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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_172/2008 
 
Urteil vom 5. Juni 2008 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterinnen Widmer, Leuzinger, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Parteien 
Dienststelle für Wirtschaft und Arbeit Luzern (wira), Stab Recht, Bürgenstrasse 12, 6005 Luzern, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
B.________, 1977, Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lucien W. Valloni, Bellerivestrasse 201, 8034 Zürich. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 25. Januar 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1977 geborene B.________ meldete sich am 4. März 2004 beim Arbeitsamt Y.________ zur Arbeitsvermittlung an und erhob Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. Vom 1. Juli 2004 bis 30. Juni 2005 stand er in einem befristeten Arbeitsverhältnis als Fussballer beim Club X.________, welches vom 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2006 verlängert wurde (Arbeitsverträge vom 16. Juni 2004 und 4. Juli 2005). Mit Verfügung vom 6. Juli 2005 verneinte die Dienststelle für Wirtschaft und Arbeit Luzern (wira), Abteilung Zentrale Dienste, die Vermittlungsfähigkeit des Versicherten ab 4. März 2004. In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Einsprache bejahte die wira seine Vermittlungsfähigkeit ab 4. März bis 30. Juni 2004 und verneinte sie ab 1. Juli 2004 (Entscheid vom 1. Oktober 2007). 
 
B. 
In Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern den Einspracheentscheid auf und stellte fest, dass der Versicherte ab 1. Juli 2004 vermittlungsfähig gewesen sei (Entscheid vom 25. Januar 2008). 
 
C. 
Mit Beschwerde beantragt die wira die Aufhebung des kantonalen Entscheides. 
 
Der Versicherte schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf überhaupt einzutreten sei. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). 
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG) und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Dies ist aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde zu prüfen (nicht publ. E. 1.2 und 2.2 des Urteils BGE 133 V 640). 
 
2. 
2.1 Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung vorausgesetzte Vermittlungsfähigkeit der versicherten Person im Allgemeinen (Art. 8 Abs. 1 lit. f , Art. 15 Abs. 1 AVIG; BGE 125 V 51 E. 6a S. 58, 123 V 214 E. 3 S. 216; SVR 2007 ALV Nr. 6 S. 19 E. 1.1, C 244/05) und bei Profifussballern im Besonderen (SVR 2007 ALV Nr. 6 S. 19 E. 2.1 mit Hinweisen; ARV 2004 S. 275, C 174/03) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt zur Bedeutung der Arbeitsbemühungen der versicherten Person (Art. 17 Abs. 1 AVIG) im Rahmen der Prüfung ihrer Vermittlungsfähigkeit (BGE 112 V 215 E. 1b und 2 S. 217 f.; SVR 2007 ALV Nr. 6 S. 19 E. 1.2 f. mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen. 
 
2.2 Der Begriff der Vermittlungs(un)fähigkeit schliesst graduelle Abstufungen aus (BGE 126 V 124 E. 2 S. 126, 125 V 51 E. 6a S. 58). Entweder ist eine versicherte Person vermittlungsfähig, d.h. insbesondere bereit, eine zumutbare Arbeit im Umfang von mindestens 20 % eines Normalarbeitspensums anzunehmen, oder nicht (vgl. Art. 5 AVIV; BGE 125 V 51 E. 6a in fine S. 58, Urteil 8C_569/2007 vom 4. April 2008, E. 2). Bei Arbeitnehmern, die nur noch teilzeitlich erwerbstätig sein wollen oder können, ist der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung über das Kriterium des anrechenbaren Arbeitsausfalls zu bestimmen (vgl. Art. 8 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 11 AVIG; in SVR 2004 ALV Nr. 12 S. 35 publ. E. 3.3.1 des Urteils BGE 130 V 138; BGE 125 V 51 E. 6b und 6c/aa S. 58 f.). Somit sind teilarbeitslose Personen für eine weitere Teilzeitstelle oder eine Vollzeitbeschäftigung entweder vermittlungsfähig oder nicht (Urteil C 144/05 vom 1. Dezember 2005, E. 2.2.1 mit Hinweis). 
 
3. 
Bei der Anwendung der gesetzlichen und rechtsprechungsgemässen Regeln über die Vermittlungsfähigkeit geht es um eine Rechtsfrage. Zu prüfen ist hierbei insbesondere die falsche Rechtsanwendung. Diese basiert auf einer im Rahmen von Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG grundsätzlich verbindlichen Sachverhaltsfeststellung (Urteile 8C_267/2007 vom 17. September 2007, E. 2.1, und 8C_773/2007 vom 9. Januar 2008, E. 3). 
 
4. 
Streitig und zu prüfen ist die Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdegegners für die Zeit ab 1. Juli 2004. 
 
4.1 Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass die wira im streitigen Einspracheentscheid vom 1. Oktober 2007 und in der vorinstanzlichen Vernehmlassung vom 5. Dezember 2007 die subjektive Vermittlungsfähigkeit des Versicherten ab 1. Juli 2004 aufgrund seiner Arbeitsbemühungen anerkannt hat. Weiter hat die Vorinstanz aufgrund der Arbeitsverträge des Versicherten mit dem Club X.________ vom 16. Juni 2004 für die Zeit ab 1. Juli 2004 und vom 4. Juli 2005 für die Zeit ab 1. Juli 2005 sowie gestützt auf die Schreiben des Clubs X.________ vom 22. April 2004 und 31. Mai sowie 6. September 2005 richtig festgestellt, dass ein Teilzeitarbeitsvertrag abgeschlossen worden ist. Beizupflichten ist auch der vorinstanzlichen Feststellung, dass der Versicherte beim Club X.________ jeweils erst ab 17.15 Uhr zum Training erscheinen musste. Die Vorinstanz hat gestützt auf diese Umstände mit einlässlicher Begründung, auf die verwiesen wird, zu Recht erwogen, dass der Versicherte die Möglichkeit gehabt hätte, ganztags einer Beschäftigung nachzugehen, weshalb ab 1. Juli 2004 - neben der subjektiven - auch die objektive Vermittlungsfähigkeit zu bejahen sei. 
 
4.2 Die letztinstanzlichen Einwendungen der wira sind nicht geeignet, die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung als offensichtlich unrichtig oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhend erscheinen zu lassen (Art. 97 Abs. 1 und 105 Abs. 2 BGG). 
4.2.1 Die wira macht geltend, entgegen dem ersten Arbeitsvertrag zwischen dem Versicherten und dem Club X.________ vom 16. Juni 2004 finde sich in demjenigen vom 4. Juli 2005 keine Abänderung von Art. 4 bis 6, wonach es dem Versicherten grundsätzlich untersagt und nicht möglich gewesen sei, einer anderen Beschäftigung nachzugehen. 
Dem kann nicht gefolgt werden. Die Vorinstanz hat richtig erkannt, dass es sich beim Arbeitsvertrag vom 4. Juli 2005 um die Erneuerung desjenigen vom 16. Juni 2004 gehandelt habe. Gemäss dem Schreiben des Clubs X.________ vom 31. Mai 2005 sei es der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien gewesen, erneut einen Teilzeitarbeitsvertrag mit der Möglichkeit einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit des Versicherten abzuschliessen, was sich auch aus dem vereinbarten Lohn von monatlich brutto Fr. 1800.- (recte: 1500.-) bzw. Fr. 1000.- ergebe. 
4.2.2 Die wira wendet ein, in den Formularen "Nachweis der persönlichen Arbeitsbemühungen" habe der Versicherte betreffend die Bewerbungen als Fitnessinstruktor mehrheitlich angegeben, es sei um eine Vollzeitbeschäftigung gegangen. Demgegenüber habe er im Bewerbungsschreiben an die Fitness Connection vom 24. März 2005 ausgeführt, er stehe beim Club X.________ unter Vertrag und wolle nebenbei einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Es sei davon auszugehen, dass seine übrigen Bewerbungsschreiben im gleichen Sinn gelautet hätten. Demnach sei es ihm nicht um eine Vollzeitanstellung gegangen. Die Aufgabe seiner Fussballertätigkeit zu Gunsten einer solchen im Fitnessbereich sei offensichtlich nicht in Frage gekommen. Die Aufgabe des bestehenden (befristeten) Anstellungsverhältnisses beim Club X.________ wäre auch gar nicht möglich gewesen. Selbst wenn er sich um Vollzeitstellen beworben hätte, würde dies noch lange nicht bedeuten, dass er ein entsprechendes Pensum auch tatsächlich hätte verrichten können. Die Hauptzeiten in den Fitnessstudios fielen hauptsächlich auf den späten Nachmittag bzw. den Abend sowie das Wochenende. Zu diesen Zeiten habe der Versicherte aber Termine beim Club X.________ gehabt. Es dürfte kaum vorkommen, dass ein Fitnessinstruktor vollzeitig angestellt werde, wenn er während der Hauptzeiten gar nicht zur Verfügung stehe. Zudem habe der Versicherte keine Ausbildung im Fitnessbereich gehabt, weshalb sich die Frage stelle, inwieweit seine Bewerbungen überhaupt Aussicht auf Erfolg gehabt hätten. 
 
Soweit die wira mit diesen Vorbringen die Rechtsauffassung vertreten sollte, vermittlungsfähig seien nur Personen, die für eine Vollzeitbeschäftigung zur Verfügung stünden, kann dem nicht gefolgt werden (E. 2.2 hievor; erwähntes Urteil C 144/05, E. 4.2). 
 
 
 
 
Die wira bringt erstmals letztinstanzlich vor, mangels Ausbildung des Versicherten im Fitnessbereich stelle sich die Frage nach den Erfolgsaussichten seiner Arbeitsbemühungen; zudem wäre er während der Fitnesshauptzeiten gar nicht zur Verfügung gestanden. Es ist nicht einzusehen, weshalb sie dies nicht bereits im vorinstanzlichen Verfahren vorgebracht hat. Es kann auch nicht gesagt werden, dass erst der vorinstanzliche Entscheid der wira Anlass zu diesen Einwänden betreffend eine Tätigkeit im Fitnessbereich gegeben hat. Demnach handelt es sich um unzulässige neue Vorbringen (Art. 99 Abs. 1 BGG), auf die nicht einzutreten ist. Aus demselben Grund kann die von der wira (im streitigen Einspracheentscheid und) vorinstanzlich anerkannte subjektive Vermittlungsbereitschaft des Versicherten (E. 4.1 hievor) letztinstanzlich nicht mehr in Frage gestellt werden (vgl. Urteil 8C_18/2007 vom 1. Februar 2008, E. 3.2 f. mit Hinweisen). 
4.2.3 Die wira macht - wie bereits vorinstanzlich - geltend, aufgrund des Schreibens des Clubs X.________ vom 22. April 2004 und der Arbeitsbemühungen des Versicherten sei für ihn ein Vertrag als Berufsfussballer im Vordergrund gestanden. Hiefür hätte er über die entsprechenden körperlichen Voraussetzungen verfügen müssen. Dies habe ein entsprechendes Training verlangt, wofür das abendliche Training beim Club X.________ allein offensichtlich nicht genügt hätte. Dieser Einwand ist unbehelflich. Zum einen belegt die wira nicht, dass der Versicherte zusätzlich zu dem beim Club X.________ ab 17.15 Uhr beginnenden Training trainiert hätte. Zum anderen ist von seiner subjektiven Vermittlungsbereitschaft auszugehen (E. 4.1 und 4.2.3 hievor), was bedeutet, dass er bei Finden einer zusätzlichen Arbeitsstelle bereit gewesen wäre, auf allfällige weitergehende Trainings zu verzichten. 
4.2.4 Nicht stichhaltig ist das Argument der wira, mit Schreiben vom 7. Juni 2005 habe sie ihre Zustimmung vom 1. Juni 2005 betreffend eine weitere Anstellung des Versicherten beim Club X.________ widerrufen; ungeachtet dessen hätten sie am 4. Juli 2005 den neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen. 
4.2.5 Die wira beruft sich auf das Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 25. September 2003, C 174/03, publ. in ARV 2004 S. 275, worin die Vermittlungsfähigkeit eines anderen Spielers des Clubs X.________ verneint wurde. Die Vorinstanz hat indessen eingehend dargelegt, weshalb jener Fall nicht mit dem vorliegenden verglichen werden kann. Im Gegensatz zu jenem Fall ist vorliegend die subjektive Vermittlungsbreitschaft des Versicherten zu bejahen und kann aufgrund seiner Abmachungen mit dem Club X.________ nicht von einer vollzeitigen Anstellung ausgegangen werden. 
 
4.3 Nach dem Gesagten ist der vorinstanzliche Entscheid nicht zu beanstanden. 
 
5. 
Gemäss Art. 66 Abs. 4 BGG dürfen dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis und, ohne dass es sich um ein Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. Die Kantone und die mit dem Vollzug betrauten kantonalen Durchführungsorgane (Art. 76 Abs. 1 lit. c AVIG richten keine Leistungen aus, da hierfür die Kassen zuständig sind (Art. 81 Abs. 1 lit. c AVIG). Sodann hat die wira kein Vermögensinteresse daran, ob das Bundesgericht die Verneinung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung bestätigt oder nicht (Art. 85 Abs. 1 lit. b AVIG). Ihr sind daher als unterliegender Partei (Art. 66 Abs. 1 BGG) keine Gerichtskosten aufzuerlegen (BGE 133 V 640 E. 4.5 S. 641; Urteil 8C_98/2007 vom 15. Februar 2008, E. 4). Die wira hat den obsiegenden, anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1500.- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt. 
Luzern, 5. Juni 2008 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Ursprung Jancar