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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_746/2016  
   
   
 
 
 
 Urteil vom 5. April 2017  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichter Marazzi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) U.________. 
 
Gegenstand 
Beistandschaft, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Zivilkammer, vom 24. August 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ ist die Schwester der an Trisomie-21 leidenden B.________. Von 1984 bis Ende 2015 war A.________ deren Vormundin. Mit Entscheid vom 16. Dezember 2015 überführte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde U.________ (KESB) die Vormundschaft per 1. Januar 2016 in eine Vertretungsbeistandschaft, entliess A.________ als Vormundin und setzte C.________ als Beistand ein. Am 16. März 2016 genehmigte die gleiche Behörde u.a. die von A.________ erstellte Schlussrechnung und den eingereichten Schlussbericht und entlastete diese unter Vorbehalt des Revisionsberichts und der vollständigen Vermögensübergabe.  
 
A.b. Die am 23. Dezember 2011 verstorbene D.________ erstellte mehrere letztwillige Verfügungen. Sie setzte ihre Geschwister E.________, F.________, G.________ und A.________ als Erben ein. Soweit hier von Bedeutung ordnete die Erblasserin an, dass ihre Wohnung an der H.________strasse xxx in W.________ nicht verkauft werden solle, solange B.________ lebe. Diejenigen Geschwister, die B.________ betreuten, sollten ab und zu dort mit ihr übernachten und sie "nach Noten verwöhnen". Das vorhandene Bargeld solle für die Kosten eines Chauffeurs mit Auto für den Transport bzw. die Begleitung von B.________ von V.________ zu ihren Schwestern verwendet werden, und zwar sowohl für die Hin- wie auch die Rückfahrt. Ausserdem solle mit dem Geld eine oder mehrere Personen engagiert werden, die B.________ ab und zu in W.________ oder auch bei den Schwestern in Pflege nehmen würden. Selbstverständlich könnten auch Kosten für Restaurants, Reisen etc. gedeckt werden. Ausserdem übertrug die Erblasserin die Vollstreckung ihrer Verfügungen von Todes wegen an A.________.  
 
A.c. Gemäss einer von A.________ angefertigten Zusammenstellung soll das Bargeld ursprünglich Fr. 160'000.-- und per 1. Januar 2016 noch Fr. 133'216.05 betragen haben. Ausserdem hatte diese während ihrer Zeit als Vormundin monatliche Überweisungen zu Lasten eines Kontos von B.________ über Fr. 300.-- für die Benutzung der Wohnung an der H.________strasse xxx in W.________ veranlasst. Die KESB beauftragte einen Rechtsanwalt mit der Prüfung der letztwilligen Verfügungen; insbesondere sollte er beurteilen, wie die Begünstigung von B.________ zu qualifizieren sei und ob der Abzug von Fr. 300.-- für die Benutzung der Wohnung rechtmässig sei. Im Rahmen des bereits erwähnten Entscheides vom 16. März 2016 beauftragte die KESB den Beistand damit, die liquiden Mittel des Nachlasses von D.________ sel. per Todestag zu eruieren und dafür besorgt zu sein, dass der aktuelle Bestand auf ein Treuhandkonto unter Verwaltung des Beistandes überwiesen werde, ferner mit den Erbinnen zu prüfen, in welchem Ausmass der damalige Betrag berechtigterweise für B.________ verwendet wurde und allfällige Rückzahlungsansprüche gegenüber der Erbengemeinschaft geltend zu machen, die monatliche Zahlung von Fr. 300.-- sofort einzustellen und eine Rückforderung für bereits erfolgte Zahlungen bei der Erbengemeinschaft zu prüfen und geltend zu machen, nötigenfalls einen Rechtsanwalt für die Geltendmachung der Ansprüche von B.________ gegenüber der Erbengemeinschaft beizuziehen (Dispositiv-Ziffer 10).  
 
B.   
A.________ erhob gegen die in Dispositiv-Ziffer 10 des Entscheides vom 16. März 2016 getroffenen Anordnungen Beschwerde beim Kantonsgericht Graubünden. Mit Entscheid vom 24. August 2016 sprach dieses A.________ die Beschwerdelegitimation ab, trat auf die Beschwerde nicht ein und auferlegte ihr Verfahrenskosten von Fr. 1'500.--. 
 
C.   
Mit Beschwerde vom 6. Oktober 2016 wendet sich A.________ (Beschwerdeführerin) an das Bundesgericht, dem sie beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und sie als beschwerdebefugt zu erklären, die beanstandeten Massnahmen aufzuheben und die vom Kantonsgericht erhobenen Gerichtskosten der KESB U.________ oder dem Kanton Graubünden aufzuerlegen. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Nichteintretensentscheid in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit des Erwachsenenschutzes, deren Streitwert Fr. 30'000.-- übersteigt. Die Beschwerde in Zivilsachen ist damit grundsätzlich gegeben (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 2 und Art. 90 BGG).  
 
1.2. Was die Legitimation zur Ergreifung dieses Rechtsmittels anbelangt, so sind die Voraussetzungen von Art. 76 Abs. 1 lit. a BGG erfüllt. Insofern die Beurteilung der Legitimation zur kantonalen Weiterziehung beantragt wird, sind auch die Voraussetzungen von Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG gegeben, denn die Beschwerdeführerin hat ein geschütztes Interesse an der Klärung dieser Rechtsfrage (vgl. BGE 135 II 145 E. 3.1; Urteil 5A_186/2014 vom 7. April 2014 E. 1 betreffend die Beschwerdelegitimation nach Art. 76 Abs. 2 lit. b BGG bei der strittigen Legitimation zur Beschwerde nach Art. 419 ZGB), welche das Bundesgericht im Übrigen mit freier Kognition prüfen kann (Art. 106 Abs. 1 BGG).  
 
1.3. Nicht einzutreten ist auf das Begehren, mit dem die Beschwerdeführerin die Aufhebung der streitgegenständlichen Massnahmen und damit die Reformation des angefochtenen Urteils beantragt. Das Bundesgericht prüft nur, ob der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid zu Recht ergangen ist. Falls es diese Frage verneinen und die Beschwerde gutheissen sollte, müsste es die Sache an die Vorinstanz zurückweisen.  
 
2.  
 
2.1. Das Obergericht erwog, die Beschwerde richte sich ausschliesslich gegen die an den Beistand gerichteten Weisungen; davon sei die Beschwerdeführerin nicht betroffen, so dass sie ihre Legitimation nicht auf Art. 450 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB stützen könne. Ferner könne sie nicht als nahestehende Person im Sinne von Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB gelten, zumal sie nicht die Interessenwahrung der betroffenen Person verfolge. Schliesslich könne die Beschwerdeführerin ihre Legitimation nicht auf Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB stützen, zumal sie Interessen der Erbengemeinschaft verfolge und nicht etwa solche des Erwachsenenschutzrechts.  
 
2.2. Die Beschwerdeführerin beanstandet alle drei Begründungslinien des Obergerichts: sie sei als am Verfahren Beteiligte, als nahestehende Person sowie als Person, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung bzw. Änderung des angefochtenen Entscheids hat, zur Beschwerde befugt.  
 
2.3.  
 
2.3.1. Gemäss Art. 450 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB ist die am Verfahren beteiligte Person zur Beschwerde legitimiert. Vorausgesetzt ist indes ein tatsächliches, aktuelles Interesse an der Beschwerde (Urteil 5A_960/2015 vom 22. Dezember 2015 E. 2.2 mit Hinweisen).  
Freilich war die Beschwerdeführerin am Verfahren, in welchem es auch um die Genehmigung ihres Schlussberichtes und der Schlussrechnung als Vormundin ging (Sachverhalt A.a), beteiligt. Hingegen ist mit Bezug auf den angefochtenen Teil des Entscheides vom 16. März 2016 ein tatsächliches, aktuelles Interesse der Beschwerdeführerin an der Beschwerde nicht auszumachen. In der Tat richten sich die streitgegenständlichen Anordnungen ausschliesslich an den Beistand von B.________. Wie bereits das Kantonsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben weder der Beistand noch die KESB eine irgendwie geartete Verfügungsgewalt über den Nachlass der D.________ sel., noch können sie Anordnungen treffen über das Nachlassvermögen. Dies gilt namentlich hinsichtlich des Auftrages an den Beistand, dafür besorgt zu sein, dass der aktuelle Barbestand auf ein Treuhandkonto unter Verwaltung des Beistandes überwiesen werde. Soweit es um (allfällige) Ansprüche der B.________ gegenüber den Erben der D.________ sel. geht, ist ausschliesslich der Zivilrichter für deren Beurteilung zuständig. Dass der Beistand Ansprüche gegen die Erben der D.________ sel. prüfen und gegebenenfalls rechtliche Schritte einleiten soll, begründet kein tatsächliches, aktuelles Interesse, welches Art. 450Abs. 1 Ziff. 1 ZGB voraussetzt. Insgesamt hat der Entscheid vom 16. März 2016 in den angefochtenen Punkten keinerlei Einfluss, weder auf die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin als vormalige Vormundin, noch als (Mit-) Erbin der D.________ sel. 
Ein aktuelles Interesse könnte gegebenenfalls in der Anordnung an den Beistand gesehen werden, die monatlichen Zahlungen der Fr. 300.-- einzustellen. Für die Begründung desselben beruft sich die Beschwerdeführerin indes auf Tatsachen, die sich nicht aus dem angefochtenen Entscheid ergeben. Weil im Verfahren vor Bundesgericht keine neuen Tatsachen vorgetragen werden können (Art. 99 Abs. 1 BGG), haben diese unbeachtet zu bleiben. Entgegen der Befürchtung der Beschwerdeführerin kann keine Rede davon sein, dass mit dem angefochtenen Entscheid rechtskräftig feststeht, dass die monatlichen Überweisungen zu Unrecht erfolgt sind. 
 
2.3.2. Gestützt auf Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB ist legitimiert, wer der betroffenen Person nahe steht, dadurch geeignet erscheint, deren Interessen wahrzunehmen, und mit der Beschwerde auch tatsächlich die Interessen der betroffenen Person verfolgt. Nimmt die Drittperson eigene Interessen wahr, ist unerheblich, ob sie als nahestehende Person qualifizieren könnte. Ihre Beschwerdelegitimation richtet sich diesfalls nach den Voraussetzungen von Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB (Urteil 5A_112/2015 vom 7. Dezember 2015 E. 2.5.1.1).  
Dass die Beschwerdeführerin eine B.________ nahestehende Person ist, steht ausser Zweifel. Wie sich aber aus ihrer Beschwerdeschrift entnehmen lässt, nimmt sie eigene Interessen (bzw. diejenigen der Erben der D.________ sel.) wahr, weshalb sie ihre Beschwerdeberechtigung nicht aus Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB ableiten kann. 
 
2.3.3. Ein Dritter ist gestützt auf Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB dann zur Beschwerde legitimiert, wenn er die Verletzung eigener Rechte geltend macht und ein rechtliches Interesse verfolgt, das durch das Erwachsenenschutzrecht geschützt werden soll (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht], BBl 2006 S. 7084). Die Geltendmachung dieses eigenen rechtlich geschützten Interesses, das wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann, ist nur zulässig, wenn es mit der fraglichen Massnahme direkt zusammenhängt bzw. mit der Massnahme geschützt werden soll und deshalb von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde hätte berücksichtigt werden müssen (Urteile 5A_112/2015 vom 7. Dezember 2015 E. 2.5.1.3, 5A_124/2015 vom 28. Mai 2015 E. 5.1 und 5A_979/2013 vom 28. März 2014 E. 4.2 mit Hinweis, in: FamPra.ch 2014 S. 767; zu aArt. 420 ZGB vgl. BGE 137 III 67 E. 3.1 mit Verweis auf BGE 121 III 1 E. 2b).  
Im vorliegenden Sachzusammenhang ist nicht ersichtlich, inwiefern die von der Beschwerdeführerin wahrgenommenen Interessen durch das Erwachsenenschutzrecht geschützt sein könnten; sie legt auch keine solchen dar, so dass nicht näher darauf einzugehen ist. 
 
2.4. Zusammenfassend kann die Beschwerdeführerin ihre Beschwerdebefugnis für das kantonale Verfahren auf keine der in Art. 450 Abs. 2 ZGB aufgeführten Varianten abstützen.  
 
3.   
Das Begehren, die vom Kantonsgericht erhobenen Gerichtskosten seien der KESB U.________ oder dem Kanton Graubünden aufzuerlegen, steht offensichtlich im Zusammenhang mit und wäre Folge der beantragten Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Eine Begründung, weshalb die Kostenauflage unabhängig vom Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens rechtswidrig sein soll, trägt die Beschwerdeführerin nicht vor. Darauf ist nicht weiter einzugehen. 
 
4.   
Damit steht der angefochtene Entscheid im Einklang mit Bundesrecht und erweist sich die Beschwerde als unbegründet, soweit auf sie eingetreten werden kann. Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der KESB ist keine Entschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) U.________ und dem Kantonsgericht von Graubünden, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. April 2017 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: Zbinden