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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 189/05 
 
Urteil vom 5. Januar 2006 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiber Ackermann 
 
Parteien 
V.________, 1977, Beschwerdeführerin, vertreten durch X.________, 
 
gegen 
 
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Stampfenbachstrasse 32, 8001 Zürich, Beschwerdegegner 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Beschluss vom 28. April 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 6. Mai 2004 verneinte das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich (AWA) die Vermittlungsfähigkeit der V.________, geboren 1977, ab dem 17. April 2003. 
 
Die dagegen erhobene Einsprache wies das AWA mit Einspracheentscheid vom 3. Dezember 2004 ab. Dieser wurde nach Angaben der Verwaltung am 14. Dezember 2004 zunächst als gewöhnlicher Brief verschickt, aber von der Post retourniert. Am 4. Januar 2005 stellte das AWA V.________ den Einspracheentscheid als eingeschriebene Sendung zu; da die Empfängerin unter der angegebenen Adresse nicht ermittelt werden konnte, erfolgte eine Rücksendung durch die Post. Mit Schreiben vom 7. Januar 2005 forderte das AWA den - ausdrücklich nicht zum Empfang von Post berechtigten - Rechtsvertreter der V.________ auf, eine allfällig neue Adresse anzugeben; dieser Aufforderung kam der Vertreter mit Brief vom 18. Januar 2005 nach. Am 20. Januar 2005 sandte das AWA den Einspracheentscheid V.________ erneut eingeschrieben zu, allerdings an die alte, nicht mehr richtige Adresse, was wiederum eine Retournierung durch die Post zur Folge hatte. 
 
Am 15. Februar 2005 nahm V.________ den Einspracheentscheid vom 3. Dezember 2004 schliesslich auf der Amtsstelle persönlich in Empfang. 
B. 
Auf die gegen den Einspracheentscheid von Dezember 2004 erhobene Beschwerde trat das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 28. April 2005 wegen verspäteter Eingabe nicht ein, nachdem sich V.________ vorher zur Frage der Rechtzeitigkeit geäussert hatte. 
C. 
V.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Sache zur materiellen Beurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. Ferner lässt sie die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung beantragen. 
Das AWA schliesst sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der angefochtene kantonale Entscheid hat nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen zum Gegenstand. Das Eidgenössische Versicherungsgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 OG in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b OG sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
2. 
Korrekt sind die Erwägungen des kantonalen Gerichts über die Berechnung und die Einhaltung der Fristen im Rechtspflegeverfahren (Art. 60 ATSG in Verbindung mit Art. 38 und 39 ATSG). Dasselbe gilt für die Darstellung der Rechtsprechung über die Zustellung einer eingeschriebenen Sendung mittels Abholungseinladung der Post (BGE 127 I 31, 123 III 493, 119 V 94 Erw. 4b/aa, je mit Hinweisen) sowie einer allfällig weiteren Zustellung des Hoheitsaktes nach Ablauf der Abholfrist für die erste Sendung (BGE 119 V 94 Erw. 4b/aa mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen. 
3. 
Streitig ist die Einhaltung der Beschwerdefrist im vorinstanzlichen Verfahren. 
3.1 Die Vorinstanz geht davon aus, die Verwaltung könne nicht beweisen, dass sie am 14. Dezember 2004 einen ersten Zustellversuch mit gewöhnlicher Post durchgeführt habe. Da das AWA am 4. Januar 2005 den Einspracheentscheid eingeschrieben geschickt habe, die Versicherte weder eine Adressänderung gemeldet noch für die Nachsendung ihrer Post gesorgt habe und mit dem Empfang des Einspracheentscheides hätte rechnen müssen, gelte Letzterer nach Ablauf der siebentägigen Abholfrist als am 13. Januar 2005 zugestellt. Die Beschwerde vom 17. Februar 2005 sei deshalb verspätet erhoben worden. Da sich die Verwaltung am 7. Januar an den rechtskundigen Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin gewandt und nach der aktuellen Adresse gefragt habe, hätte dieser die fristauslösende Wirkung des vergeblichen Zustellversuchs erkennen müssen, welches Wissen sich die Versicherte anrechnen lassen müsse. 
3.2 Zu Recht nicht bestritten ist, dass die Verwaltung den ersten Zustellversuch Mitte Dezember nicht belegen kann. Damit begann die Beschwerdefrist nicht bereits zu dieser Zeit zu laufen. 
3.3 Das kantonale Gericht hat für das Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlich festgestellt (Erw. 1 hievor), dass die Versicherte der Verwaltung weder die neue Adresse bekanntgegeben noch für die Nachsendung von Post an den neuen Wohnort gesorgt hat. Dies wäre jedoch ihre Mitwirkungspflicht gewesen und zwar umso mehr, als sie ihren Rechtsvertreter nicht zum Empfang von Post ermächtigt hatte; zudem hatte sie wegen des laufenden Verfahrens mit der Zustellung eines Hoheitsaktes der Behörde zu rechnen. Deshalb konnte und musste das AWA den Einspracheentscheid an die bisherige nicht mehr aktuelle Adresse zustellen; die Beschwerdeführerin kann aus der falschen Adressierung nichts zu ihren Gunsten ableiten. 
3.4 Eine eingeschriebene Postsendung gilt grundsätzlich in dem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem die angeschriebene Person sie tatsächlich in Empfang nimmt. Wird der Adressat nicht angetroffen und wird daher eine Abholungseinladung in seinen Briefkasten oder sein Postfach gelegt, so gilt die Sendung in jenem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem sie auf der Poststelle abgeholt wird. Geschieht dies nicht innert der Abholfrist von sieben Tagen gemäss den von der Post gestützt auf Art. 11 des Postgesetzes vom 30. April 1997 erlassenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen "Postdienstleistungen", so gilt die Sendung als am letzten Tag dieser Frist zugestellt (BGE 127 I 31, 123 III 493, 119 V 94 Erw. 4b/aa, je mit Hinweisen). Ein allfälliger zweiter Versand und die spätere Entgegennahme der Sendung vermögen an diesem Ergebnis - vorbehältlich des Vertrauensschutz begründenden, vor Fristablauf erfolgten zweiten Versands mit vorbehaltloser Rechtsmittelbelehrung (BGE 115 Ia 20 Erw. 4c; vgl. auch BGE 118 V 190) - nichts zu ändern und sind rechtlich unbeachtlich (BGE 119 V 94 Erw. 4b/aa mit Hinweisen). 
 
Die Vorinstanz hat für das Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlich festgestellt (vgl. Erw. 1 hievor), dass der Einspracheentscheid am 4. Januar 2005 eingeschrieben der Post übergeben wurde und am 6. Januar 2005 in das Postfach gelangte. Unter Berücksichtigung der siebentägigen Abholfrist gilt der Einspracheentscheid deshalb als am 13. Januar 2005 zugestellt, weshalb die Beschwerdefrist grundsätzlich am 14. Januar 2005 zu laufen begann. Damit erweist sich die - gemäss verbindlicher vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung - am 17. Februar 2005 der Post übergebene Beschwerde als verspätet eingereicht, auch wenn berücksichtigt wird, dass die Beschwerdefrist am Sonntag, dem 13. Februar 2005, ablief und deshalb gemäss Art. 38 Abs. 3 ATSG resp. § 192 des zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetzes vom 13. Juni 1976 (LS 211.1) erst am folgenden Montag, dem 14. Februar 2005, endete. Insoweit liegt keine Verletzung von Bundesrecht durch das kantonale Gericht vor (vgl. Erw. 1 hievor). 
3.5 Zu prüfen ist jedoch weiter, ob die Versicherte aufgrund des Vertrauensschutzes annehmen durfte, die Beschwerdefrist beginne erst später zu laufen. Die Beschwerdeführerin führt in dieser Hinsicht vier Grundlagen an: 
- Schreiben des AWA vom 7. Januar 2005 an den Rechtsvertreter der Versicherten, mit welchem vorbehaltlos nach einer allfällig neuen Adresse gefragt worden sei. 
- Brief des AWA vom 24. Januar 2005, mit welchem der Rechtsver- treter darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass der Entscheid am 21. Januar 2005 zugestellt worden sei. 
- Einspracheentscheid mit vorbehaltloser Rechtsmittelerklärung. 
- Mündliche Aussage einer Mitarbeiterin des AWA, dass die Frist am 21. Januar 2005 zu laufen begonnen habe. 
3.5.1 Am 7. Januar 2005 wandte sich die Verwaltung mit folgendem Brief an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin: "In obiger Angelegenheit haben wir der Versicherten mittels Einschreiben unsere am 3. Dezember 2004 erlassene Verfügung [recte Einspracheentscheid] zustellen wollen. Am 6. Januar 2005 wurde die Postsendung zurückgesandt, da der Empfänger unter angegebener Adresse nicht ermittelt werden konnte. Zwar hat die Versicherte Sie als Vertreter in dieser Angelegenheit bevollmächtigt, jedoch mit der Einschränkung, dass weiterhin sämtliche Post ihr zuzustellen sei. Demnach sind wir nicht befugt, Ihnen die Verfügung [recte Einspracheentscheid] zuzustellen. Wir ersuchen Sie deshalb, uns bis spätestens 20. Januar 2005 eine allfällige neue Adresse der Versicherten mitzuteilen." 
 
Aus dem Text dieses Schreibens ist nicht ersichtlich, dass die Verwaltung die frühere Zustellung des Einspracheentscheides als fristauslösend und verbindlich erachtete und eine erneute Zusendung allein deshalb vornehmen wollte, um die Versicherte mit dem bereits eröffneten Hoheitsakt zu dokumentieren. Wäre dies beabsichtigt gewesen, hätte das AWA - als Behörde, die sich dieser Problematik bewusst sein muss - eine andere Formulierung gewählt; es wäre in dieser Hinsicht für die Verwaltung ein Leichtes gewesen, z.B. einen Standardtext zu verwenden, mit dem darauf hingewiesen wird, dass keine neue fristauslösende Zustellung vorgesehen ist. Weiter fällt auf, dass die Verwaltung dem Rechtsvertreter eine relativ lange Frist zur Antwort gesetzt hat. Wäre die erneute Zustellung nur zu Informationszwecken beabsichtigt gewesen (damit die Versicherte in Kenntnis der Erwägungen allenfalls Beschwerde erheben konnte), hätte die Frist zur Antwort kürzer angesetzt werden müssen, damit zumindest der Rechtsvertreter die Dringlichkeit und damit die von der Verwaltung als laufend angesehene Rechtsmittelfrist hätte erkennen können. Folglich konnte der Vertreter der Beschwerdeführerin das Schreiben vom 7. Januar 2005 in guten Treuen dahin verstehen, dass die Verwaltung eine erneute vorbehaltlose Zustellung des Einspracheentscheides vornehmen wollte. Daran ändert nichts, dass es sich um einen rechtskundigen Vertreter handelt, der sich der Problematik der Zustellung eines Hoheitsaktes an die - wegen unterlassener Mitteilung der Adressänderung - falsche Adresse hätte bewusst sein müssen; der Text des Schreibens des AWA hätte auch unter Berücksichtigung dieser Tatsache klarer ausfallen müssen. Soweit die Vorinstanz aus dem Schreiben vom 7. Januar 2005 andere Schlussfolgerungen zieht, liegt eine Verletzung von Bundesrecht vor (vgl. Erw. 1 hievor). 
3.5.2 Die am 20. Januar 2005 nochmals an die alte Anschrift der Versicherten erfolgte Zustellung des Einspracheentscheides vermag den Fristenlauf nicht auszulösen, da der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin dem AWA zwischenzeitlich und innert gesetzter Frist die neue Adresse mitgeteilt hatte. Abgesehen davon ist aus der "Begleitnotiz" nicht ersichtlich, dass es sich nicht um eine vorbehaltlose Eröffnung handeln sollte ("Nachdem das Einschreiben retourniert wurde, senden wir Ihnen unseren Einspracheentscheid vom 3. Dezember 2004 in der Beilage nochmals zu."). 
3.5.3 Nachdem der Rechtsvertreter der Versicherten am 21. Januar 2005 eine ergänzende Einsprachebegründung eingereicht hatte, antwortete ihm die Verwaltung am 24. Januar 2005, dass sie den Einspracheentscheid der Versicherten am 21. [recte 20.] Januar 2005 nochmals zugestellt hätte; weiter liessen die vorgebrachten Ergänzungen keine Abänderungen am bereits im Dezember 2004 erlassenen Einspracheentscheid zu. 
 
Auch in diesem Schreiben bringt die Verwaltung nicht zum Ausdruck, dass die versuchte Zustellung vom 20. Januar 2005 (an die alte Adresse) mit dem Vorbehalt erfolgte, dass dies nur zu Dokumentationszwecken geschehen sei. Die Ablehnung inhaltlicher Änderungen am Einspracheentscheid hat ebenfalls keinen Einfluss darauf, dass die Beschwerdeführerin die erneute Zustellung nicht in dem Sinn hätte auffassen dürfen, dass damit eine vorbehaltlose und fristauslösende Eröffnung gemeint gewesen ist. 
3.5.4 Die Auffassung der Versicherten, dass vorbehaltlose Eröffnungsversuche vorlagen, ergibt sich schliesslich auch daraus, dass ihr am 15. Februar 2005 ein Einspracheentscheid ausgehändigt worden ist, der eine vorbehaltlose Rechtsmittelerklärung enthielt. Die allfällige Abgabe eines (standardmässigen) Begleitschreibens, dass die Übergabe des Hoheitsaktes nicht fristauslösend sein sollte, ist nicht einmal behauptet (so hält das AWA in seiner letztinstanzlichen Vernehmlassung nur fest, es werde bestritten, dass die Sachbearbeiterin ausgeführt habe, Fristbeginn sei der 21. Januar, sondern diese habe vielmehr darauf hingewiesen, es sei Sache des kantonalen Gerichts, über die Rechtzeitigkeit der Beschwerde zu befinden). 
3.5.5 Aus diesen Gründen konnte die Versicherte die mehrmaligen Zustellungsversuche als jeweils vorbehaltlose und fristauslösende Eröffnungen des Einspracheentscheides betrachten. Es kann letztlich offen bleiben, ob die Zustellung am 21. Januar 2005 (an die alte Adresse) oder die Übergabe am 15. Februar 2005 effektiver Beginn des Fristenlaufes ist, da die erstinstanzliche Beschwerdeschrift nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz am 17. Februar 2005 und damit innert dreissig Tagen ab beiden Daten erhoben worden ist. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz erweist sich als bundesrechtswidrig (Erw. 1 hievor). 
4. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Entsprechend dem Ausgang des Prozesses wären die Kosten dem AWA aufzuerlegen (Art. 135 OG in Verbindung mit Art. 156 Abs. 1 OG), jedoch ist dieses von der Kostenpflicht befreit (Art. 156 Abs. 2 OG). Das Gesuch der Versicherten um unentgeltliche Prozessführung ist gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. April 2005 aufgehoben und die Sache zur materiellen Beurteilung an das kantonale Gericht zurückgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Der Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird der Beschwerdeführerin zurückerstattet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 5. Januar 2006 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: