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[AZA 0/2] 
5P.377/2000/zga 
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G ******************************** 
 
 
4. Dezember 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung, 
Bundesrichter Meyer, Ersatzrichter Zünd und Gerichtsschreiber 
Gysel. 
 
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In Sachen 
A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech Dr. Peter J. Marti, Untere Sternengasse 1A, 4500 Solothurn, 
 
gegen 
B.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecherin Eva Saluz, Spitalgasse 14, 3011 Bern, Appellationshof (I. Zivilkammer) des Kantons Bern, 
betreffend 
 
vorsorgliche Massnahmen im Ehescheidungsverfahren, hat sich ergeben: 
 
A.- Mit Eingabe vom 27. April 1999 erhob A.________ bei der Zivilabteilung des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen Klage auf Scheidung der mit B.________ bestehenden Ehe. 
B.________ reichte hierauf am 9. Juli 1999 ein Begehren um Erlass vorsorglicher Massnahmen für die Dauer des Scheidungsverfahrens ein und verlangte insbesondere, den Ehemann zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen zu verpflichten. Nach Eingang der Vernehmlassung des Ehemannes zu diesem Gesuch und nach Abklärung von Kontoverbindungen der Ehefrau bei verschiedenen Banken setzte der Gerichtspräsident 8 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen am 17. November 1999 den Verhandlungstermin für das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen auf den 14. März 2000 (08. 15 Uhr) fest. Auf den gleichen Zeitpunkt lud er die Parteien auch zur Anhörung im Hauptverfahren vor. 
 
A.________ liess mit Eingabe vom 3. März 2000 unter Hinweis auf seinen schlechten Gesundheitszustand, der ihn an einer Teilnahme an der vorgesehenen Verhandlung hindere, um Verschiebung des Gerichtstermins ersuchen. B.________ widersetzte sich einer Verschiebung zunächst nicht, verlangte dann aber mit Eingabe vom 14. März 2000, dass ohne Verhandlung entschieden werde. A.________ bestand demgegenüber auf der Ansetzung eines neuen Verhandlungstermins. Indessen verzichtete der Gerichtspräsident darauf, die Parteien neu vorzuladen. 
 
B.- Mit Verfügung vom 20. Juli 2000 verpflichtete der Gerichtspräsident 8 des Gerichtskreises VIII Laupen-Bern A.________, der Ehefrau rückwirkend ab 13. Mai 1999 Unterhaltsbeiträge von monatlich Fr. 1'200.-- bis Ende 1999 und von monatlich Fr. 1'600.-- ab 1. Januar 2000 zu zahlen, wobei festgelegt wurde, dass er noch die Steuern beider Parteien für das Jahr 1999 zu tragen habe. 
 
Hiergegen appellierte A.________, wobei er prozessual die Durchführung einer Verhandlung verlangte und in der Sache den Antrag stellte, von der Leistung von Unterhaltsbeiträgen befreit zu werden. 
 
Der Appellationshof (I. Zivilkammer) des Kantons Bern sah von der Durchführung einer Verhandlung ab und legte mit Urteil vom 1. September 2000 die von A.________ für die Zeit ab 13. Mai 1999 zu leistenden Unterhaltsbeiträge wie folgt fest: 
 
13. Mai 1999 bis 31. August 1999 Fr.1'170.-- 1. September bis 31. Dezember 1999 Fr. 970.-- 1. Januar 2000 bis 31. August 2000 Fr.1'500.-- 
 
 
1. September 2000 bis 30. November 2000 Fr.1'600.-- ab1. Dezember 2000 Fr.1'550.--. 
 
 
C.- Mit Eingabe vom 20. September 2000 führt A.________ staatsrechtliche Beschwerde und beantragt, das Urteil des Appellationshofs vom 1. September 2000 aufzuheben. 
 
Die Beschwerdegegnerin B.________ beantragt in ihrer Vernehmlassung vom 22. November 2000, die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
 
D.- Durch Präsidialverfügung vom 22. September 2000 ist das Gesuch des Beschwerdeführers, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abgewiesen worden. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- In erster Linie rügt der Beschwerdeführer, dass seinem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht stattgegeben wurde, wodurch ihm die Möglichkeit genommen worden sei, die Beschwerdegegnerin zu ihren unklaren finanziellen Verhältnissen zu befragen. Er erblickt darin eine Missachtung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BV
 
a) Der verfassungsrechtliche Gehörsanspruch gebietet, rechtzeitig und formrichtig angebotene Beweismittel abzunehmen, es sei denn, sie beträfen eine nicht erhebliche Tatsache oder seien offensichtlich untauglich, über die streitige Tatsache Beweis zu erbringen (BGE 124 I 241 E. 2 S. 242; 117 Ia 262 E. 4b S. 268 f.). Eine vorweggenommene Beweiswürdigung ist deswegen indessen nicht ausgeschlossen; der Richter kann das Beweisverfahren schliessen, wenn er auf Grund bereits abgenommener Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür annehmen kann, dass diese durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 122 II 464 E. 4a S. 469; 119 Ib 492 E. 5b/bb S. 505 f.; 115 Ia 97 E. 5b S. 101). 
 
b) Der Beschwerdeführer hatte im Appellationsverfahren vorgebracht, die Beschwerdegegnerin verfüge über Vermögen, dessen Ertrag zu berücksichtigen sei. Sie habe Ende 1996 Ersparnisse von Fr. 42'000.-- gehabt und alsdann ihren eigenen Nettoverdienst der Jahre 1997 und 1998 in der Höhe von Fr. 63'128.-- für sich behalten, so dass sie über Ersparnisse von rund Fr. 105'000.-- verfügen dürfte. Die Steuerbehörden hätten für die Veranlagung 1997/98 eine ermessensweise Aufrechnung nicht deklarierten Vermögens von Fr. 25'000.-- und eines Ertrags von Fr. 1'000.-- vorgenommen. 
 
Dem hat der Appellationshof entgegengehalten, für ein beachtliches Vermögen der Beschwerdegegnerin fänden sich in den Akten keine ausreichenden Hinweise. Die Zusammenstellung über ihr Vermögen (per Ende 1996) lasse sich nicht nachvollziehen und es sei zudem nicht ersichtlich, wer sie erstellt habe und worauf sie sich stütze. Ebenso wenig erlaubten die bei den Akten liegenden Bankunterlagen einen Rückschluss auf ein erhebliches Vermögen. Die Appellationsinstanz hält ferner dafür, dass nicht auf das von den Steuerbehörden aufgerechnete Vermögen und den entsprechenden Ertrag abgestellt werden dürfe, da die Beschwerdegegnerin diesbezüglich nicht habe widersprechen können. Abgesehen davon, müsste gegebenenfalls auch beim Beschwerdeführer Vermögensertrag berücksichtigt werden. 
 
c) Diese Begründung reicht nicht aus, den Antrag auf Einvernahme der Parteien abzulehnen, zumal es sich hierbei um ein naheliegendes und wenig aufwändiges Beweismittel handelt, das auch im summarischen Verfahren als geeignet erscheint, unklare finanzielle Verhältnisse einer Klärung zuzuführen: 
 
aa) Wohl ist die erwähnte Zusammenstellung über die Vermögenssituation per Ende 1996 im Massnahmenverfahren vom Beschwerdeführer zu den Akten gegeben worden, doch scheint der Appellationshof übersehen zu haben, dass die Beschwerdegegnerin selbst das Schriftstück im Hauptverfahren, als Beilage zur Klageantwort, schon zu einem früheren Zeitpunkt eingereicht hatte. Es spricht daher einiges dafür, dass das Dokument der Beschwerdegegnerin zuzurechnen ist, der Inhalt von ihr jedenfalls als richtig anerkannt werden dürfte. Welche Bedeutung ihm zukommt, mag unklar sein, hätte aber gerade Anlass zu einer entsprechenden Parteibefragung sein müssen. Ebenso ist in der steuerlichen Aufrechnung von Vermögen und Ertrag durchaus ein Indiz für vorhandenes Vermögen zu erblicken, auch wenn sie darauf zurückgeht, dass der Beschwerdeführer am 15. März 1997 den Steuerbehörden gegenüber erklärt hatte, dass ihm seine Ehefrau die erforderlichen Angaben für die Steuererklärung verweigert habe. Wenn in der Steuererklärung keinerlei Konten der Beschwerdegegnerin angeführt werden, obschon die Ersparnisse aufgeteilt worden sein sollen, erscheint es jedenfalls als naheliegend, dass sie ihre Vermögensverhältnisse - den Steuerbehörden gegenüber - nicht offengelegt hat. Auf eine Befragung hätte auch aus dieser Sicht nicht verzichtet werden dürfen. 
 
bb) Zu ihrem Erwerbseinkommen hatte die Beschwerdegegnerin im Massnahmebegehren vom 9. Juli 1999 noch erklärt, sie verdiene monatlich netto Fr. 2'400.--. In einer Eingabe vom 28. Oktober 1999 machte sie alsdann geltend, das Einkommen sei geringer, da sie unregelmässig arbeite. Gestützt auf die eingereichten Lohnabrechnungen setzte der Gerichtspräsident und ihm folgend der Appellationshof den Nettoverdienst der Beschwerdegegnerin auf Fr. 1'950.-- fest. Es fällt indessen auf, dass die Lohnabrechnungen für die Zeit von Januar 1999 bis April 1999 bezüglich des Arbeitseinsatzes mit Stundenzahlen zwischen 111 (Januar) und 119 (März) monatlich nur unwesentlich voneinander abweichen, die Beschwerdegegnerin nach Einreichung der Scheidungsklage durch den Beschwerdeführer (Ende April 1999) ihr Pensum dann aber erheblich reduzierte und von Mai bis Dezember 1999 (ohne den Monat Juli, für den sich kein Beleg bei den Akten findet) nur noch Stundenzahlen von 54,5 (November) bis 92,25 (Dezember) im Monat erreichte. 
Der für die ersten vier Monate des Jahres 1999, d.h. vor Einreichung des Scheidungsbegehrens, ausbezahlte Lohn würde (unter Berücksichtigung einerseits eines 13. Monatslohns und andererseits der Ferien) ein monatliches Nettodurchschnittseinkommen von rund Fr. 2'400.-- ergeben, was den ursprünglichen Angaben der Beschwerdegegnerin entspricht. Der Appellationshof weist im angefochtenen Urteil darauf hin, dass einer Ehefrau die Erhöhung ihres Arbeitspensums nicht ohne Übergangsfrist zugemutet werden könne. Diese Feststellung wird indessen den nach dem Dargelegten hier gegebenen Verhältnissen nicht gerecht. 
Für den Entscheid über die Höhe der Unterhaltsbeiträge kann der Grund der Reduktion von Arbeitspensum und Erwerbseinkommen bedeutsam sein. Auch er hätte in einer mündlichen Verhandlung mit Befragung der Beschwerdegegnerin geklärt werden müssen. 
 
2.- Das angefochtene Urteil verletzt nach dem Gesagten den Anspruch auf rechtliches Gehör, weil weder in erster noch in zweiter Instanz die beantragte mündliche Verhandlung mit Parteibefragung durchgeführt worden ist. Dass der Beschwerdeführer selber wegen einer kurzfristig notwendig gewordenen Operation um Verschiebung des Verhandlungstermins nachgesucht hat, ändert daran nichts. Es ist darauf hinzuweisen, dass sein Anwalt angeboten hat, allenfalls auch während der Gerichtsferien noch bis zum 21. Juli 2000 für eine Verhandlung zur Verfügung zu stehen. Der Entscheid des Gerichtspräsidenten datiert vom 20. Juli 2000, was hinreichend belegt, dass der Verzicht auf eine Verhandlung nicht der Beschleunigung des damals schon ein Jahr hängig gewesenen Verfahrens zu dienen vermochte. 
 
3.- Die staatsrechtliche Beschwerde ist mithin gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben. Entsprechend diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Diese ist ausserdem zu verpflichten, den Beschwerdeführer für seine Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Appellationshofes (I. Zivilkammer) des Kantons Bern vom 1. September 2000 aufgehoben. 
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.- Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, den Beschwerdeführer für seine Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen. 
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationshof (I. Zivilkammer) des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
 
_____________ 
Lausanne, 4. Dezember 2000 
 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: