E. 4 S. 175; Urteile 9C_24/2008 vom 27. Mai 2008 E. 2.3.2, I 701/05 vom 5. Januar 2007 E. 2 in fine und I 506/00 vom 13. Juni 2001 E. 2b), verhält es sich doch anders, wenn objektiv fassbare Gesichtspunkte ins Feld geführt werden, welche erhebliche Zweifel auslösen. So verhält es sich hier. Die Sache ist daher an das kantonale Gericht zur Einholung eines Gerichtsgutachtens zurückzuweisen. Die Vorinstanz kann damit auch eine MEDAS beauftragen, wenn ihr dies als zweckmässig erscheint (BGE 137 V 210 E. 4.4.1.1-4.4.1.5 S. 263-265).  
 
3.   
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der angefochtene Entscheid vom 4. Mai 2012 wird aufgehoben. Die Sache wird an das Obergericht des Kantons Uri zurückgewiesen, damit es, nach Einholung eines Gerichtsgutachtens im Sinne der Erwägungen, über die Beschwerde gegen die Ablehnungsverfügung vom 31. August 2011 neu entscheide. 
 
2.   
Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von Fr. 2'800.- zu bezahlen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. Oktober 2012 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Meyer 
 
Der Gerichtsschreiber: Scartazzini