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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4A_457/2010 
 
Urteil vom 5. Januar 2011 
I. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin, 
Bundesrichter Corboz, Bundesrichter Kolly, 
Gerichtsschreiber Leemann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________ Holding AG, 
vertreten durch Advokaten 
Martin Boos und Dr. Roman Baumann Lorant, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Y.________ Holding AG, 
vertreten durch Advokat Dr. Thomas Weibel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Zusammensetzung des Verwaltungsrats; vorsorgliche Massnahmen, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, vom 29. Juni 2010. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Im Nachgang zur ordentlichen Generalversammlung der Y.________ Holding AG, (Beschwerdegegnerin) vom 1. Oktober 2009 blieb unklar, welche Personen in den Verwaltungsrat gewählt worden waren. Am 19. Februar 2010 klagte die Aktionärin X.________ Holding AG (Beschwerdeführerin) beim Bezirksgericht Arlesheim gegen die Beschwerdegegnerin auf Feststellung der Zusammensetzung des Verwaltungsrats gemäss ihren Anträgen. Gleichzeitig beantragte sie unter anderem, es sei A.________ unter Strafandrohung einstweilen zu verbieten, als Organträgerin der Beschwerdegegnerin zu handeln (Ziffer 1.2.b), eventualiter sei provisorisch ein Sachwalter einzusetzen (Ziffer 2.2). 
 
B. 
B.a Mit Verfügung vom 26. Februar 2010 untersagte das Bezirksgericht Arlesheim A.________ bis zum Entscheid über die Verfahrensanträge, als Verwaltungsrätin oder Organträgerin der Beschwerdegegnerin Handlungen im Zusammenhang mit den bevorstehenden Generalversammlungen der Tochtergesellschaften der Beschwerdegegnerin vorzunehmen. Die weitergehenden Anträge auf Erlass superprovisorischer Verfügungen wies es ab. 
Mit Verfügung vom 18. März 2010 hob das Bezirksgericht das superprovisorisch angeordnete Handlungsverbot vom 26. Februar 2010 auf. Weiter wies es die Beschwerdegegnerin an, die Beschwerdeführerin jeweils vorgängig über den Zeitpunkt geplanter Generalversammlungen, die Traktanden und die Anträge des Verwaltungsrats zu informieren und über keine Traktanden Beschluss zu fassen, die nicht vorgängig angekündigt worden waren. 
B.b Eine von der Beschwerdeführerin gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Arlesheim vom 18. März 2010 erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Beschluss vom 29. Juni 2010 ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, es sei der Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 29. Juni 2010 sowie die Verfügung des Bezirksgerichts Arlesheim aufzuheben und es seien die Verfahrensanträge Ziff. 1.2 (b) (Handlungsverbot an A.________) und Ziff. 2.2 (Einsetzung eines Sachwalters) der Anfechtungsklage vom 19. Februar 2010 gutzuheissen. 
Die Beschwerdegegnerin beantragt, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten; eventualiter sei sie abzuweisen. Die Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde. 
 
D. 
Mit Verfügung vom 7. Dezember 2010 wies das Bundesgericht das sinngemäss gestellte Gesuch der Beschwerdeführerin um Ansetzung einer Frist zur Einreichung einer Replikschrift ab, wobei es darauf hinwies, dass es der beschwerdeführenden Partei freistehe, sich zur Beschwerdeantwort zu äussern. Die Beschwerdeführerin verzichtete in der Folge auf die Einreichung einer Replikschrift. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Entscheide über vorsorgliche Massnahmen gelten nur dann als Endentscheide im Sinne von Art. 90 BGG, wenn sie in einem eigenständigen Verfahren ergehen. Selbständig eröffnete Massnahmeentscheide, die vor oder während eines Hauptverfahrens erlassen werden und nur für die Dauer des Hauptverfahrens Bestand haben bzw. unter der Bedingung, dass ein Hauptverfahren eingeleitet wird, stellen Zwischenentscheide im Sinne von Art. 93 BGG dar. Gegen solche ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG), der auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen Entscheid in der Zukunft nicht mehr behoben werden kann (BGE 134 I 83 E. 3.1 S. 86 f. mit Hinweisen). 
Die angefochtenen Entscheide betreffen vorsorgliche Massnahmen, die während eines hängigen Hauptverfahrens beantragt wurden. Demnach handelt es sich um Zwischenentscheide nach Art. 93 BGG. Bei den beantragten Massnahmen, mit denen verhindert werden soll, dass ein nach Ansicht der Beschwerdeführerin unrechtmässig zusammengesetzter Verwaltungsrat im Namen der Beschwerdegegnerin Rechtsgeschäfte abschliesst, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, liegt es auf der Hand, dass ein ablehnender Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann und daher vor Bundesgericht anfechtbar ist (vgl. BGE 134 I 83 E. 3.1 S. 87 mit Hinweisen). 
 
1.2 Angefochten ist zunächst ein Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, der als Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 Abs. 1 BGG) der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff. BGG) unterliegt. Die Beschwerdeführerin ficht jedoch gleichzeitig den Entscheid des Bezirksgerichts Arlesheim an, was nicht zulässig ist, da es sich dabei nicht um einen letztinstanzlichen Entscheid handelt. 
1.3 
1.3.1 Bei einem Entscheid, der eine vorsorgliche Massnahme zum Gegenstand hat, kann vor Bundesgericht nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden (Art. 98 BGG). Die Verletzung dieser Rechte kann das Bundesgericht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 134 V 138 E. 2.1 S. 143; 133 III 439 E. 3.2 S. 444 f.; je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer muss klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darlegen, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 135 III 232 E. 1.2 S. 234; 133 III 589 E. 2 S. 591 f.). Macht der Beschwerdeführer beispielsweise eine Verletzung von Art. 9 BV geltend, genügt es nicht, wenn er einfach behauptet, der angefochtene Entscheid sei willkürlich; er hat vielmehr im Einzelnen zu zeigen, inwiefern der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist (BGE 133 I 1 E. 5.5 S. 5; 130 I 258 E. 1.3 S. 262). 
Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid wegen Willkür nur auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgrundsatz zuwiderläuft. Willkür liegt zudem nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheids, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 135 V 2 E. 1.3 S. 4 f.; 134 II 124 E. 4.1 S. 133; 132 III 209 E. 2.1 S. 211; je mit Hinweisen). 
1.3.2 Die Darlegungen der Beschwerdeführerin beschränken sich zum grössten Teil darauf, in verschiedener Hinsicht eine unzutreffende Anwendung von Art. 731b OR zu rügen, ohne jedoch aufzuzeigen, inwiefern der angefochtene Entscheid im Ergebnis willkürlich sein soll. Vielmehr wirft sie der Vorinstanz in verschiedener Hinsicht eine einfache Verletzung der genannten Bestimmung vor und schliesst ihre Ausführungen jeweils mit der Bemerkung, die vorinstanzlichen Erwägungen zielten "an der Sache vorbei", seien "klar willkürlich" oder "krass unzutreffend". Damit verkennt die Beschwerdeführerin die eingeschränkte Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Art. 98 BGG) und verfehlt die Begründungsanforderungen an eine Willkürrüge (Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
1.4 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG); neue Tatsachen und Beweismittel sind grundsätzlich unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG). Da gegen den angefochtenen Entscheid nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden kann (Art. 98 BGG), kommt eine Berichtigung oder Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG) nur dann in Frage, wenn die Vorinstanz verfassungsmässige Rechte verletzt hat. Wird Letzteres geltend gemacht, ist neben der Erheblichkeit der gerügten Tatsachenfeststellung für den Ausgang des Verfahrens klar und detailliert darzutun, inwiefern diese verfassungswidrig, insbesondere willkürlich, sein soll (BGE 133 III 393 E. 7.1 S. 398, 585 E. 4.1 S. 588 f.; je mit Hinweisen). 
Die Beschwerdeführerin weicht in ihrer Beschwerdebegründung verschiedentlich von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ab oder erweitert diese, ohne eine hinreichend begründete Sachverhaltsrüge zu erheben. So bringt sie etwa vor, bei der Beschwerdegegnerin bestünden zwei Aktienkategorien, die je Anspruch auf einen Vertreter im Verwaltungsrat hätten. In anderem Zusammenhang macht sie unter anderem geltend, A.________ sei gleichzeitig Aktionärin der Beschwerdegegnerin mit einem Stimmenanteil von 47 % und werde daher als einzige Verwaltungsrätin ihre eigenen Aktionärsinteressen über diejenigen der übrigen Aktionäre, insbesondere der Aktionärsgruppe "B.________/X.________", stellen. Entsprechende Feststellungen finden sich nicht im angefochtenen Urteil. Ihre Vorbringen haben insoweit unberücksichtigt zu bleiben. 
 
2. 
Die Beschwerdeführerin rügt in verschiedener Hinsicht eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV). 
 
2.1 Sie wirft der Vorinstanz zunächst eine willkürliche Anwendung von Art. 731b OR vor, indem diese verkannt habe, dass ein Fall nicht rechtmässiger Zusammensetzung des Verwaltungsrats der Beschwerdegegnerin vorliege. Ein Organ sei nicht mehr rechtmässig zusammengesetzt, wenn zwingend vorgeschriebene Mitglieder eines Organs fehlten, was im zu beurteilenden Fall zutreffe. So sei A.________ zur Zeit die "einzige, aber nicht konstituierte Verwaltungsrätin der Beschwerdegegnerin". Zudem verfüge der Verwaltungsrat über keinen Präsidenten, obwohl dies zwingend erforderlich sei. 
2.2 
2.2.1 Art. 731b OR bezweckt eine einheitliche Ordnung für die Behebung und Sanktionierung organisatorischer Mängel innerhalb einer Gesellschaft. Dabei werden die Fälle, in denen von einem Mangel in der Organisation auszugehen ist, gegenüber dem bisherigen Recht nicht erweitert, sondern lediglich die vormals geltenden Vorschriften vereinheitlicht. Die Bestimmung erfasst diejenigen Fälle, in denen eine zwingende gesetzliche Vorgabe hinsichtlich der Organisation der Gesellschaft nicht oder nicht mehr eingehalten wird (HENRY PETER/FRANCESCA CAVADINI, in: Commentaire romand, Code des obligations II, 2008, N. 1 zu Art. 731b OR; ROLF WATTER/CHARLOTTE WIESER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 3. Aufl. 2008, N. 1 zu Art. 731b OR; Botschaft vom 19. Dezember 2001 zur Revision des Obligationenrechts [GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht], BBl 2001 3231 f.). 
2.2.2 Die Beschwerdeführerin bringt selber vor, die Wahl von A.________ als Verwaltungsrätin sei unbestritten und diese sei zur Zeit einzige Verwaltungsrätin der Beschwerdegegnerin. Dieser Umstand stellt jedoch keinen Mangel in der gesetzlich zwingenden Organisation der Gesellschaft dar; im Gegenteil ist der Einpersonen-Verwaltungsrat nach Art. 707 Abs. 1 OR ausdrücklich zugelassen. Auch erübrigt sich die Bezeichnung eines Präsidenten in dieser Konstellation, zumal die zwingende Bestellung eines Präsidenten des Verwaltungsrats (Art. 712 OR) auf den mehrköpfigen Verwaltungsrat zugeschnitten ist (MARTIN WERNLI, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 3. Aufl. 2008, N. 3, 5 zu Art. 712 OR). 
Der Beschwerdeführerin kann daher nicht gefolgt werden, wenn sie unter Berufung auf Art. 731b OR geltend macht, der Verwaltungsrat der Beschwerdegegnerin sei im Sinne dieser Bestimmung nicht rechtmässig zusammengesetzt. Entgegen der in der Beschwerde geäusserten Ansicht ist Art. 731b OR nicht auf die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Mängel anwendbar. Entsprechend erübrigt es sich, auf die weiteren Rügen einzugehen, die genannte Bestimmung sei willkürlich angewendet oder vom Erlass der darin vorgesehenen Massnahmen sei in verfassungswidriger Weise abgesehen worden. 
Von einer willkürlichen Anwendung bzw. Nichtanwendung von Art. 731b OR kann keine Rede sein. 
2.2.3 Ist selbst nach Darstellung der Beschwerdeführerin davon auszugehen, dass A.________ derzeit als einzige Verwaltungsrätin der Beschwerdegegnerin amtet, braucht auch nicht geklärt zu werden, ob die Erwägungen der Vorinstanz zur Vertretung der Gesellschaft nach Massgabe der Geschäftsführung ohne Auftrag vor dem Willkürverbot standhalten würden, zumal das einzige Verwaltungsratsmitglied nach Art. 718 Abs. 3 OR von Gesetzes wegen vertretungsbevollmächtigt ist (BGE 133 III 77 E. 6 S. 80). 
 
3. 
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 7'000.-- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 5. Januar 2011 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: 
 
Klett Leemann