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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1B_57/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 5. Mai 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Lücke, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; amtliche Verteidigung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 18. Januar 2017 des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland verurteilte A.________ mit Strafbefehl vom 18. April 2016 wegen Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung (Art. 117 Ausländergesetz (AuG; SR 142.20) zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen. Sie hielt für erwiesen, dass A.________ als Inhaber und Koch des Restaurants "B.________" in Bern am 19. Januar 2016 zwei ausländische Personen beschäftigt hatte, die nicht über die erforderliche Arbeitsbewilligung verfügten. 
A.________ erhob Einsprache gegen den Strafbefehl und ersuchte am 3. November 2016, ihm Rechtsanwalt Lücke als amtlichen Verteidiger beizugeben. Die Staatsanwaltschaft wies das Gesuch am 9. November 2016 ab. 
A.________ focht diese Verfügung beim Obergericht des Kantons Bern an, welches die Beschwerde am 18. Januar 2017 abwies. 
 
B.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben und ihm Rechtsanwalt Lücke als amtlichen Verteidiger beizugeben oder die Sache eventuell ans Obergericht zu neuem Entscheid zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht A.________ um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
C.  
Das Obergericht verzichtet auf Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, mit dem das Obergericht die Abweisung des Gesuchs des Beschuldigten um Einsetzung eines amtlichen Verteidigers schützte; dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen zulässig (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 BGG). Er schliesst das Verfahren indessen nicht ab; es handelt sich mithin um einen Zwischenentscheid, gegen den die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zulässig ist, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur (BGE 133 IV 139 E. 4) bewirken könnte. Das ist bei der Verweigerung der amtlichen Verteidigung der Fall (BGE 133 IV 335 E. 4 mit Hinweisen; Urteil 1B_436/2011 vom 21. September 2011, E. 1). Der Beschwerdeführer, der im Strafverfahren beschuldigt wird und dessen Gesuch um amtliche Verteidigung abgelehnt wurde, ist zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2.  
Das Obergericht verneinte im angefochtenen Entscheid einen Anspruch des Beschwerdeführers auf amtliche Verteidigung mit der Begründung, es handle sich um einen Bagatellfall und das Verfahren biete weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten, denen er ohne Rechtsbeistand nicht gewachsen wäre. 
 
2.1. Die Verteidigung ist in den Art. 128 ff. StPO geregelt. In besonders schwer wiegenden Straffällen ist sie unter bestimmten Voraussetzungen - etwa wenn die Untersuchungshaft mehr als 10 Tage gedauert hat oder eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr in Aussicht steht (Art. 130 lit. a und b StPO) - notwendig, d.h. der beschuldigten Person muss auf jeden Fall ein Verteidiger zur Seite gestellt werden. Bestimmt sie keinen Wahlverteidiger, muss ihr diesfalls zwingend ein amtlicher Verteidiger bestellt werden (Art. 132 Abs. 1 lit. a StPO). In Bagatellfällen besteht dagegen grundsätzlich kein Anspruch auf amtliche Verteidigung (Art. 132 Abs. 2 StPO), sondern nur ausnahmsweise, etwa wenn der Fall besondere Schwierigkeiten bietet, denen der Beschuldigte nicht gewachsen ist, oder der Ausgang des Verfahrens eine besondere Tragweite aufweist, etwa weil ihm der Entzug einer Berufsausübungsbewilligung droht (Urteile 1B_217/2015 vom 20. August 2015 E. 2.2; 1B_169/2014 vom 16. Juli 2014 E. 2.3). Steht für den Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von über 4 Monaten, eine Geldstrafe von über 120 Tagessätzen oder gemeinnützige Arbeit von mehr als 480 Stunden in Aussicht, liegt jedenfalls kein Bagatellfall mehr vor (Art. 132 Abs. 3 StPO). In den dazwischen liegenden Fällen relativer Schwere ist eine amtliche Verteidigung anzuordnen, wenn der Beschuldigte nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Verteidigung zur Wahrung seiner Interessen geboten erscheint (Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO). Letzteres ist dann der Fall, wenn der Straffall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Probleme aufwirft, denen der Beschuldigte allein nicht gewachsen ist (Art. 132 Abs. 2 StPO).  
 
2.2. Der Beschwerdeführer wurde im (dahingefallenen) Strafbefehl zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Da keine konkreten Hinweise daraufhin deuten, dass das Strafmass massiv erhöht werden könnte, liegt klarerweise ein Bagatellfall im Sinn von Art. 132 Abs. 3 StPO vor.  
 
2.3. Der chinesische Beschwerdeführer lebt seit 9 Jahren in der Schweiz. Auch wenn sich seine Kenntnisse der deutschen Sprache offenbar auf wenige Wörter Hochdeutsch beschränken, ist er doch Geschäftsführer eines Restaurants. Als solcher muss er die grundlegenden Regeln für die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer in seinem Betrieb kennen; insbesondere ist davon auszugehen, dass er auch aus eigener Erfahrung weiss, dass ausländische Arbeitskräfte nur beschäftigt werden dürfen, wenn sie über die entsprechenden Bewilligungen verfügen. Dieses berufliche Grundwissen reicht aus, um sich in einem (Bagatell-) Strafverfahren gegen den Vorwurf, zwei ausländische Arbeitnehmer illegal beschäftigt zu haben, sachgerecht zu verteidigen, etwa zu bestreiten, dass er wusste oder hätte wissen müssen, dass die fraglichen Personen nicht über die erforderlichen Bewilligungen verfügten oder geltend zu machen, dass er für deren Anstellung nicht verantwortlich war. Dazu sind, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers (bzw. seines Anwaltes), keine dogmatischen Kenntnisse der strafrechtlichen Handlungslehre erforderlich. Dies gilt umso mehr, als er nach den nicht substantiell bestrittenen Erwägungen des Obergerichts mithilfe eines Übersetzers in der Lage ist, einer Einvernahme zu folgen und seinen Standpunkt sachgerecht zu vertreten. Das ist, jedenfalls in einem Bagatellfall, ausreichend. Das Obergericht hat offenkundig kein Bundesrecht verletzt, indem es die Verweigerung einer amtlichen Verteidigung schützte. Die Beschwerde ist unbegründet.  
 
3.  
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches indessen abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. Mai 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi